Meinung

Neues Grundsatzprogramm: Was bedeutet das „C“ in der CDU?

Die CDU will sich ein neues Grundsatzprogramm geben. „Richtschnur“ soll dabei das christliche Menschenbild sein. Dabei sind Zweifel angebracht, ob ihr eigenes Handeln dem entspricht.

von Christian Wolff · 14. Dezember 2023
Weihnachtskrippe: Die CDU hätte Maria und Joseph womöglich abgewiesen.

Weihnachtskrippe: Die CDU hätte Maria und Joseph womöglich abgewiesen.

Die CDU will sich ein neues Grundsatzprogramm geben. Das ist an sich nicht besonders weltbewegend und ihr gutes Recht. Interessant wird die Sache dadurch, dass die CDU mit dem „C“ in ihrem Namen Inhalte in Anspruch nimmt, durch die sich vor allem christliche Religionsgemeinschaften wie die Kirchen auszeichnen. Dass sich die CDU dieser Inanspruchnahme bewusst bedient (was auch ihr gutes Recht ist), wurde auf der Pressekonferenz der CDU am vergangenen Montag deutlich. Diese eröffnete der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, mit bemerkenswerten Sätzen:

Die Menschen brauchen Halt und Orientierung und dafür braucht es eine Partei wie die CDU, die das geben kann. Wir haben unser Wertefundament erneuert, bekräftigt und es steht und fällt mit dem christlichen Menschenbild. Das ist unsere Richtschnur für die Politik, die wir machen.

Was zeichnet das christliche Menschenbild aus?

Was für eine Aussage: Das Wertefundament der CDU steht und fällt mit dem christlichen Menschenbild! Was aber zeichnet dieses christliche Menschenbild aus? Linnemann leitete auf der Pressekonferenz aus ihm vier Konkretisierungen ab:

Wir gehen 1. vom Individuum aus, nicht vom Kollektiv, immer vom einzelnen Menschen, nie von oben herab. … 2. Wir wissen, dass wir nicht die letzte Wahrheit kennen. Politik muss immer in Demut arbeiten. … 3. Solidarität und Subsidiarität. Wir gehen von Eigenständigkeit des einzelnen aus. … 4. Zuversicht, Aufbruch und Erneuerung. Wir vertrauen den Menschen. Wir nehmen die Menschen, so wie sie sind. Wir wollen sie nicht verändern.

Drei entscheidende Dinge fehlen

Darin soll sich das christliche, das biblische Menschenbild erschöpfen? So richtig es ist, dass sich mit dem biblischen Menschenbild ein Wahrheits- und Absolutheitsanspruch des Glaubens nicht verträgt, so banal wirkt es, Solidarität, Subsidiarität, Zuversicht, Aufbruch und Erneuerung quasi als Alleinstellungsmerkmale des christlichen Menschenbildes für sich zu reklamieren. Warum aber kommen die drei entscheidenden biblischen Grundzüge eines christlichen Menschenbildes im Grundsatzprogramm nicht vor:

  1. Jeder Mensch (Betonung liegt auf „jeder“) ist ein Geschöpf Gottes und mit Recht und Würde gesegnet ist. Das schlägt sich in Artikel 1 des Grundgesetzes nieder: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das biblische Menschenbild ist universal und nur interreligiös zu verstehen. Es verträgt sich mit keiner Form von Nationalismus und Rassismus.
  2. Jeder Mensch ist fehlbar und darum der Vergebung und der Barmherzigkeit bedürftig. Das ist eine der Wurzeln von Rechtsstaatlichkeit und Resozialisierung.
  3. Das Leben eines jeden Menschen ist endlich. Die Endlichkeit, Vergänglichkeit des Menschen hat seine Ursache auch in seiner Fehlbarkeit. Aus beidem gibt es nur den einen Ausweg: die Hoffnung auf Gottes neue Welt. Der Versuch der Selbsterlösung ist zum Scheitern verurteilt.

Die CDU würde Joseph und Maria wohl abweisen

Wenn sich eine Partei auf das christliche Menschenbild beruft, dann muss sie zum einen dieses Bild erst einmal richtig darstellen. Zum andern muss sie sich selbstkritisch fragen, ob ihre politische Grundausrichtung diesem Menschenbild entspricht. Da sind Zweifel angebracht. Im Verlauf der Pressekonferenz kam auch Mario Vogt, CDU-Vorsitzender in Thüringen, zu Wort. Er führte aus: „Leitmotiv für unsere Asylpolitik sind Humanität und Ordnung … Wir sind ein weltoffenes und gastfreundliches Land. Gastfreundschaft heißt aber nicht, die Tür aushängen, sondern Gastfreundschaft bedeutet, selbst darüber zu bestimmen, wer und wie viele in unsere Wohnung kommen.“

Fällt jemandem etwas auf? Genau wie Mario Vogt dachten auch die Gastwirte in Bethlehem vor 2000 Jahren, als die schwangere Maria und ihr Partner Joseph keinen Raum in der Herberge fanden. Da wurden weder Türen geöffnet noch „ausgehängt“. Da bestimmten die Wirte, „wer und wie viele in unsere Wohnung kommen“. Für Maria und Joseph war jedenfalls kein Platz. Gastfreundschaft im biblischen Sinn bezieht sich aber meist auf die Fremden und Ausgestoßenen. In ihre Häuser kehrt Jesus ein, sie lädt er an seinen Tisch. So gesehen ist Gastfreundschaft der Lakmustest des Glaubens. Im Blick auf die CDU droht ihr Wertefundament eher zu fallen als zu stehen.

Das christliche Menschenbild als kritischer Maßstab

Wie wäre es also, wenn die CDU das christliche Menschenbild nicht dazu benutzt, um ihre politischen Vorstellungen mit höheren Weihen („Richtschnur“) zu versehen, sondern als einen, ihr nicht allein verfügbaren, kritischen Maßstab für das eigene Tun und Lassen einzusetzen. Dann würden auch alle, für die das christliche Menschenbild Grundlage ihrer Lebensgestaltung ist, die aber wenig Sympathie für die CDU hegen, davor bewahrt, ihre Überzeugung durch eine politische Partei vereinnahmt zu sehen.

Der Text erschien zuerst im Blog des Autors.

Autor*in
Christian Wolff
Christian Wolff

ist evangelischer Theologe und seit 2014 als Blogger und Berater für Kirche, Politik und Kultur tätig. Seit 1970 ist er Mitglied der SPD.

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6 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Fr., 15.12.2023 - 10:22

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fzunehmen mit dem politischen Gegner, der sich christlich nennt. Man muss nur die Kirchengeschichte bemühen, die ja gut überliefert ist. Dann stößt man schnell auf das Schisma von 1054 und viele andere Stationen, die deutlich machen, dass es dem Glauben nicht nur an Wissenschaftlichkeit sondern insbesondere an Einheitlichkeit mangelt- alle leiten ihren Glauben aus derselben Quelle ab, kommen aber zu vollkommen anderen Urteilen und Lösungen, die letztendlich dann in Glaubenskriegen gipfelten, auch solchen der christlichen Religionen untereinander- und Christen sind sie alle, wie alle auf Gottes Hilfe vertrauten in ihren Auseinandersetzungen. Gott mit uns- das stand bei allen auf dem Koppelschloss- bekräftigt durch den jeweiligen Regimentspfarrer und seinesgleichen der diversen Religionen und Religionsausprägungen . So hat dann ein Christ dem anderen Christen das Bajonett in den Leib gebohrt- mit Gottes Hilfe.
An der CDU/CSU sollten wir uns programmatisch reiben, da haben wir genug Ansatzpunkte . Zuguterletzt stellen die dann noch das S in der SPD in Frage, soweit wollen wir es ja nicht kommen lassen

Gespeichert von Axel Stock (nicht überprüft) am Fr., 15.12.2023 - 18:29

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Ich muß mich schon wundern wie ein Theologe seine Unkenntnis der Bibel darlegt.

Vorerst möchte ich sagen, daß das S (sozial) bei der SPD auch fehl am Platze ist. Und wer ehrlich bei den Sozialdemokraten ist (ich nehme da mal die Funktionäre und Apparatschiks aus) wird das "sozial" auch nur noch als Wunsch statt als Realität erfahren (Ich habe über 30 Jahre im Weiterbildungssektor fast immer mit Arbeitslosen und ALG II Empfängern).

Der Autor bezieht sich auf die Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums (Luk 2, 1-20). Ich habe den Abschnitt ein paar mal gelesen, konnte aber nicht herauslesen, daß Gastwirte ihre Herbergen aus Gleichgültigkeit Josef und Maria kein Zimmer gaben. Oder daß die Wirte bestimmten wer eingelassen wird und wer nicht. Zumal die Herbergen (Gasthäuser) meistens auch nicht besser waren als die "Wohnsituation" im Stall (wird in der NKJV Study Bible ausführlich in den Kommentaren beschrieben). Zum anderen kam die "heilige Familie" im Mathäusevangelium in einem Haus unter.

Es ist also nicht aus dem Text herauszulesen, daß die Gastfreundschaft, die im Orient ein höchstes Gut war und vielleicht auch noch ist, verweigert wurde.

Dann frage ich mich nun was der Autor bezweckt? Eigentlich nur plumpe Ideologie.

Ich finde es nicht redlich was Herr Wollf geschrieben hat.

rt, wie auch andere Spitzenerzeugnisse der Literatur vergangener Jahrzehnte, eine redaktionelle Anpassung an die in der Gegenwart allgegenwärtigen Moralvorstellungen. Es ist eben nicht nur der "N-könig" in pipi Langstrumpf, der der heutigen Wirklichkeit nicht mehr gerecht wird, auch die Bibel wurde auf die Höhe der zeit gebracht, was erklärt, dass der Autor (er hat offensichtlich das aktuelle Exemplar zugrundegelegt) von einem in Detailfragen abweichenden abweichenden Ablauf der Historie ausgeht. Schlüssiger- im Ganzen betrachtet- ist seine Fassung, das muss man wohl eingestehen

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Sa., 16.12.2023 - 13:11

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"Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr seid wie die weiß getünchten Grabstätten[e]: Von außen erscheinen sie schön, aber innen ist alles voll stinkender Verwesung!" (Lukas 11,27)
Dieser Bibelspruch passt zu dem angeblichen "christlich" in der CDU/CSU.

Herr Böttel, mit Bibelsprüchen zu hantieren ist immer ein Wagnis, da man zu allem und gegen alles eine entsprechende Textstelle in der Bibel findet.

Vielleicht einigen wir uns, man solle das Sozial, das Christlich und das Grün bei den 3 großen Parteien weglassen, und es wäre eigentlich beim jetzigen Zustand der Parteien der Parteiname dann ehrlicher. Oder sind Sie allen Ernstes der Meinung, daß nur die CDU/CSU dieses Etikett zu Unrecht trägt???

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Sa., 30.12.2023 - 08:47

Antwort auf von Axel Stock (nicht überprüft)

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Leider muss ich Ihnen Recht geben.