Parteileben

Mehr Mitte wagen: Wie Lars Klingbeil die SPD zu neuen Erfolgen führen will

Nach dem bitteren Ergebnis bei der Europawahl schaut die SPD nach vorne. Die Partei werde ihren Fokus noch stärker auf die arbeitende Mitte richten, kündigt der Vorsitzende Lars Klingbeil im Interview an.

von Kai Doering · 17. Juni 2024
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil

„Es gibt viele, die wir zurückholen können", sagt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil über die Wähler*innen der AfD.

Die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl eingefahren. Haben Sie es schon verdaut?

So etwas verdaut man nicht einfach und dann ist das erledigt. Im Gegenteil: Es geht jetzt darum, aus dem schlechten Ergebnis die richtigen Konsequenzen für die SPD zu ziehen und den Blick gemeinsam nach vorne zu richten. Das ist die Verantwortung, die wir an der Parteispitze tragen. Dass sich jetzt etwas ändert und dass wir aus dieser Veränderung auch eine neue Stärke ziehen für kommende Wahlkämpfe.

Es ist mein Anspruch, dass die SPD sich wieder nach vorne arbeitet. Wir haben bei der Bundestagswahl 2021 gezeigt, dass wir das können und wir werden das wieder beweisen. Mit Geschlossenheit, der richtigen Themensetzung und einer guten Organisation.

Bereits am Wahlabend haben Sie gesagt, es sei „glasklar, dass Dinge anders werden müssen“. Woran denken Sie dabei?

Wir werden den Fokus noch stärker auf die arbeitende Mitte dieses Landes richten. Auf diejenigen, die jeden Tag hart schuften, in den Familien, im Job, in den Vereinen und die so den Laden am Laufen halten. Das sind vielmals diejenigen, die nicht laut sind, die nicht meckern, die nicht polarisieren. Die gar keine Zeit dafür haben. Für diejenigen strengen wir uns an, die wollen uns kämpfen sehen. Es geht um bezahlbare Mieten, um ordentliche Löhne, um stabile Renten. Keine andere Partei ist da so klar, wie wir es sind.

Generalsekretär Kevin Kühnert sieht auch ein Problem darin, dass viele Menschen mit Grünen und FDP fremdeln und das zunehmend auf die SPD abfärbt. Was bedeutet das für die künftige Arbeit der Bundesregierung?

Diesen Auftrag, den ich eben formuliert habe, also die arbeitende Mitte ins Zentrum der Politik zu stellen, den werden wir natürlich auch in der Bundesregierung einfordern. Ich denke dabei auch an die jetzt laufenden Haushaltsberatungen. Es wird nicht funktionieren, ein Land zusammenzuhalten und die Fleißigen zu unterstützen, wenn man mal eben 30 bis 40 Milliarden im Haushalt weg kürzt. 

Wir müssen mehr Geld in die Bundeswehr und in die Polizei investieren, damit die Menschen hier in Sicherheit leben. Wir wollen unsere Wirtschaft wieder ans Laufen bringen und Arbeitsplätze sichern. Das ist die Aufgabe für die nächsten Wochen.

Das starke Abschneiden der AfD war für viele ein Schock. Wie erklären Sie sich das?

Dafür gibt es nicht die eine Erklärung. Sicherlich müssen wir feststellen, dass es einen Kern von Wählerinnen und Wählern gibt, die aus Überzeugung die AfD wählen. Das schmerzt mich persönlich sehr. Aber es gibt auch viele, die wir zurückholen können. Das ist der Ansporn. 

Wichtig ist, dass wir unseren Job gut machen, dass die Menschen uns in diesen unruhigen Zeiten wieder zutrauen, ihr Leben bezahlbar zu machen und für Sicherheit zu sorgen. Dass sie wissen, die SPD kümmert sich um uns, unsere Familien, unsere Arbeitsplätze. Dann können wir die Ergebnisse der AfD auch wieder nach unten drücken.

In Ostdeutschland liegt die AfD sogar auf dem ersten Platz. Welche Lehren ziehen Sie daraus für die anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen?

Wir kämpfen in Brandenburg dafür, dass Dietmar Woidke Ministerpräsident bleibt. In Sachsen und Thüringen wollen wir weiter mit einer demokratischen Mehrheit Verantwortung tragen. Darum geht es jetzt. 

Dafür werden wir auch noch deutlicher machen, dass die AfD keine Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer macht, dass mit dieser Partei an der Spitze nichts besser wird. Das ist nicht mal eben eine Protestpartei, die ein bisschen weiter rechts steht als die CDU. Diese Partei vertritt knallhart rechtsextreme Positionen. Die wollen unser demokratisches Miteinander kaputtmachen und mal eben 20 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte, die hier fest dazugehören, aus dem Land schmeißen. Das muss allen klar sein, wenn sie ihr Kreuz bei der AfD machen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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3 Kommentare

Gespeichert von Uwe Witt (nicht überprüft) am Di., 18.06.2024 - 11:47

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"Mitte" ist ein breiter, dehnbarer Begriff, aus dem sich das beste Aussucht,
aber wie wäre es mit dem eigenen Klientel, - das gesellschaftlich, wirtschaftlich von Rechts immer mehr zu Seite gedrückt wird-, also mit dem wahlenthaltenden Arbeiter der wahlenthaltenden Arbeiterin auf Augenhöhe anzufangen.
Hier hat eine demokratische Sozialstaatspartei ein Potential

Gespeichert von Norbert Wangrin (nicht überprüft) am Di., 18.06.2024 - 13:54

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Der Verlust der SPD ist auch auf Fehler des SPD Bundesvorstandes und Generalsekretär. zurückzuführen. Ein Sieg und ein Verlust hat immer mehrere Ursachen aber man sollte sich zuerst an die eigene Nase fassen . Eu und Bundestag sind im Prinzip unterschiedlich, aber (Fehler Nr1 ) Olaf Scholz zu plakatieren war ein schwerer strategischer Fehler, da damit EU und Bund verknüpft wurden und ausserdem ausgerechnet Scholz mit den schlechtesten Werten (Politik analytische Unfähigkeit der Wahlkampfleitung ) . Investitionen in intelligente Soziale Medien Kampagnen waren nicht ausreichend. Da war ja sogar VOLT besser als die SPD. Scholz Fan reicht nicht, daher Generalsekretär Kevin Kühnert vor Bundestagswahl austauschen. Fokus auf arbeitende Mitte zu konzentrieren ist zu dünn und reicht nicht. SPD-Bundespolitik benötigt wie am Computer ein "Reset" und muß damit beginnen wie der Stand 2024 der verschiedenen Gruppen in der deutschen Gesellschaft im Sein ( ökonomisch, soziologisch,psychisch) und dem daraus entwickelten Bewusstsein ( wen politisch unterstützen, wählen die verschiedene Gruppen ) herausarbeiten und die Sozialdemokratisch vorhandene Programmatik (s. Seitenanzahl der SPD Bundesparteitagsbeschlüsse ) auf die einzelnen Gruppen in gezielter professioneller Kommunikation über Sozial Media ansprechen.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 19.06.2024 - 07:34

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Ein schwammiger Begriff, besonders wenn gewisse Koalitionspartner die arbeitenden Menschen verachten, denn es sind ja nicht die "Leistungsträger" gemeint und mit Neusprech kujoniert man diese Menschen noch mehr. Mit Lohnzurückhaltung und steigenden Lebenshaltungskosten ist da wenig Wählerzuspruch zu erhalten, und die gekünstelte Sprache stößt die Menschen um so mehr ab.
Die afd kann man dadurch bekämpfen indem man ihre menschenverachtende neoliberale Programmatik offenlegt, aber dazu ist es notwendig daß sich die SPD selbst von der neoliberalen Infektion kurriert.