Nach der Wahl: Wie es jetzt in Europa weitergeht
Das neue Europäische Parlament ist gewählt und damit 720 Abgeordnete aus 27 Ländern. Doch wie geht es jetzt weiter? Wie werden Mehrheiten gebildet, wer wird Parlamentspräsident*in, wer Präsident*in der Kommission? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
IMAGO / Ardan Fuessmann
Das Europäische Parlament in Straßburg ist neben Brüssel das zweite EU-Parlamentsgebäude.
Vom 6. bis 9. Juni haben rund 400 Millionen Bürger*innen aus 27 EU-Staaten über die Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments für die kommenden fünf Jahre abgestimmt. Mit einer Wahlbeteiligung von 64,8 Prozent erreichte Deutschland einen hohen Wert und belegte europaweit Platz vier. Den Spitzenwert von knapp 90 Prozent an Wählerstimmen konnte Belgien verzeichnen (wo es eine Wahlpflicht gibt), während in Kroatien gerade einmal 21,3 Prozent aller Wähler*innen abstimmten.
720 Abgeordnete aus 27 Staaten
Wie viele Abgeordnete im Parlament sitzen
Im neuen Europäischen Parlament wird es 720 Abgeordnete geben. Dabei hat jedes Mitgliedsland eine festgelegte Anzahl von Sitzen. Als bevölkerungsreichstes Land der EU wird Deutschland von 96 Abgeordneten vertreten, Frankreich von 81 und Italien von 76 Abgeordneten. Schlusslicht mit jeweils sechs Sitzen sind Luxemburg, Malta und Zypern.
Welche Fraktionen es gibt
Die konservativ ausgerichtete Europäische Volkspartei (EVP) ist stärkste Kraft mit 186 Sitzen (25,7 Prozent der Stimmen), gefolgt von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokrat*innen im Europäischen Parlament (S&D) auf Platz zwei mit 135 Abgeordneten (18,75 Prozent). Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (Renew Europe) liegt mit 79 Sitzen (10,97 Prozent) auf Platz drei.
Es folgen die rechtspopulistische Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer mit 73 Sitzen, die noch weiter rechts stehende Fraktion Identität und Demokratie mit 58, die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz mit 53 Sitzen, die Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament - GUE/NGL mit 36. Fraktionslose Abgeordnete erhalten 45 Sitze, Sonstige 55 Sitze.
Wer wird Parlamentspräsident*in?
Wie sich Fraktionen bilden
Voraussichtlich findet die erste konstituierende Sitzung im neuen EU-Parlament am Dienstag, 16. Juli, statt. Bis dahin schließen sich die gewählten Abgeordneten zu Fraktionen zusammen, können aber auch neue bilden. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Fraktion aus mindestens 23 Abgeordneten besteht, die mindestens sieben Mitgliedstaaten vertreten.
Wer Präsident*in des Parlaments wird
Außerdem wählen die Abgeordneten eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten. Dazu bedarf es einer absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre und damit eine halbe Legislaturperiode, wobei eine Wiederwahl möglich ist. Dieses Amt hat derzeit noch die maltesische Politikerin Roberta Metsola aus der EVP-Fraktion inne. In der Vergangenheit teilten sich die beiden größten Fraktionen EVP und S&D je zwei Amtszeiten auf.
Zweite Amtszeit für Ursula von der Leyen?
Wer Präsident*in der Kommission wird
Außerdem könnten die Abgeordneten – ebenfalls mit absoluter Mehrheit – bereits im Juli eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten der Europäischen Kommission wählen. Voraussetzung ist, dass sich die Staats- und Regierungschef*innen der Mitgliedsstaaten vorab auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten einigen konnten. Sie unterbreiten dem Parlament einen Vorschlag, wenn mindestens 15 Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, zustimmen. Ein erstes Treffen ist für den 17. Juni geplant. Die bisherige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits am Wahlabend klargestellt, dass sie eine zweite Amtszeit anstrebt.
Warum Sozialdemokrat*innen Bedingungen stellen
Ihre Fraktion, die EVP, ging bei der Wahl als stärkste hervor. Dennoch braucht sie Verbündete. Bislang wurde sie von einem Bündnis aus Sozialdemokrat*innen der S&D-Fraktion und Liberalen (Renew) getragen. Ob das so bleibt, hängt vor allem von Ursula von der Leyen selbst ab. Da ihr politisches Verhalten vor der Europawahl schwer einschätzbar war, unter anderem weil sie sich nicht klar von rechtsradikalen Parteien wie der Fratelli d'Italia unter Ministerpräsidentin Giorgia Melonia abgrenzte, stellten europäische Sozialdemokrat*innen Forderungen an sie. Die EVP und von der Leyen dürften sich „nicht auf Rechtspopulisten und Rechtsextremisten in ihrer Mehrheitsfindung stützen“, bekräftigte SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley die Bedingungen für eine Wiederwahl. Für Barley gelte es, „den Rechtsextremen Paroli“ zu bieten.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.
EU ?
Wenn es in diesem Artikel um die EU gehen soll frage ich mich doch: was macht dieser blau-gelbe Wimpel auf dem Bild da im Vordergrund.