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Petition: Warum AfD-Mann Höcke seine Grundrechte verlieren soll

Im September sind in Thüringen Landtagswahlen. Doch der AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke soll nicht antreten könnnen, fordert eine Petition. Wie realistisch das ist, ordnet unser Autor ein.

von Christian Rath · 12. Januar 2024
Ein Anhänger des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli trägt einen Aufkleber mit der Aufschrift „Björn Höcke ist 1 Nazi“ auf seiner Jacke.

Dem Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke sollen seine Grundrechte entzogen werden. Das fordert eine Petition.

Dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke sollen die Grundrechte entzogen werden. Das fordert eine Petition, die bereits von fast 500.000 Menschen unterzeichnet wurde. „Stoppen Sie den Faschisten Björn Höcke: Veranlassen Sie, dass die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz stellt." Das fordert eine Petition, die der Physiker Indra Ghosh vor zwei Monaten auf der Petitionsplattform des Kampagnen-Netzwerks Campact veröffentlichte. Die Petition richtet sich an die Fraktionsspitzen aller Bundestagsparteien (außer der AfD).

Eine halbe Million Unterschriften

Anfangs stieg die Zahl der Unterzeichner*innen gemächlich, seit zwei Tagen laufen jedoch die Campact-Server heiß. Pro Tag unterzeichnen rund 100.000 Personen. Das Kampagnenziel von einer halben Million Unterschriften wird wohl noch im Laufe des heutigen Freitags erreicht. Grund für den Boost ist vermutlich der bekanntgewordene rechtsextremistische Plan für eine großangelegte Vertreibung („Remigration“) von Ausländer*innen, inklusive Deutschen mit Migrationshintergrund.

Die Möglichkeit, Extremist*innen die Grundrechte zu entziehen, ist im Grundgesetz vorgesehen. Voraussetzung ist laut Artikel 18, dass die Grundrechte „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“ werden. Über die Grundrechtsverwirkung kann ausschließlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Grundrechtsverwirkung ist neben dem Parteiverbot ein Instrument der „wehrhaften Demokratie“.

Bundestag, Bundesregierung oder Landesregierung können Antrag stellen

Laut Grundgesetz können insbesondere die politisch relevanten Grundrechte entzogen werden, also Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, aber auch das Eigentumsrecht. Im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ist zudem vorgesehen, dass auch das Wahlrecht und die Befugnis, öffentliche Ämter auszuüben, entzogen werden können. Nicht zuletzt darauf zielt die Petition im Vorfeld der Thüringer Landtagswahl, die für September geplant ist. Höcke ist Spitzenkandidat der AfD und will Ministerpräsident werden.

Einen Antrag auf Entziehung der Grundrechte können laut Gesetz lediglich Bundestag, Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen. Bürger*innen können also nur an die Staatsorgane appellieren, diesen Weg zu gehen.

Bislang erst vier Fälle

Bisher gab es in Deutschland vier Anträge auf Entziehung der Grundrechte. Betroffen waren ausschließlich Rechtsextremisten: Otto-Ernst Remer (Vize-Vorsitzender der verbotenene Sozialistischen Reichspartei), Gerhard Frey (Verleger der Nationalzeitung) sowie die Neonazis Thomas Dienel und Heinz Reisz.

Alle vier Anträge wurden vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Die letzte Ablehnung im Falle von Dienel und Reisz erfolgte 1996 sogar ohne Begründung. Anträge auf Grundrechtsverwirkung gelten deshalb bisher nicht gerade als besonders effizientes Instrument. 

Eine Karlsruher Entscheidung vor der Thüringer Landtagswahl wäre auch nicht unbedingt zu erwarten. Die bisherigen Anträge wurden erst nach einer Dauer von vier bis acht Jahren entschieden.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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