Der Tag, an dem die SPD verboten wurde – und im Untergrund weiterlebte
Am 22. Juni 1933 verbietet die NS-Regierung der SPD jede politische Tätigkeit und erklärt sie zur staatsfeindlichen Partei. Die Sozialdemokratie leistet dennoch Widerstand: im Untergrund und aus dem Exil.
ADSD/FES
In Berlin werden die Mitglieder des Parteivorstands der SPD von Nazi-Schergen überrascht. Paul Löbe, Max Westphal, Franz Künstler und Paul Szillat werden misshandelt und verhaftet. Johannes Stelling, früherer Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin, wird von SA-Männern erschlagen. Als einziges Vorstandsmitglied entkommt Erich Rinner nach Prag.
Überall im Deutschen Reich greifen sich SA-Männer Tausende Sozialdemokraten. Es ist der 22. Juni 1933, der Tag an dem Reichsinnenminister Wilhelm Frick die SPD zu einer staats- und volksfeindlichen Partei erklärt und ein politisches Betätigungsverbot erlässt. Der Tag, an dem die SPD untergeht und Hitler seinem Ziel eines Einparteienstaats einen weiteren Schritt näherkommt. Doch im Untergrund und im Exil lebt die SPD fort.
Otto Wels’ mutige Rede
Blick zurück. Am 23. März 1933 lehnt die SPD-Reichstagsfraktion als einzige Partei das Ermächtigungsgesetz ab, das Hitlers Diktatur errichtet. Parteichef Otto Wels begründet dies in einer kompromisslosen Rede. Kurz darauf fasst der Parteivorstand den Grundsatzbeschluss, den Vorstand ins Ausland zu verlegen, falls die politische Arbeit nicht mehr möglich ist. Am 2. Mai zerschlagen die Nazis die Gewerkschaften. Tage später fliehen der Parteivorsitzende Otto Wels, Kassierer Siegmund Crummenerl und Vorwärts-Chefredakteur Friedrich Stampfer in das noch sichere, französisch besetzte Saarbrücken. Co-Chef Hans Vogel, SAJ-Chef Erich Ollenhauer und Fritz Hertz folgen am 5. Mai.
Wegen der zunehmend unsicheren Lage beschließt der SPD-Vorstand am 21. Mai in Saarbrücken, seinen Sitz nach Prag zu verlegen. Noch am selben Tag reist der Kernvorstand nach Prag und konstituiert dort in der Palackého trída 24 im dritten Stock den Exil-Vorstand der SPD, die Sopade. Rudolf Hilferding, Curt Geyer, Erich Rinner und Fritz Heine stoßen später dazu.
„Die Geschlagenen von heute werden die Sieger von morgen sein“
Am 18. Juni erscheint unter Leitung von Chefredakteur Stampfer die erste Ausgabe des „Neuen Vorwärts“, der im tschechischen Karlsbad gedruckt wird. Die Titelschlagzeile ist eine scharfe Kampfansage an Hitler: „Zerbrecht die Ketten! Die Geschlagenen von heute werden die Sieger von morgen sein“. Dies nehmen die Nazis zum Anlass, die SPD endgültig zu verbieten, das Vermögen der Partei, deren Gebäude und Druckereien werden beschlagnahmt.
Von Prag aus führt die Sopade den politischen Kampf gegen die Naziherrschaft weiter. Ihre Aufgaben sieht sie in der Verwaltung des geretteten Parteivermögens, in der Erhaltung der Reste der Partei bis zum Sturz der Nazis und im Wiederaufbau der sozialistischen Bewegung. Zudem werden politisch Verfolgte unterstützt. Von Prag aus errichtet die Sopade zunächst elf Grenzsekretariate, die Verbindung zu den jetzt illegalen Parteistrukturen aufnehmen und ausbauen. So hält der Exil-Vorstand zu fast alle Regionen Deutschlands Kontakt.
Aufruf zum Sturz Hitlers
Die Sopade beginnt, neben dem „Neuen Vorwärts“ die „Deutschland-Berichte“ unter Mitarbeit von Rudolf Hilferding und Erich Rinner herauszugeben. Sie enthalten all die Informationen über die Situation in Nazi-Deutschland, die von Sozialdemokraten im Reich gesammelt und auf geheimen Wegen nach Prag geliefert werden. Durch die „Deutschland-Berichte“ werden die Verbrechen der Nazis in aller Welt verbreitet. Am 28. Januar 1934 ruft die Sopade mit dem Prager Manifest, das von Rudolf Hilferding verfasst und vom „Neuen Vorwärts“ veröffentlicht wird, zum revolutionären Sturz des Hitler-Regimes auf.
Doch die Hoffnung, dass die Nazi-Herrschaft überwunden wird, erfüllt sich zunächst nicht. Prag ist im Frühjahr 1938 nicht mehr sicher und die Sopade flieht weiter nach Paris. In der französischen Hauptstadt stirbt am 16. Oktober 1939 Otto Wels. Hans Vogel, der letzte SPD-Chef, flüchtet nach der Eroberung Frankreichs über Umwege nach London, wo die Sopade 1941 bis zum Kriegsende ihren Sitz nimmt.
Der Tag, an dem die SPD verboten wurde
"Am 23. März 1933 lehnt die SPD-Reichstagsfraktion als einzige Partei das Ermächtigungsgesetz ab, das Hitlers Diktatur errichtet."
Eine andere Reichstagsfraktion war da bereits ins KZ verbannt - Protest dagegen, Erinnerung daran? Der Ruhm, einzige Partei zu sein, ist ja viel schöner.
KPD
In allen Texten, die sich mit dem Beschluss des "Ermächtigungsgesetzes" befassen, wird darauf hingewiesen, dass die KPD zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschaltet war – auch in dem im Text oben verlinkten.