Parteileben

AWO-Gründerin: Wie eine Juchacz-Nachfahrin der „Route des Exils“ folgt

Auf der Flucht vor den Nazis musste Marie Juchacz 1933 Berlin und später auch Deutschland verlassen. Ihre Urgroßnichte Lydia Struck macht sich nun auf Spurensuche. Dabei treibt sie nicht nur die eigene Familiengeschichte an.
von Kai Doering · 3. Mai 2023
Auf den Spuren ihrer Urgroßtante: Lydia Struck folgt der Route des Exils von Marie Juchacz.
Auf den Spuren ihrer Urgroßtante: Lydia Struck folgt der Route des Exils von Marie Juchacz.

An diesem Mittwoch beginnt für Lydia Struck eine Reise in ihre eigene Vergangenheit – oder zumindest die ihrer Familie. Sie wird in die dunkle Mercedes A-Klasse steigen, die sie eigens für die Reise hat bekleben lassen, und von Berlin aus Richtung Süden aufbrechen. 2600 Kilometer liegen vor ihr.

Auf der Route des Exils von Marie Juchacz

Lydia Struck ist Kulturanthropologin – und die Urgroßnichte von Marie Juchacz. Nachdem diese 1933 im Reichstag als eine von 94 SPD-Abgeordneten gegen das „Ermächtigungsgesetz“ der Nazis gestimmt hatte, musste Juchacz aus Berlin fliehen – zunächst ins Saarland, dann nach Frankreich und schließlich 1941 in die USA. „90 Jahre danach fahre ich auf der Route des Exils durch Deutschland und Frankreich, an die Orte ihrer Flucht und ihres Wirkens im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“, erzählt Lydia Struck.

Vor allem über Juchaczs Zeit in Frankreich ist bisher nur wenig bekannt. Lydia Struck hofft, die eine oder andere Lücke mit den Recherchen auf ihrer Reise schließen zu können. Denn auch wenn sie mit Marie Juchacz verwandt ist: „Im Vordergrund steht bei dieser Reise die Forschung“, betont Struck. Neben Besuchen an Lebens- und Wirkungsorten Juchaczs liegt deshalb auch ein Treffen mit der Historischen Kommission in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn auf der Reiseroute.

Hoffnung auf neue Erkenntnisse

Lydia Struck wird von ihrer Tour regelmäßig in einem Blog berichten. Auch Live-Übertragungen von den Orten des Exils soll es im Internet geben. Ihre Reise finanziert Struck dabei weitgehend selbst. Nur die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und ein paar private Spender*innen geben etwas dazu. Die AWO unterstützt die Reise ideell, indem sie regelmäßig auf ihren Social-Media-Seiten berichtet.

„Die AWO ist im Umbruch, diese Reise ist ein Aufbruch. Das passt sehr gut“, sagt AWO-Vorständin Claudia Mandrysch, als sie Lydia Struck am 2. Mai in Berlin vor dem Denkmal für Marie Juchacz verabschiedet. Für die Reise hat sie einen roten Korb mit einigen Büchern und Süßigkeiten gepackt. Auch Mandrysch hofft auf neue Erkenntnisse über Marie Juchacz, die die AWO 1919 gründete.

Selbst während ihrer Exil-Zeit habe sich Juchacz sozial engagiert, erzählt Lydia Struck. In Saarbrücken etwa betrieb sie ein Café für Geflüchtete. „Später war sie selbst auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen. Das zeigt, wie brandaktuell viele Themen aus ihrem Leben sind“, findet Struck. In ihrer Familie sei dabei wenig über die berühmte Ahnin gesprochen worden. „Kaum jemand hatte eine Beziehung zu ihr. Ich habe selbst erst vor 14 Jahren erfahren, dass sie meine Urgroßtante war.“

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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