160 Jahre SPD: Wo Frauen bis heute Geschichte machen
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160 Jahre wird die SPD alt und feiert ihr Jubiläum mit gleich mehreren öffentlichen Veranstaltungen an drei Tagen: Auftakt bildet am Sonntag eine Matinee zur Eröffnung der Ausstellung „16 Frauen aus 16 Jahrzehnten — prägende Sozialdemokratinnen aus 160 Jahren“ im Berliner Willy-Brandt-Haus. Die Befreiung der Frau zählt seit 160 Jahren zu den Zielen der Sozialdemokratie, heißt es zur Begrüßung der Gäste, die zahlreich erschienen sind.
16 Frauen aus 16 Jahrzehnten
In der vom Archiv der sozialen Demokratie erarbeiteten Ausstellung repräsentieren deshalb 16 Porträts das weibliche Gesicht der Sozialdemokratie. Pro Jahrzehnt steht jeweils eine Frau im Mittelpunkt, dabei habe keines ihrer Lebensthemen an Aktualität verloren, erklärt Stefan Müller für die Friedrich-Ebert-Stiftung.
Die Geschichte beginnt mit den zunächst rechtlichen Hürden, die Frauen entgegenstanden, weil es ihnen am Ende des 19. Jahrhunderts verboten war, sich politisch zu engagieren. Erst 1918 erlangten Frauen das Wahlrecht. 37 Frauen zogen im Jahr 1919 in die Weimarer Nationalversammlung. Davon gehörten 22 der SPD und USPD an, darunter auch Luise Zietz. Zunächst noch erste Frau im SPD-Parteivorstand, zählt sie 1917 zu den Gründungsmitgliedern der USPD. Bewusst habe die Ausstellung auch Richtungsstreitigkeiten innerhalb der SPD zum Thema gemacht, erklärt Müller.
Erst die Quote bringt Veränderung
Katarina Barley weist darauf hin, dass der bei der Wahl am 19. Januar 1919 erreichte Frauenanteil von 8,7 Prozent bis zur Bundestagswahl 1983 unerreicht blieb. Denn erst die Einführung der Quote bei Grünen und SPD habe diese Veränderung ins Parlament gebracht: „Ohne die Einführung wären wir vielleicht immer noch bei 8,7 Prozent“, betont die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments.
Immer war der Weg zur Gleichberechtigung auch von Widerstand geprägt, erklärt Barley. Als Beispiel nennt sie das Jahr 1949, als es Elisabeth Selbert erst durch eine breit angelegte Kampagne gelang, dass in Artikel 3 Absatz 2 die Gleichberechtigung der Geschlechter im Grundgesetz festgeschrieben wurde. Dieser Artikel 3 sei 1994 um den Satz erweitert worden, dass der Staat auf die Gleichstellung hinwirken müsse, so die Juristin.
50 Jahre ASF
Zu diesem Zeitpunkt war die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) schon 21 Jahre aktiv, fährt sie fort. Denn diese feiert in diesem Jahr ihr 50. Jubiläum. Und noch immer gehe es darum, die männliche Gesellschaft zu überwinden, sagt Barley. Bislang jedoch wurden Frauen dem herrschenden System nur hinzugefügt, kritisiert sie. „Die Chancen, Strukturen durch weibliche Erfahrungen und Lebensweisen aufzubrechen, wurden bisher viel zu wenig genutzt“, ist sie überzeugt.
Auch die Parteivorsitznde Saskia Esken lobt die ASF als wichtige Stütze und Kraft der SPD. Unter großem Applaus fordert sie, dass für die Aufstellung von Landeslisten die Parität mindestens noch in dieser Legislatur ins Gesetz kommen müsse. Gleichzeitig plädiert sie für flexible und familienfreundliche Arbeitszeiten, die zum Leben „von Frauen passen“. Und auch die 4-Tage-Woche ist für Esken eine Chance, eine bessere Balance „in ihr Leben zu kriegen“.
SPD und ASF müssen unbequem sein
Für Maria Noichl, Co-Vorsitzende der ASF, haben ASF und SPD einen gemeinsamen Auftrag: „Als allererstes unbequem sein“, sagt sie. Die ASF sei gut darin, Unterstützerinnenschreiben zu organisieren. „So war es auch unser Erfolg, dass wir jetzt eine weibliche Bundestagspräsidentin haben.“ Die ASF könne auch Zukunftswerkstatt heißen, erklärt sie, denn die ASF sei schon immer sehr vorausschauend gewesen. Als Beispiel nennt sie die Ehe für alle, die sie als „größte parteipolitische Frauenorganisation Deutschlands“ schon 27 Jahren vor ihrer Einführung gefordert habe. Das andere Lebenswirklichkeiten und Erfahrungen aus anderen Gesellschaftssystemen einen Raum bekommen, auch dafür stehe die ASF, so Ulrike Häfner, ebenfalls Chefin der ASF.
Während Bundeskanzler Olaf Scholz den Anwesenden und insbesondere der ASF Grüße und Glückwünsche per Videobotschaft zukommen lässt, weist SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in seiner Rede auf die 16. Frau in der Ausstellung hin. Die erste Parteivorsitzende in der Geschichte der SPD, Andrea Nahles, habe keineswegs einfache Bedingungen vorgefunden, sagt Kühnert. Vielmehr sei sie ein Beispiel dafür, dass es auch heute nicht einfach sei, die Erste zu sein. Kühnert würdigt ihre Verdienste auch als Arbeits- und Sozialministerin, die insbesondere für Frauen zum Vorteil waren: angefangen beim Mindestlohn über die Einführung der Grundrente.
So zeigt sich, dass Frauen und Gleichstellungspolitik seit 160 Jahren Markenkern der SPD sind, so zumindest formuliert es Ulrike Häfner. Für sie steht fest: „Die Herzkammer des Ganzen ist die ASF.“
Das Jubiläum geht weiter
Anlässlich des Jubiläums wird es auch Montag und Dienstag weitere Feierlichkeiten geben: So steht am Montag eine Diskussion unter dem Motto „160 Jahre SPD: aus Veränderung Fortschritt machen! Die einzigartige Kultur und Geschichte der Sozialdemokratie als Fundament unserer Erfolge“ mit anschließender Verleihung des August-Bebel-Preises an. Am Dienstag werden Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Parteivorsitzenden der SPD in die Diskussion zum Thema „Fortschritt braucht Gerechtigkeit – Seit 160 Jahren Ideen für morgen“ einführen, während am Abend der Regine-Hildebrandt-Preis, der Gustav-Heinemann-Preis und der Wilhelm-Dröscher-Preis verliehen werden. Alle Veranstaltungen werden auf spd.de gestreamt.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.