Kurz erklärt: Worum es bei der Sozialwahl 2023 geht
IMAGO / Bernd Leitner
Alle sechs Jahre wählen Versicherte bei der Sozialwahl ihre Vertreter*innen für die Renten- und Krankenversicherung. Wichtig ist aber nicht nur, dass man die eigenen Vertreter*innen wählen kann, sondern auch, „dass man sie nach der Wahl auch direkt ansprechen kann“, sagt Andreas Stoll. Dabei berichtet der ver.di-Gewerkschaftssekretär aus eigener Erfahrung, die er vor einigen Jahren im Verwaltungsrat der City-BKK gemacht hat. Als gewähltes Mitglied hatte Stoll auch Einfluss auf den Haushalt der Krankenkasse und damit auch darüber, welche Leistungen für Versicherte zur Verfügung gestellt werden. Denn es gibt Ermessungs- und Satzungsleistungen. Im Vordergrund stehe, dass eine Kasse auch im Sinne ihrer Mitglieder funktioniert, so Stoll. Dazu zähle vor allem die Möglichkeit, das Widerspruchsrecht in Anspruch zu nehmen.
Wen wähle ich als Versicherte da eigentlich?
Versicherte machen ihr Kreuz bei einer Kandidat*innenliste, z.B. von Gewerkschaften, Verbänden oder unabhängigen Interessenvertretungen. Die gewählten Vertreter*innen bilden den Verwaltungsrat (in der Krankenkasse) bzw. die Vertreterversammlung (in der Rentenversicherung).
Wie setzt sich der Verwaltungsrat zusammen?
Als selbstverwaltete Körperschaft des öffentlichen Rechts werden die Verwaltungsräte der Krankenkassen paritätisch mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter*innen besetzt. Bei den Ersatzkassen gehören ausschließlich Vertreter*innen der Versicherten der Selbstverwaltung an.
Für wie lange werden die Vertreter*innen gewählt?
Die Vertreter*innen werden für den Zeitraum von sechs Jahren gewählt.
Erhalten die Mitglieder des Verwaltungsrates ein festes Entgeld für ihre Tätigkeit?
Nein, gewählte Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, haben aber für den Zeitraum ihrer aktiven Tätigkeit z.B. in Ausschuss- und Gremiensitzungen gegenüber ihren Arbeitgeber*innen einen Anspruch auf Freistellung. Für diese Zeiträume erhalten sie eine Aufwandsentschädigung.
Welche Aufgaben hat der Verwaltungsrat?
Der Verwaltungsrat entscheidet über die Haushaltspolitik und damit auch über die Höhe des Zusatzbeitrages*. Er entscheidet aber auch über die Möglichkeit, ein alternatives Leistungsangebot zu unterbreiten, wie Kostenübernahmen von Sportangeboten oder alternative medizinische Versorgung. Solche Angebote nennen sich auch Satzungs- oder Ermessungsleistungen. Der Verwaltungsrat wählt zudem den hauptamtlichen Vorstand der jeweiligen Krankenkasse und entwickelt Perspektiven für ihre Ausrichtung. Zusätzlich übernimmt er die Aufgaben des Verwaltungsrates der Pflegekasse.
Wie oft treffen sich die Mitglieder des Verwaltungsrates?
Die Treffen finden mehrmals im Jahr statt und sind teilweise öffentlich. Termine und Berichte über die Sitzungstreffen sind auf den Internetseiten der jeweiligen Krankenkassen einzusehen. Hier können auch Anfragen an die Mitglieder gestellt werden.
Kann ich die Selbstverwalter*innen persönlich ansprechen?
„Dafür sind sie da“, sagt Andreas Stoll. Denn die Vertreter*innen besetzen auch die so genannten Widerspruchsausschüsse. Werden Leistungen durch einen Versicherungsträger abgelehnt, beispielsweise bei Krankengeldzahlung oder Erwerbsminderungsrente infolge einer Berufserkrankung, hat die oder der Versicherte die Möglichkeit, die Mitglieder in den Widerspruchsausschüssen anzusprechen und um Unterstützung zu bitten.
Warum sollte ich wählen?
Für Andreas Stoll führen die Wahlen zu den Sozialversicherungsträgern zu Unrecht ein Schattendasein. „Denn mit dieser auf Selbstverwaltung basierenden und agierenden sozialen Absicherung haben wir in Deutschland ein wertvolles Instrument: die Versicherten können über ihre gewählten Vertreter*innen gerade in den Krankenkassen neben den Haushaltsfragen beim Leistungsangebot und –umfang Einfluss nehmen“, betont er. Deshalb sei es wichtig, die Möglichkeit der Wahl und damit der Mitbestimmung an dieser Stelle wahrzunehmen, sich darüber zu informieren, wer kandidiert und für welche Inhalte steht. Einen guten Einblick geben beispielsweise die Internetportale der Gewerkschaften.
*Exkurs: Was ist der Zusatzbeitrag?
Jede gesetzliche Krankenkasse legt ihren Zusatzbeitrag selbst fest, wenn ihre Beitragseinnahmen nicht zur Deckung laufender Ausgaben für Leistungen und Selbstverwaltung ausreichen. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag lag im Jahr 2022 bei 1,3 Prozent, im Jahr 2023 wurde er auf 1,6 Prozent angehoben. Der Zusatzbeitrag wird paritätisch von Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen sowie Arbeitgeber*innen gezahlt. Er wird wie der allgemeine Beitragssatz berechnet, d.h. auf das Bruttoeinkommen bezogen.
Unter www.sozialwahl.de gibt es weitere Informationen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.