Zocken für Europa: Klingbeil, Kühnert und Wölken machen Sushi
„Oh nein! Ich hab den Fisch aus dem Lokal geworfen“, ruft der SPD-Abgeordnete und Juso-Spitzenkandidat zur Europawahl Tiemo Wölken. Nein, der Niedersachse verschwendet keine Lebensmittel. Zumindest nicht real. Gemeinsam mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und dem Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert spielt Wölken am Donnerstagnachmittag in Osnabrück eine Stunde lang das virtuelle Kochduell „Overcooked“, das live im Internet auf der Plattform Twitch übertragen wird. Zeitweise schauen fast 600 Menschen zu, deren Fragen die drei Politiker nebenbei beantworten.
Zumindest im virtuellen Rahmen ist schnell klar, wer in dieser Konstellation Koch und wer Kellner ist. „Das kannst du rausbringen, Kevin“, sagt Lars Klingbeil, der eine Portion Sushi fertig hat. Währenddessen sprechen die drei darüber, was in Europa anders werden soll. Kevin Kühnert sagt etwa: „Diejenigen, die so sehr unter der Finanzkrise und vor allem in Südeuropa unter der hohen Jugendarbeitslosigkeit gelitten haben, sind vergessen worden. Für sie müssen wir was tun. Um das zu finanzieren, müssen wir an die großen Konzerne ran, damit die endlich vernünftig Steuern zahlen.“
Für Lars Klingbeil ist es eine grundsätzliche Frage, ob sich die Politik mit der Einführung einer Digitalsteuer durchsetzen könne. „Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und für viele Menschen ein ganz zentraler Punkt, ob wir da zum Erfolg kommen.“ Gleichzeitig kritisiert Klingbeil den Umgang der CDU mit dem Video des Youtubers Rezo, das in den vergangenen Tagen mehr als fünf Millionen Mal angeklickt wurde. „Ich finde es peinlich, wie die Union reagiert hat, einfach auf eine ganze Generation draufzuhauen.“ Er selbst teile nicht alle Einschätzungen aus dem Video, biete aber einen Dialog an. Zudem gebe es durchaus signifikante Unterschiede zwischen Union und SPD, beispielsweise beim Thema Klimaschutz. „Da hat die Union keinen Bock, was zu machen. Das merkt man“, sagt der SPD-Generalsekretär.
Wölken: Rezos Video macht Debatten breiter
„Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es die Debatten breiter macht, wenn jetzt auch Influencer mit hoher Reichweite über Politik sprechen“, sagt Tiemo Wölken. Der jüngste SPD-Europaabgeordnete hatte bereits am Mittwoch mit eigenem Video auf den viralen Hit des Youtubers reagiert. Im Gegensatz zur von der CDU angekündigten Reaktion war Wölkens Video auch tatsächlich veröffentlich worden. Entsprechend kommentiert Kevin Kühnert: „Was das doch für eine verschenkte Arbeitszeit ist, dass Philipp Amthor extra ins Konrad-Adenauer-Haus gekommen ist und dann das Video doch nicht veröffentlicht wurde.“
Doch schon erinnert Klingbeil den Juso-Vorsitzenden an seine wesentlichen Aufgaben: „Kevin, du könntest mal Teller abwaschen!“ Kühnert antwortet: „Sorry, ich muss gerade Fisch schneiden.“ Ein User kommentiert augenzwinkernd: „Passt auf, dass der Kühnert das Restaurant nicht vergesellschaftet.“ Dazu gibt es erst mal keine Gelegenheit. Denn Wölken ruft: „Hilfe, Leute! Unsere Küche brennt.“ Zum Glück hat der Generalsekretär den Feuerlöscher griffbereit. Zugleich macht sich Klingbeil dafür stark, E-Sports gesetzlich besser zu stellen. „Ich habe dafür gesorgt, dass wir das in den Koalitionsvertrag reingeschrieben haben. Da bin ich sehr stolz darauf.“ Jetzt blockiere aber Innenminister Seehofer, beispielsweise wenn es um Visa für E-Sportler gehe.
Ein ganz anderes Thema, das aber ebenfalls mehrfach in den Kommentaren auftaucht, ist die Frage nach bezahlbarem Wohnraum in Großstädten. „Ohne Bauen geht gar nichts“, sagt Kevin Kühnert zum aktuellen Mietwahnsinn und fordert vor allem öffentliche Investitionen anstatt die „Filetstücke“ an private Investoren zu verscherbeln.
Coole Politiker im Livestream
Nach etwa einer Stunde ist der Livestream vorbei. Wölken sagt: „Es war ein Experiment. So hochkarätig besetzt war noch kein Politik-Stream bei Twitch in Deutschland.“ Den Zuschauern hat es offenbar gefallen. „Dass ich das noch erleben darf: Coole Politiker, die auf Twitch zocken. Grandiose Show und wirklich sympathisch“, kommentiert einer. Auch wenn die spielerischen Fähigkeiten der drei sicher noch ausbaufähig waren. So kommentiert Lars Klingbeil vielsagend: „Politik können wir ganz gut.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo