Warum für die SPD Mittelsachsen schon jetzt der Wahlkampf beginnt
Wenn sich die SPD Mittelsachsen am 26. August in Freiberg trifft, hat sie allen Grund zum Feiern. Vor 150 Jahren wurde die Partei in der Bergbau-Stadt gegründet. Auslöser war die schlechte soziale Lage der Freiberger Arbeiterschaft. Allerdings: „Von diesen 150 Jahren war die SPD 67 Jahre lang verboten“, erinnert Alexander Geißler, einer der beiden Vorsitzenden der SPD Mittelsachsen. Schon fünf Jahre nach der Gründung sorgten Bismarcks Sozialistengesetze für das Aus. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 folgte das zweite Verbot. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es 1946 zur Zwangsvereinigung mit der KPD zur SED. Erst 1989 wurde die SPD wiedergegründet.
„Jeder kann kommen, alles soll auf den Tisch.“
„An all das und auch die tollen Momente werden wir am 26. August mit einem Festakt erinnern“, sagt Alexander Geißler. Als Ehrengast wird SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dabei sein. Beim bloßen Erinnern soll es allerdings nicht bleiben. „Wir wollen zeigen, dass es in Freiberg eine lebendige Sozialdemokratie gibt.“ Der Blick zurück soll deshalb auch nur einen Teil des Tages in Anspruch nehmen. Für den Nachmittag ist deshalb ein „Kommunaler Zukunftsdialog“ geplant. „Wir haben Vertreterinnen und Vertreter aus der Zivilgesellschaft von Jugendclubs und Vereinen sowie Gewerbetreibende eingeladen, um mit ihnen darüber zu diskutieren, welche Stärken und Schwächen, Chancen und welche Risiken sie für unseren Landkreis sehen“, erklärt Geißler die Idee.
Eines ist dem 33-Jährigen dabei besonders wichtig: „Jeder kann kommen, alles soll auf den Tisch. Der Zukunftsdialog ist Teil der Planungen für den Kommunalwahlkampf im kommenden Jahr. Gemeinsam mit der Europawahl werden am 9. Juni 2024 in Sachsen auch die Stadträte und Kreistage neu gewählt. „Es ist gut, wenn wir die Menschen jetzt schon auf uns aufmerksam machen“, ist Dirk Guhl überzeugt. Als parteiloser Kandidat wollte er im vergangenen Jahr Bürgermeister von Burgstädt werden. Nun tritt er auf den Listen der SPD für den Stadtrat und den Kreistag an. „Ich kann als Parteiloser ein Bindeglied sein“, ist Guhl überzeugt. Im Bürgermeister-Wahlkampf habe er gemerkt, dass es „deutliche inhaltliche Überschneidungen“ zwischen seinen Vorstellungen und denen der SPD gebe. Für die Kommunalwahl hat er deshalb entschieden: „Wer in dieselbe Richtung will, sollte zusammenarbeiten.“
Professionell für die Zukunft aufstellen
Eine im harten Kern sechsköpfige Projektgruppe, in der alle Mitglieder des Kreisverbandes mitarbeiten können, bereitet den Kommunalwahlkampf der SPD Mittelsachsen vor. Bereits im April hat sie die Grundzüge der Kampagne im Kreisvorstand vorgestellt. Im Mai folgte dann eine Klausurtagung, bei der auch Kandidat*innen-Fotos und -Videos erstellt wurden – alles mit Begleitung eines professionellen Wahlkampfberaters. Mit seiner Unterstützung entstand auch der Slogan, mit dem die SPD Mittelsachsen in den Wahlkampf ziehen wird: „Menschen im Mittelpunkt“.
„Wir wollen uns professionalisieren, damit wir besser aufgestellt sind für die Zukunft“, erzählt Mario Lorenz, Vorsitzender des Ortsvereins Claußnitz und ebenfalls Mitglied der Projektgruppe für den Kommunalwahlkampf. Für einen Kreisverband mit rund 200 Mitgliedern sei eine solche Kampagne „eine Kraftanstrengung“, gibt Lorenz zu. „Das können wir nicht jedes Mal machen.“ Ziel sei deshalb, jetzt eine gute Grundlage für künftige Wahlkämpfe zu schaffen. Drei Monate nach den Kommunalwahlen wird in Sachsen auch der Landtag neu gewählt. „Für uns ist die politische Arbeit ein Dauerlauf und mit der inhaltlichen Ausrichtung und dem Dialogmodell werden wir auch zwischen den Wahlen aktiv bleiben“, fügt Mario Lorenz hinzu.
Die AfD überflüssig machen
„Wir hören zu, müssen aber auch gemeinsam mit den Menschen Antworten finden“, ist Beatrice Neumann überzeugt. Sie will im nächsten Jahr für den Stadtrat in Döbeln und für den Kreistag kandidieren. „Als ländlich geprägte Region haben wir es vor Ort teilweise mit anderen Herausforderungen zu tun als die Städter. Die Entfernungen im Landkreis, also die Mobilität und die Zukunftssicherheit von Gemeinden sind Themen.“ Alexander Geißler ergänzt: „Wir wollen helfen, dass die Menschen erfahren, dass das Mitmachen und das Engagement für die Gesellschaft etwas bringt. Die Selbstwirksamkeit Vieler könne zu konkreten Lösungen führen und stärke zudem die Zufriedenheit, ist Geißler überzeugt.
Gerade in einer Gegend, in der rechte Parteien wie die AfD oder die „Freien Sachsen“ stark sind, sei es wichtig, auf die Menschen zu zugehen, sind sich die Kandidierenden einig. Der Zukunftsdialog am 26. August soll der erste Schritt dazu sein. Nach einer Bestandsaufnahme sind bereits weitere Veranstaltungen geplant: ein Thementag zur Bildung und ein weiterer zu Fragen rund um Handwerk und Ausbildung. „Wir wollen die übergreifenden Herausforderungen für unseren Landkreis darstellen und Lösungen suchen“, sagt Alexander Geißler, Die AfD, die sachsenweit in Umfragen auf dem ersten Platz liegt, soll dagegen nicht zum Thema gemacht werden. „Wir wollen die AfD überflüssig machen, indem wir nicht über sie sprechen, sondern ein positives Gegenkonzept anbieten.“, erklärt Geißler.
In einer erste Version des Textes hieß es, die SPD sei in Freiberg 80 Jahre verboten gewesen. Richtig sind 67 Jahre. Wir haben das korrigiert.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.