vorwärts-Sommerabend: Die Ampel-WG zu Gast bei Freunden
Dirk Bleicker
In Unternehmen gibt es die unterschiedlichsten Formate zum Teambuilding: Wildwasserrafting, Kochkurse, Klettertouren und ähnliches. Der Ampel-Koalition half offenbar eine nächtliche Verhandlungsrunde von Samstag auf Sonntag im Kanzleramt. Denn nach der Vorstellung des dritten Entlastungspaketes am Sonntag herrschte am Tag darauf bei allen Beteiligten von SPD, Grünen und FDP auf dem vorwärts-Sommerabend gelöste Stimmung. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte etwa während seiner Begrüßungsansprache mit Blick auf die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang und den FDP-Vizechef Johannes Vogel: „Das ist ein Teil der WG, die ich am Wochenende im Kanzleramt hatte. Wir hatten eine schöne Zeit, wir waren sogar in der Nacht zusammen, leider ohne einen einzigen Tropfen Alkohol, aber wir haben was rausgekriegt für unser Land und für das, was jetzt notwendig ist.“ Begleitet wurde seine Rede auch immer wieder von Applaus aus dem Publikum.
Scholz: Kein neuer Lockdown notwendig
Scholz ging auch auf ernste Themen im Kontext der dominierenden Krisen ein. „Einen neuen Lockdown werden wir in diesem Herbst und Winter nicht brauchen“, sagte er mit Blick auf die Corona-Pandemie. Zugleich kündigte er in Bezug auf die Energiekrise an: „Wir werden wohl – mit Ach und Krach, ja – aber wir werden wohl durch diesen Winter kommen. Und je weiter wir fortschreiten mit unseren Maßnahmen, werden wir auch eine sichere Zukunft haben. Das haben wir mit klarer Führung in Deutschland auf den Weg gebracht.“
vorwärts-Chefredakteurin und Geschäftsführerin Karin Nink sagte an Scholz gewandt: „Ich freue mich unheimlich, dass wir nach vielen, vielen Jahren wieder einen sozialdemokratischen Kanzler auf dem vorwärts-Fest haben.“ Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte angelehnt an den Ausrichter des Festes und mit Blick auf das gerade vorgestellte Entlastungspaket: „Gerade jetzt in der Krise lösen wir unser Versprechen ein, soziale Politik für dich zu macheen. Wir können dafür sorgen, dass alle dabei sind, wenn es vorwärts geht.“
Den progressiven Gedanken einer vorwärts gerichteten Ampel-Koalition widmeten sich anschließend auch Eskens Co-Vorsitzender Lars Klingbeil im inhaltlichen Austausch mit seiner Amtskollegin Ricarda Lang von den Grünen sowie dem stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Johannes Vogel. „Zwei tolle Menschen, mit denen ich sehr gerne Politik mache“, wie Klingbeil sagte und hinterherschob: „Ihr seid hier zu Gast bei Freunden.“
Klingbeil: „Zwei tolle Menschen, mit denen ich gerne Politik mache“
Vogel revanchierte sich verbal, indem er darauf hinwies, dass die FDP einen weiten Weg zur Ampel-Koalition habe gehen müssen. Ausschlaggebend gegenüber einem rechnerisch ebenso möglichen Bündnis mit CDU/CSU und Grünen seien auch atmosphärische Gründe gewesen: „Die Gespräche liefen komplett anders als mit der CDU. Lars, daran hattest du auch deinen Anteil.“ Ricarda Lang rekapitulierte, dass es in den ersten Gesprächen der drei Parteien zunächst um den Abbau von Vorurteilen gegangen sei: „Ihr habt gemerkt, dass wir Grünen nicht alle Öko-Spinner sind und wir, dass ihr von der FDP nicht alle neoliberale Schweine seid.“
Bezugnehmend auf die Begrüßungsansprache von Olaf Scholz sagte die Grünen-Vorsitzende weiter, dass der Spirit des gemeinsamen Aufbruchs der Ampel-Koalition am Wochenende erneut spürbar gewesen sei: „Wir haben gezeigt, dass wir noch in der Lage sind, etwas richtig Großes auf den Weg zu bringen.“ Auch Lars Klingbeil betonte, dass diese Nacht unheimlich wichtig gewesen sei. Mit Blick auf die kommenden Jahre sagte er zudem: „Die Ampel muss ein Beispiel dafür sein, wie man in der Mitte der Demokratie Kompromisse miteinander aushandelt und alle Erfolge feiern können.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo