Vor digitalem Bundeskongress: „Kevin hat uns Jusos eine relevante Rolle erstritten“
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Nächstes Wochenende wäre Juso-Bundeskongress (BuKo) in Potsdam. Sind Sie froh, dass das Kofferpacken dieses Jahr ausfällt?
Nein, auf gar keinen Fall. Der Bundeskongress ist für uns immer der Höhepunkt des Juso-Jahres. Vor Ort ein ganzes Wochenende mit vielen Jusos zu debattieren und über unsere politischen Forderungen zu streiten, ist etwas ganz Besonderes. Gut, dass es digital geht, aber schöner wäre es in Präsenz gewesen.
Inwieweit hat Corona die Arbeit der Jusos beeinträchtigt?
Es hat sie verändert. Beeinträchtigt klingt, als wäre sie jetzt schlechter. Wir sind auf eine andere Kommunikation angewiesen und können uns weniger häufig treffen. Vieles musste in den digitalen Raum verlegt werden. Zu Beginn der Pandemie haben wir unsere Arbeit auch deutlich reduziert. Unsere Jugendkonferenz war zum Beispiel für April geplant und fand nun erst im Herbst digital statt. Auch die Vernetzung untereinander ist digital schwieriger als zum Beispiel bei einer guten Juso-Party.
Was war ausschlaggebend für die Entscheidung, den BuKo rein digital abzuhalten?
Entscheidend war der deutliche Anstieg der Corona-Infektionszahlen. Die Entscheidung fiel, um niemanden zu gefährden. Mit 300 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet auf engem Raum zusammenzukommen, ist im Moment schlicht keine gute Idee.
134 Anträge stehen an einem Tag digital zur Abstimmung. Welche davon sind die wichtigsten?
Der wichtigste Antrag beschäftigt sich mit unserer Juso-Wahlkampagne für das nächste Jahr. Da stellen wir die Weichen für unsere Erzählung für die Zukunft. Was sind unsere Forderungen für den Wahlkampf? Welche Themen wollen wir in unserer Kampagne setzen, aber auch in das Wahlprogramm der SPD integrieren?
Wir haben außerdem im Laufe des Jahres gemeinsam mit allen Bezirken und Landesverbänden einen Antrag erarbeitet, der sich mit unserem Friedensprojekt in Jerusalem, dem Willy Brandt Center beschäftigt. Wir haben lange und ausführlich darüber debattiert, wie die Rolle der Jusos innerhalb des Projekts zukünftig aussieht.
Was bedeutet das inhaltlich konkret?
Konsens ist, dass alle ein Interesse daran haben, das Projekt zu erhalten, weiterhin dem Dialog mit Israelis und Palästinensern gerecht zu werden und bereit sind, einen großen Schritt auf unsere Partner zuzugehen.
Mit dem BuKo endet nach drei Jahren Kevin Kühnerts Amtszeit als Juso-Vorsitzender. Zwei Jahre davon waren Sie seine Stellvertreterin. Was waren seine größten Errungenschaften?
Wir sind keine kleine Jugendorganisation, haben aber dank Kevin inzwischen eine andere Bedeutung. Wir werden gehört und sind ein relevanter Akteur in den Debatten, die die Partei führt. Auch in gesellschaftlichen Debatten hat Kevin uns Jusos eine relevante Rolle erstritten.
Als seine Nachfolgerin bewirbt sich Jessica Rosenthal. Bekommt sie Ihre Stimme?
Auf jeden Fall. Ich freue mich sehr, dass sie kandidiert, und bin zuversichtlich, dass sie unsere nächste Bundesvorsitzende wird. Es ist gut, wenn wieder eine Frau an der Spitze des Verbandes steht. Ich denke auch, dass Jessica für die anstehende Bundestagswahlkampagne eine Menge Schwung und Energie mitbringt.
„Jessica ist eine Person mit einer großen Loyalität und viel positiver Energie“
Sie kennen sich durch die gemeinsame Juso-Arbeit in Nordrhein-Westfalen. Was schätzen Sie persönlich an ihr?
Jessica ist eine Person mit einer großen Loyalität und viel positiver Energie. Mit Jessica vergisst man nicht, warum man sich manche Nacht um die Ohren schlägt. Sie verliert die Ziele und Veränderungen, für die wir kämpfen, nie aus den Augen.
Über den Juso-Vorsitz entscheidet diesmal eine Briefwahl. Die Bekanntgabe der neuen Vorsitzenden wird am 8. Januar quasi der Startschuss zum Superwahljahr 2021. Was bringt es aus Juso-Sicht?
Am besten einen großen Erfolg für die SPD und damit auch möglichst viele Jusos in den Bundestag. Wir wollen zudem jede Menge Juso-Forderungen im SPD-Wahlprogramm platzieren, sodass nicht nur die SPD einen Wahlsieg erringt, sondern das auch mit dem Plan tut, unsere Forderungen in der Regierung umzusetzen.
Mehr als 60 Jusos bewerben sich um eine Kandidatur, ist dies ein Zeichen der angesprochenen neuen Stärke des Verbands?
Es ist ein Zeichen der Stärke unseres Verbandes, aber auch ein klares Signal, dass junge Menschen sich Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten zurückholen wollen. Diesen Effekt sieht man bei uns, aber auch in anderen progressiven Parteien. Junge Menschen wollen ihre Zukunft selbst gestalten. Sie wollen die Krisen, mit denen wir jetzt konfrontiert sind, positiv bewältigen. Das hat viele Jusos zusätzlich motiviert, sich um eine Bundestagskandidatur zu bewerben.
Macht sich da Fridays for Future auch bei den Jusos bemerkbar?
Es ist viel größer als Fridays for Future. Sie sind ein Teil dieser Bewegung, genauso wie die Black-Lives-Matter-Bewegung oder die Umweltbewegungen abseits von Fridays for Future. All das trägt dazu bei, dass junge Menschen ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen wollen.
„Wir brennen darauf, wieder auf die Straße zu gehen“
Wie wird der Wahlkampf im kommenden Jahr aussehen? Wird er digitaler oder brennen die Jusos nach dem Corona-Jahr 2020 darauf, wieder auf die Straße gehen zu können?
Wir brennen darauf, wieder auf die Straße zu gehen, wieder feiern zu gehen, wieder den öffentlichen Raum zu nutzen, wie wir es auch vorher getan haben. Sobald das wieder möglich ist und wir damit niemanden in Gefahr bringen, werden wir das auf jeden Fall auch tun. Unabhängig davon bereiten wir uns aber auch darauf vor, digital ein Wahlkampffeuerwerk zu zünden.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo