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Verzicht auf Kandidatur: So reagiert die SPD auf Pistorius' Entscheidung

Scholz oder Pistorius? Die Frage nach der SPD-Kanzlerkandidatur ist nach dem Verzicht des Verteidigungsministers gefallen. So fallen die Reaktionen der Partei aus.

von Jonas Jordan · 22. November 2024
Olaf Scholz und Boris Pistorius

Die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur ist seit Donnerstagabend geklärt.

Manchmal reichen drei Minuten, um eine Botschaft zu vermitteln. So lange war das Video von Boris Pistorius, das die SPD am Donnerstagabend um 19.27 Uhr auf ihrem WhatsApp-Kanal veröffentlichte. Darin erklärte der Verteidigungsminister, nicht für eine mögliche Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr zur Verfügung zu stehen. 

Wenig später folgte eine Mail der Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken an alle SPD-Mitglieder. Darin hieß es: „Unser wichtigstes Anliegen ist es, mit einer geschlossenen Partei in die Auseinandersetzung mit Friedrich Merz und der CDU zu gehen und die Wahl zu gewinnen.“ Deshalb hätten sie in den Tagen zuvor innerhalb der Partei intensive Gespräche geführt, auch gemeinsam mit Olaf Scholz und Boris Pistorius. „Boris hat dabei deutlich gemacht, dass er die Kandidatur von Olaf mit voller Leidenschaft unterstützt und für eine geschlossene SPD wirbt“, erklärten Klingbeil und Esken.

Deswegen kündigten sie an, am Montag den Parteigremien den Vorschlag unterbreiten zu wollen, Olaf Scholz erneut als SPD-Kanzlerkandidaten zu nominieren. Dieser habe das Land in den vergangenen Jahren durch eine Zeit mit historischen Krisen geführt. „Er hat die Erfahrung, die Deutschland angesichts der vor uns liegenden Herausforderungen jetzt weiterhin braucht. Er ist international als Staatsmann hoch anerkannt und respektiert. Er ist der richtige Kanzler im Kampf für Arbeitsplätze, sichere Renten und die Entlastung von Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern und ihren Familien. Olaf Scholz wird sich gemeinsam mit uns konsequent gegen den arbeitnehmerfeindlichen Kurs von Friedrich Merz stellen“, sagten Esken und Klingbeil über Scholz.

„Wichtig, dass nun Klarheit herrscht"

Alexander Schweitzer, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, bezeichnete Scholz am Freitag im Vorfeld der Bundesratssitzung als „natürlichen Kanzlerkandidaten“. Sein Amtskollege aus Niedersachsen, Stephan Weil, sprach von einer schwierigen Zeit, die hinter der SPD liege. Insbesondere in der Schlussphase der Ampel-Regierung seien viele SPD-Mitglieder unzufrieden gewesen. Dennoch glaube er, dass die SPD nun geschlossen und motiviert in den Wahlkampf ziehen könne.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich zeigte sich nach der Entscheidung erleichtert. „Wichtig, dass nun Klarheit über Kanzlerkandidatur herrscht. Olaf Scholz steht für seine besonnene und verantwortungsvolle Ukraine-Politik und setzt Maßstäbe. Ein sicherer Kurs in unsicheren Zeiten ist jetzt wichtiger denn je“, kommentierte er. Für die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, gehe es nun um eine Richtungsentscheidung für Deutschland. „Olaf Scholz führt dieses Land besonnen und mit klarem Kurs. Wir werden Friedrich Merz und die CDU bei den zentralen Themen stellen, die den Bürgern unter den Nägeln brennen.“

„Wir stellen den Kanzler und wir werden ihn wieder stellen!“

Ähnlich äußerte sich auch der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Schrodi. „So, und jetzt mit unserem Bundeskanzler und Kandidaten Olaf Scholz, einem starken Verteidigungsminister und einer hochmotivierten SPD in den Wahlkampf. Sozialer Zusammenhalt oder Blackrock-Merz, das wird die Entscheidung!“, sagte er in Anspielung auf Merz' früheren Posten als Aufsichtsratvorsitzender bei der Investmentgesellschaft Blackrock. Sein Fraktionskollege Carlos Kasper sprach von einer guten Entscheidung: „Jetzt heißt es kämpfen, kämpfen, kämpfen! Wir stellen den Kanzler und wir werden ihn wieder stellen!“

Entwicklungsministerin Svenja Schulze begrüßte ebenfalls das Ergebnis: „Endlich Klarheit! Jetzt geht es um die Wirtschaft, Arbeitsplätze, soziale Sicherheit. Wir stehen für einen aktiven Staat und Entlastungen der arbeitenden Mitte! Wir übernehmen Verantwortung für Deutschland! Auf geht’s!“

SPD-Vize: „Deutschland braucht Olaf Scholz“

Die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende und stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli führte aus, dass Olaf Scholz das Land als Kanzler sicher und verlässlich durch eine Zeit größter Veränderungen geführt habe. „Seiner unnachgiebigen Arbeit und seinem unermüdlichen Einsatz für das Wohl der Menschen in unserem Land ist es zu verdanken, dass Deutschland in den letzten drei Jahren trotz aller Krisen und Kriege in so vielen Bereichen sozialer und gerechter geworden ist“, schrieb sie in einer Erklärung. Ihr graue es vor Friedrich Merz, der die Uhren in die Vergangenheit zurückdrehen wolle. Deswegen sei sie der Meinung: „Deutschland braucht Olaf Scholz.“

Für die rheinland-pfälzische SPD-Landesvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler steht fest: „Olaf Scholz ist ein Kanzlerkandidat, der bewiesen hat, dass er schwierige Wahlen gewinnen und dieses Land führen kann.“ Der baden-württembergische Landesvorsitzende Andreas Stoch forderte unterdessen von seinen Genoss*innen: „So, Freunde! Das ist die Ausgangslage! Und jetzt werden die Ärmel hochgekrempelt. Für Selbstmitleid oder interne Debatte haben wir keine Zeit mehr. Es geht um unser Land. Es geht um die Menschen. Und dafür braucht es eine starke SPD!“

Vereinzelt kritische Stimmen

Giorgio Nasseh, Kreistagsabgeordneter im hessischen Landkreis Groß-Gerau, kommentierte die Entscheidung mit den Worten: „Nun gut, dann ist es eben so. Ich bin gespannt, wie wir das jetzt noch drehen wollen. Ich befürchte ein Horse-Race zwischen Habeck und Merz – der Worst Case für meine Partei.“ Igor Matviyets, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in Sachsen-Anhalt, schrieb auf X: „Der erste Beitrag der SPD-Unterseite „Team Wahlsieg“ ist also ein Video des beliebtesten SPD Politikers, indem er seinen Verzicht zu Gunsten des unbeliebten Kanzlers ohne Regierungsmehrheit erklärt. Ganz großes Kino. Danke an das SPD Hinterzimmer“

Auch der Historiker Jan Claas Behrends, der die SPD schon häufiger für ihre Ukraine-Politik kritisiert hatte, schrieb: „Damit zwingt das Willy-Brandt-Haus die gesamte SPD in einen Wahlkampf, der von Beginn an mehr oder weniger aussichtslos ist. Nach der BT-Wahl dürfte dann der gesamte Vorstand fällig sein, der dieses Desaster von nun an verantworten muss.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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2 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Fr., 22.11.2024 - 15:05

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Boris Pistorius hat mit seiner Entscheidung Charakterstärke gezeigt und verdient damit Respekt.

Es mutet schon eigenartig an, wie sich viele Medien auf fragwürdige Umfragen stürzen, die nur eine Spaltung verursachen. Wie in vielen Fällen dienen derartige Kampagnen hauptsächlich dazu, die Wahlchancen der SPD zu mindern und helfen damit vor allem der Rechtsextremisten-Partei AfD.

Ein Kandidatenwechsel in der noch kurzen verbleibenden Wahlkampfzeit würde nur schaden. Denn viele, die sich in "Umfragen" für Pistorius aussprechen, würden damit noch lange nicht SPD wählen.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 23.11.2024 - 10:02

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Natürlich wird mal wieder nur die Meinung einiger "Großkopferter" wieder gegeben.
Wo ist die Alternative DER SPD zu Merz in Sachen Frieden-, Wirtschafts- und Sozialpolitik ?