Peter Struck: Sein Pfeifenrauch ist verflogen, die Erinnerung bleibt
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Es hätte ihn gefreut. Als in diesen Januartagen über die Besetzung des Verteidigungsressorts diskutiert wurde, fiel immer wieder der Name Peter Struck – als Referenzgröße, als Positivbeispiel, wie das Ministerium zu führen sei. Struck, der heute 80 Jahre alt würde, 2012 aber viel zu früh im Alter von 69 Jahren starb, war ein anerkannt guter Verteidigungsminister. Von den Soldatinnen und Soldaten sehr gemocht, von den Verteidigungsexperten des Bundestags geachtet und von den Menschen im Land geschätzt. Peter Struck war dieses Amt auf den Leib geschnitten. Dennoch waren die Jahre von 2002 bis 2005 als IBuK (Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt) nur eine kurze Periode in der langen Politikerkarriere des 1943 in Göttingen geborenen Juristen.
Der doppelte Struck
Von 1980 bis 2009 war er Abgeordneter für den Wahlkreis Celle/Uelzen. Erst über die Landesliste gewählt, ab 1998 Direktkandidat. Wenn es etwas gab, auf das der Mann mit Bodenhaftung wirklich stolz war, dann war es diese Parlamentarier-Laufbahn. Abgeordneter im Finanzausschuss, Mitglied im Flick-Untersuchungsausschuss. Ab 1991 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Und ab 1998 gleich zweimal deren Vorsitzender. Zunächst in der rot-grünen Koalition bis 2002 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, und von 2005 bis 2009 wieder mit Kanzlerin Angela Merkel in der großen Koalition.
Kein anderer hat das bisher geschafft. In der Ahnengalerie, die am Eingang zum Sitzungssaal 3S001, der Fraktionsheimat der SPD-Abgeordneten, die Porträts der ehemaligen Vorsitzenden zeigt, ist er zweimal vertreten. Der doppelte Struck.
Er hat nicht nur im Bendlerblock Maßstäbe gesetzt, sondern auch – oder vor allem – als manchmal grantelnder, meist aber zugewandter Frontmann seiner Abgeordneten. Peter Struck forderte und förderte sie. Er erwartete von ihnen, dass sie sich stets ihrer großen Verantwortung als Volksvertreterinnen und Volksvertreter bewusst waren. Minister, Fraktionschef, alles gut und schön. „Aber“, so hat er es uns nahezu eingebläut, „Volksvertreter ist das Größte“.
Das „Strucksche Gesetz“ als Mahnung
Peter Struck wollte immer ein selbstbewusstes Parlament. In 16 Jahren Opposition während der schwarz-gelben Koalition war das Überlebenstraining für die SPD. Aber auch in Regierungszeiten hat er diesen Grundsatz nicht aufgegeben. Es bedarf nicht viel Phantasie, dass die Freude beim gerade gewählten Kanzler Schröder geteilt war, als ihm der ebenfalls frisch gewählte Fraktionschef Struck versprach: „Wir werden die Regierung stützen und treiben.“ Nun, er und seine Fraktionen haben zwei Regierungen vor allem gestützt. Dennoch, das „Strucksche Gesetz“, nach dem kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingekommen ist, ist für Regierungen immer eine Mahnung geblieben und ist für Parlamente, nicht nur in Deutschland zu einem selbstverständlichen Lehrsatz geworden.
Als Fraktionsvorsitzender vertraute Struck der Expertise der Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker und forderte deren Wissen heraus. Manchmal wurde mir flau im Magen, wenn er mir als jungem Außenpolitiker in Fraktionssitzungen ohne Vorlauf zurief: „Mütze, erklär das jetzt mal.“ Teilhabe, Partizipation hat er nicht zum Nulltarif vergeben. Er war fordernd, aber nicht überfordernd. Er verstand die argumentative Durchsetzung in der Fraktion als Test, damit wir vor den Bürgerinnen und Bürgern mit unseren Argumenten bestehen konnten.
Zur Freundschaft begabt
Struck war über die Fraktionsgrenzen hinweg angesehen und geachtet. Ja, er war zur Freundschaft begabt. Legendär die Freundschaft zwischen ihm und seinem CDU-Partner Volker Kauder in der großen Koalition. Struck konnte in Debatten austeilen, aber später versöhnlich die Hand reichen. Politische Gegner hat er nie als Feinde gesehen. Wie würde er heute reagieren, wenn er mit einer Fraktion im Bundestag zu tun hätte, die in Teilen nicht nur den Rest des Hauses anfeindet, sondern die Demokratie bekämpft? Er würde kämpfen und immer wieder dafür kämpfen, dass sich das demokratisch gesinnte Parlament gegen diese Hasardeure wehrt.
Niemals hätte ich zu denken gewagt, dass ich einmal in diesem Büro sitzen würde. Frank-Walter Steinmeier, der leider auch schon gestorbene Thomas Oppermann, Andrea Nahles, haben von hier aus nach Peter Struck die Fraktion geführt. Der Tabak-Geruch, mit dem der Pfeifenraucher Struck sein Refugium einnebelte, ist verflogen. Andere Zeiten, andere Sitten. Aber immer noch hängt in diesem Zimmer die Erinnerung an Peter Struck. Und manchmal bei der Suche nach einer Problemlösung hätte ich gern eine Antwort auf meine Bitte: „Lieber Peter Struck, erklär mir das mal.“