Parteileben

Louise Zietz, erste Frau im SPD-Parteivorstand

Sie war die sozialdemokratische Vorkämpferin für Frauenrechte. Gefördert von August Bebel, rückte Louise Zietz als erste Frau in den SPD-Parteivorstand auf. Mit einem Festakt in ihrer Geburtsstadt Bargteheide erinnert die SPD an ihren 150. Geburtstag.
von Dietrich Drescher · 30. März 2015
Gesprächsrunde mit Stiefeln von Louise Zietz: (v. l.) Moderator Franz Thönnes (MdB), Marina Spillner (Politikwissenschaftlerin), Susanne Schütt (Urgroßnichte), Sebastian Schütt (Ururgroßneffe).
Gesprächsrunde mit Stiefeln von Louise Zietz: (v. l.) Moderator Franz Thönnes (MdB), Marina Spillner (Politikwissenschaftlerin), Susanne Schütt (Urgroßnichte), Sebastian Schütt (Ururgroßneffe).

Wer war Louise Zietz? In der kleinen Stadt Bargteheide am Hamburger Stadtrand ist eine Straße nach ihr benannt. Geboren am 25. März 1865 war sie nicht nur eine bedeutende Tochter dieser Stadt, sondern bis zu ihrem plötzlichen Tod am 27. Januar 1922 eine der wichtigsten Vorkämpferinnen der Sozialdemokratie für Frauenrechte, auch wenn sie am Ende für die USPD im Reichstag saß. Demnächst wird eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus an sie erinnern.

„Ich bin erstaunt darüber, dass über diese Frau so wenig bekannt ist“, sagte Aydan Özoğuz, stellvertretende Parteivorsitzende und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, beim Festakt für Louise Zietz am 29. März anlässlich ihres 150. Geburtstags. Sie selbst habe erst einmal nachlesen müssen, wer Louise Zietz war, bekannte die Staatsministerin: „Man liest immer weiter und der Respekt wird immer größer. Sie ist wirklich eine bewundernswerte Frau.“ Mit einer sehr persönlichen Festrede vor über 200 Gästen im Kleinen Theater in Bargteheide stellte Aydan Özoğuz Bezüge zwischen der historischen Persönlichkeit und der Wirklichkeit heute her.

Erste Frau im SPD-Parteivorstand

Nach einer harten und entbehrungsreichen Jugend bekam Louise Zietz in Hamburg Kontakt zur jungen Arbeiterbewegung. 1892 wurde sie inoffiziell Mitglied der SPD – offiziell durften Frauen sich damals nicht politisch betätigen. 1908 wurde sie die erste Frau im Parteivorstand der SPD. Dabei wurden Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in der Sozialdemokratie nicht immer mit offenen Armen empfangen, gab die Festrednerin zu bedenken: „Die Partei war ein reiner Männerclub. Frauen, die sich politisch betätigen wollten, waren nicht nur den Männern suspekt, sondern auch ihren Geschlechtsgenossinnen.“

Kampf um die Rechte der Frauen

Im Parteivorstand war Louise Zietz für die Frauenarbeit zuständig. Im Mittelpunkt stand der Kampf um das Frauenwahlrecht, ein essenzieller Bestandteil jeder echten Demokratie. Vor diesem Hintergrund mache es fassungslos, wenn Menschen heute nicht zur Wahl gehen, sagte Özoğuz.

Auch die Themen, mit denen sich Louise Zietz befasste, seien immer noch aktuell, stellte die stellvertretende Parteivorsitzende fest: „Für Frauen spielen Fragen der Lohn- und Einkommensgerechtigkeit, der Bildungs- und Chancengleichheit, der Geschlechtergerechtigkeit eine wichtige Rolle – in Deutschland und auf der Welt – und das heute, im Jahr 2015 immer noch. Die Arbeit ist nicht abgeschlossen.“

Aufstieg durch Bildung

„Wenn wir über die Geschichte der Sozialdemokratie reden, dann reden wir meistens von Männern“, kritisierte der SPD-Landesvorsitzende und stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner. „Das ist ungerecht und verkennt die große Leistung vieler Frauen, die unter besonderem Risiko die erstarkende Arbeiterbewegung unterstützen.“ Er ordnete die Biografie der Geehrten in die Geschichte der Arbeiterbewegung ein. Aufstieg durch Bildung war damals schon eine Parole der Sozialdemokratie. „Louise Zietz hatte sich intensiv mit den Schriften Lassalles und Bebels auseinander gesetzt, konnte diese mündlich hervorragend vermitteln. Dabei beschränkte sie sich auf eine einfache Sprache, die jeder verstehen konnte“, sagte der Landesvorsitzende. Motor für ihr Engagement sei der Wunsch gewesen, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Eine wichtige Station in ihrem Leben war der Hafenarbeiterstreik 1897/98. Ihre Erfahrungen nutzte sie, um im ganzen Reichsgebiet politische Reden zu halten. Ralf Stegner: „Ich glaube, Louise Zietz hätte es gefallen, dass wir heute für gleichen Lohn für gleiche Arbeit streiten.“

Erinnerungen der Familie

In einer Gesprächsrunde berichtete Susanne Schütt von den Erinnerungen, die in der Familie über ihre Urgroßtante Louise Zietz weitergegeben wurden. Die Besuche der „großen Dame“ aus Berlin seien immer ein besonderes Ereignis gewesen. „Sie hat nie aufgehört, zu kämpfen“, bewundert die Urgroßnichte die prominente Verwandte. Ein Paar Stiefel aus deren Nachlass standen als ein originales Exponat auf der Bühne.

Kranzniederlegung in Berlin

Urgroßnichte Susanne Schütt und Urgroßneffe Sebastian Schütt waren mit einer Bundestags-Besuchergruppe aus Stormann und Bargteheide dabei, als die ASF-Bundesvorsitzende Elke Ferner und  MdB Franz Thönnes am 25. März, an Louise Zietz’ Geburtstag, an deren Grab auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde („Sozialistenfriedhof“) einen Kranz niedergelegt hatten. 

Unter dem Titel „Willst Du arm und unfrei bleiben?“ hat der SPD-Parteivorstand eine Biographie über Louise Zietz herausgegeben. Verfasser ist der Historiker Tobias Kühne. Die Broschüre ist mit historischen Fotos illustriert und kann bei annette.toensmann@spd.de bestellt werden.

Autor*in
Dietrich Drescher

ist Redakteur der vorwärts-Regionalausgabe Schleswig-Holstein.

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