Kevin Kühnert: Was die SPD beim Debattenkonvent plant
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Es ist der erste Debattenkonvent in der Parteigeschichte der SPD. Das Format sei ein Mix aus „dem Debattencamp und dem statutengemäß kleinen Parteitag“, erklärt Generalsekretär Kevin Kühnert am Mittwoch im Willy-Brandt-Haus. Beides komme am kommenden Wochenende im Vollgutlager auf dem Areal der Alten Kindl-Brauerei im Berliner Bezirk Neukölln zusammen. Dort erwartet die rund 900 Menschen allein am Samstag 36 Stunden Programm.
Mission: gerechte Transformation
Aus 2.000 Bewerbungen habe man rund 680 Mitglieder und Interessierte an der Sozialdemokratie ausgewählt, die vor Ort teilnehmen können, so Kühnert. Gemeinsam werden sie mit prominenten Politiker*innen und über 100 Speaker*innen aus Wissenschaft, Medien und Verbänden in 40 Sessions den programmatischen Weg der SPD weiterentwickeln. Hinzu kommen 150 Delegierte des Parteikonvents, die dann am Sonntag beim Parteitag stimmberechtigt sind. Es geht um das Jahrzehnt der sozialen Demokratie und des Aufbruchs, der zunächst darin besteht, ein transformationspolitisches Programm zu entwickeln. Denn das ist das Ziel. Für den Parteitag vom 8. bis 10. Dezember kommenden Jahres soll ein transformationspolitischer Grundsatzbeschluss in der SPD vorliegen.
Bürgergeldreform als Beispiel
Kühnert vergleicht den Prozess mit dem Verfahren, das die Partei bereits 2019 mit dem Sozialstaatskonzept praktiziert hat. Es gehe um die Fragen, wie Deutschland auch in Zukunft ein Industriestandort bleiben kann, wie die Industrien der Zukunft aussehen und die Fachkräftesicherung gewährleistet werden kann und vieles mehr. Aus diesen Fragen leiten sich auch die Schwerpunkte des Konvents ab. Im Zentrum der Debatten am Samstag stehen vier Missionen: „gerechte Klimaneutralität“, „demokratische Digitalisierung“, „demografischer Wandel und Fachkräftesicherung“ sowie die „internationale Ordnung“ gestalten. Und bei allen Missionen gelte, so Kühnert, der Blick auf die Verteilungsgerechtigkeit der Transformation.
Beim kleinen Parteitag am Sonntag soll dann ein Missionspapier verabschiedet werden, was „kein Papier mit fertigen Antworten“ sein soll, sondern eines, dass Leitfragen für das kommende Jahr abstecke. Die dann in der darauffolgenden „Dialog“-Phase in Parteigliederungen und im Dialog mit Bürger*innen vor Ort weiter diskutiert würden. Kühnert spricht in diesem Zusammenhang auch von Tür-zu-Tür-Kampagnen. Erst anschließend folge die Verdichtung der Themen für einen Leitantrag auf dem Parteitag 2023.
Großer Nachhall des Debattencamps 2018
Bereits 2018 kam die SPD zu einem Debattencamp zusammen, im Berliner Funkhaus im Ortsteil Treptow. Damals unter der Parteivorsitzenden Andrea Nahles, deren Eröffnungsrede laut Kühnert in diesen Tagen „noch nachhallt“. Denn Nahles habe dort den programmatischen Satz ausgesprochen: „Wir werden Hartz IV hinter uns lassen“ und damit einen Arbeitsprozess in Gang gesetzt, der zunächst intern, dann aber als Leitantrag auf dem Parteitag 2019 den Weg ins Zukunftsprogramm der SPD zur Bundestagswahl gefunden habe. „Damals hat die Reise hin zu einer Bürgergeldreform gefunden, die jetzt hoffentlich bald als Gesetz über die Ziellinie geht und ab nächstes Jahr gilt“, erklärt Kühnert mit Blick auf die aktuelle Blockadehaltung der Union gegenüber dem Gesetzentwurf, der am 10. November im Bundestag verabschiedet werden soll.
Gleichzeiitg sieht er die Entwicklung des Sozialstaatskonzept als Vorbild für den nun geplanten Weg hin zu einem Transformationskonzept und weist dem Parteikonvent als Format für die Partei eine große Bedeutung zu: Setting und Location habe man bewußt gewählt, weil „wir überzeugt davon sind, dass auf solchen Veranstaltungen politisches Programm beginnt“.
Townhall-Meeting mit Olaf Scholz
Auch internationale Gäste werden erwartet. Kühnert weist auf die Teilnahme von Jagmeet Singh hin, Chef „unserer Schwesterpartei in Kanada“, ebenso werde die Vize-Präsidentin der litauischen Sozialdemokratie Dovilė Šakalienė vor Ort sein. Alle prominenten Gäste würden auch am Rande der Veranstaltungen für Gespräche zur Verfügung stehen. Gleichzeitig werde der Bundeskanzler „umfänglich anwesend sein“. Olaf Scholz werde am Samstag ein größeres Townhall-Meeting von über einer Stunde abhalten. „Da werden normale Leute normale Fragen stellen“, so Kühnert.
Der Debattenkonvent sei für die SPD eine Innovation in der deutschen Parteienlandschaft. Man habe sich lange Zeit schwer getan als Mitgliederorgansiation Beteiligungsformate anzubieten, die es Leuten auch ohne Amt und Mandat ermöglichen, ernsthaft politische Debatten zu beeinflussen, räumt der Generalssekretär selbstkritisch ein. Mit diesem Format glaube man eine Antwort gegeben zu haben. Kühnert: „Wichtig für uns ist die Verknüpfung aus Diskutieren und Entscheidung hinzukriegen.“
Der Debattenkonvent kann am Samstag auch online verfolgt werden. Das ausführliche Prgramm zu den Veranstaltungen am 5. November 2022 und weitere Fragen finden Sie unter debattenkonvent.spd.de/programm
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.