Parteileben

Jean-Marie Ayikpe: Wie er neue Mitglieder für die SPD gewinnt

Der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit hat ihn in die SPD gebracht. Inzwischen ist Jean-Marie Ayikpe Mitgliederbeauftragter der Berliner SPD – und hilft Kinder in seiner Heimat Benin.
von Kai Doering · 27. Dezember 2022
Jean-Marie Ayikpe: „Am Infostand sollte man nicht nur über die Ziele der SPD informieren, sondern auch für den Eintritt werben.“
Jean-Marie Ayikpe: „Am Infostand sollte man nicht nur über die Ziele der SPD informieren, sondern auch für den Eintritt werben.“

Als Jean-Marie Ayikpe 2013 zu seiner ersten Parteiveranstaltung in der Berliner SPD kam, wurde er nicht mit offenen Armen empfangen. „Die Leute waren sehr freundlich, aber es gab niemanden, der mich an die Hand genommen, mir Dinge erklärt hat“, erinnert sich der 30-Jährige. „Das hatte ich allerdings auch nicht erwartet.“ Und abschrecken ließ sich Ayikpe davon schon gar nicht. „Ich war von Anfang an motiviert und neugierig“, erinnert er sich. „Der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit hat mich schon damals sehr bewegt und mich letztendlich zur SPD gebracht“, erzählt Jean-Marie Ayikpe.

Erfahrungen mit Rassismus

Ungerechtigkeit, die er auch am eigenen Leib erfahren hat. „Auch schlechte Erfahrungen, die ich aufgrund meiner Hautfarbe gemacht habe, haben dazu geführt, dass ich mich politisch engagieren wollte“, berichtet er. Im Jahr 2009 kam Ayikpe aus dem westafrikanischen Benin nach Berlin, mit 16. Seine Mutter war hier damals Diplomatin. Jean-Marie Ayikpe besuchte das Studienkolleg, lernte Deutsch und begann ein Studium der Politikwissenschaft an der Freien Universität. „Ich hatte ein bisschen Angst, nach Deutschland zu gehen“, erzählt er. Das hat auch mit seinem Urgroßvater zu tun, der im Zweiten Weltkrieg in der französischen Armee in Deutschland kämpfte. „Die Taten Hitlers waren in unserer Familie noch sehr präsent.“

In Berlin fühlte sich Ayikpe aber bald wohl, auch wenn ihm wegen seiner Hautfarbe immer wieder der Eindruck vermittelt werde, nicht so richtig dazuzugehören. „Auf Behörden bin ich schon geduzt worden, während mein Vordermann ganz normal gesiezt wurde“, erzählt er. Am Flughafen habe er auch schon schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht. „Auch im multikulturellen Berlin gibt es Rassismus“, musste Jean-Marie Ayikpe feststellen. Das sei aber nicht der Grund gewesen, in die SPD einzutreten. „Ich bin davon überzeugt, dass jeder Verantwortung trägt, unsere Gesellschaft gerechter zu gestalten“, sagt er stattdessen.

Unterstützung für Neumitglieder

2018 wurde Jean-Marie Ayikpe Vorsitzender der Abteilung Panke-Kiez im Wedding, Abteilungen heißen in Berlin die Ortsvereine. Ayikpe ist Delegierter für den Bundesparteitag – und seit Januar 2021 Mitgliederbeauftragter der Berliner SPD. In dieser Funktion unterstützt er Neumitglieder beim Einstieg in die Partei, erklärt Strukturen und Gremien. Macht also das, was auch er als Neumitglied schön gefunden hätte. Aber auch langjährigen Mitgliedern steht er mit Rat und Tat zur Seite. „Ein Mal im Monat biete ich eine Sprechstunde an, die gut angenommen wird“, berichtet Ayikpe. Gerade war er mit einer Gruppe von Neumitgliedern im Bundestag zu Besuch. „Partei lebt von Engagement“, sagt er und „Politik macht Spaß“. Sätze, die er nicht nur neuen SPD-Mitgliedern mit auf den Weg gibt, sondern auch verkörpert. Stets hat Jean-Marie Ayikpe ein Lächeln auf den Lippen.

Im Moment arbeitet er an einem Konzept der Berliner SPD für die Mitgliederwerbung. Dass die Bundespartei bis Ende kommenden Jahres 30.000 Neue gewinnen will, findet Ayikpe gut. „Viele Menschen haben Angst, sich in einer Partei zu engagieren, weil sie denken, dass es nur um Macht geht“, hat er beobachtet. Bei der Mitgliederwerbung komme es deshalb erst mal darauf an, zu erklären, wie die SPD funktioniert und wie sich die Mitglieder einbringen können. „Am Infostand sollte man nicht nur über die Ziele der SPD informieren, sondern auch für den Eintritt werben“, ist Ayikpe überzeugt.

Engagiert in der Kinderhilfe

Die besten Botschafter*innen seien dabei die Mitglieder selbst. „Sie müssen über ihre Parteiarbeit berichten und erklären, warum sie in der SPD sind. Das überzeugt am meisten.“ Basis und Parteispitze müssten sich auch noch stärker als eine Einheit verstehen, Mandatsträger noch mehr in die Verantwortung genommen werden. Der Wahlkampf für die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl Anfang kommenden Jahres könnte hierfür eine gute Möglichkeit bieten.

Klar, dass sich Jean-Marie Ayikpe hier voll reinhängen wird, auch wenn er noch eine zweite große Aufgabe neben der Parteiarbeit hat: Vor einigen Jahren hat er den Verein „Kinderhilfe Benoite“ gegründet. Dieser ist benannt nach seiner verstorbenen Mutter und sammelt Spenden für Bildungsprojekte in Benin. „Wir finanzieren die Schulausrüstung von bedürftigen Kindern sowie die Schulbeiträge“, erklärt Ayikpe. Bald soll es einen Freiwilligen-Austausch geben. Langweilig dürfte es Jean-Marie Ayikpe auf absehbare Zeit nicht werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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