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Hans-Ulrich Klose: Politik bedeutete ihm viel, aber nicht alles

Er war der jüngste Erste Bürgermeister Hamburgs und als Nachfolger von Hans-Jochen Vogel Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Aus dem Parlament verabschiedete er sich 2013 mit einem Gedicht. Nun ist Hans-Ulrich Klose mit 86 Jahren gestorben.
von Norbert Bicher · 7. September 2023
Die USA wurden seine zweite Heimat: Der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose ist im Alter von 86 Jahren gestorben.
Die USA wurden seine zweite Heimat: Der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose ist im Alter von 86 Jahren gestorben.

Im Rückblick auf sein politisches  Leben hat Hans-Ulrich Klose einst trocken bemerkt: Er habe als viel zu junger Mensch Ämter angestrebt und sei ihnen nicht gerecht geworden. „Ich glaube, ab 50 hat man eine Chance, erwachsen zu werden“, sagte er 2013 in einem Interview mit der Welt. „Wenn Sie Glück haben, lernen Sie bis zu diesem Alter, auch einmal scheitern zu können. Das ist das Wichtigste. Nur ein solches Scheitern schafft die nötige Distanz zu sich selbst.“

Seine klare Haltung gefiel nicht allen

Der 1937 in Breslau geborene Jurist, der auch jenseits der 50 ein jungenhaftes Gesicht hatte, wusste zu genau, wovon er sprach. 1974 zum damals jüngsten Regierungschef eines Landes, zum Ersten Bürgermeister von Hamburg gewählt, scheiterte er dort 1981, weil er strikt für seine Überzeugungen eintrat. Im Gegensatz zu großen Teilen seiner Partei, aber im Einklang  mit vielen jungen Atomkraftgegner*innen wollte er den Bau des Atomkraftwerks Brokdorf nicht mittragen. Es war nicht die einzige eigenwillig selbstbewusste Meinung, mit der er sich beim Parteiestablishment unbeliebt machte. Im schwelenden Streit um den Radikalenerlass verärgerte Klose 1978 viele, als er gegen die offizielle Linie aufmuckte und wissen ließ:  „Ich stelle lieber 20 Kommunisten ein, als 200.000 junge Leute zu verunsichern.“

In Hamburg gescheitert, begann die bundespolitische Karriere 1983 als Bundestagsabgeordneter. Ausgerechnet für den Wahlkreis Hamburg-Harburg, den seit 1949 Herbert Wehner vertreten hatte, der nicht unbeteiligt war an den innerparteilichen hanseatischen Kämpfen gegen Klose.

Ein goldener Peso wird zum guten Omen

1987 setzte ihn der stellvertretende Parteivorsitzende Oskar Lafontaine gegen andere Vorstellungen im Parteipräsidium als SPD-Schatzmeister durch. 1991 gewann er für viele überraschend die Wahl zum Nachfolger von Hans-Jochen Vogel als Fraktionsvorsitzender gegen Herta Däubler-Gmelin und Rudolf Dressler. Dass er sich um das Amt bewarb, begründete Klose mit einer schönen Legende.

Von Vogels Rücktrittsabsichten erfuhr er während eines Urlaubs mit seiner Frau Anne Steinbeck-Klose in Mexiko. Und kurz nach dieser Nachricht fand er im Hotelzimmer einen goldenen Peso. Ein gutes Omen, entschied Klose und stieg in den Dreikampf um den Fraktionsvorsitz ein. Doch auf den Leib geschnitten war ihm das Amt nicht. Die Rolle des harten Oppositionsführers blieb Hans-Ulrich Klose fremd. Die „wirkliche Wirklichkeit“, so provozierte er die Parteifreunde, mit einem Zitat des Lyrikers Gottfried Benn, habe mit taktischen Spielchen um Tageserfolge nichts zu tun.

Die Beziehungen zu den USA lagen ihm am Herzen

Er wird erleichtert gewesen sein, dass er nach der Wahlniederlage 1994 den Staffelstabl in der Fraktion an Rudolf Scharping weitergeben konnte. Vizepräsident des Bundestages bis 1998 war schon eher sein Ding. Seine politische Erfüllung fand Hans-Ulrich Klose, als er in der rot-grünen Koalition für die erste Legislaturperiode Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses wurde und von 2002 bis 2013 stellvertretender Vorsitzender war. Besonders die Beziehungen zu den USA lagen ihm am Herzen. Von Jugend an. Seit er in den fünfziger Jahren für einige Monate als Schüler in den USA gelebt hatte, war Klose ein unbeirrbarer Transatlantiker. Diese Leidenschaft für seine „gefühlte zweite Heimat“ wurde gewürdigt, als er 2010 von FDP-Außenminister Guido Westerwelle zum Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen berufen wurde. Ein Intermezzo, das er nach einem Jahr aus familiären Gründen beendete.

Politik bedeutete Klose viel, aber nicht alles. Er schrieb Kinderbücher, war in der Lyrik bewandert, dichtete selbst. So war es folgerichtig, dass er sich 2013 mit dem Gedicht „Goodbye“ aus dem Parlament verabschiedete. Schlusszeile: „Jetzt, bitte, will ich selbst entscheiden, jetzt bin ich alt und endlich frei.“

Diese Freiheit hat er lange genießen können. Ein politischer Ruheständler, der sich Zwischenrufen von der Außenlinie enthielt. Mit sich im Reinen – und immer noch mit fast jungenhafter Frische auf Entdeckungsreise durch das Leben.

Hans-Ulrich Klose starb nach einer langen Alzheimer-Krankheit am 6. September,  86 Jahre alt, in seiner späten Wahlheimat Berlin.

Autor*in
Norbert Bicher

arbeitete in den 1980er und 1990er Jahren frei für den „Vorwärts". Danach war er Parlamentskorrespondent, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und des Verteidigungs­ministeriums.

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