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„Experiment gelungen“: Wie Karamba Diaby auf 12 Jahre Bundestag zurückblickt

Er war der erste Schwarze Bundestagsabgeordnete, der in Afrika geboren wurde. Jetzt hört Karamba Diaby auf und zieht eine positive Bilanz – auch wenn einiges anders gekommen ist, als er es geplant hatte.

von Kai Doering · 20. Februar 2025
Kehrt nach zwölf Jahren dem Bundestag den Rücken: SPD-Politiker Karamba Diaby aus Halle

Kehrt nach zwölf Jahren dem Bundestag den Rücken: SPD-Politiker Karamba Diaby aus Halle

Dass sich sein Leben nach dem 23. Februar ändert, hat Karamba Diaby zum ersten Mal so richtig Anfang Januar realisiert. Da war der 63-Jährige gerade auf dem Rückflug aus dem Senegal, wo er den Jahreswechsel bei Verwandten verbracht hatte. „Beim Umstieg in Brüssel habe ich mich länger mit einem Freund unterhalten und erst dabei so richtig verstanden, dass ich nicht wieder kandiere“, erzählt Diaby bei einem Treffen in Halle Mitte Januar.

Auf der Straße vor dem Café hängen da bereits die Plakate für die Bundestagswahl. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren ist auf denen der SPD nicht das Foto von Diaby zu sehen. „Das ist schon seltsam und ich musste mich erst daran gewöhnen“, gibt der Abgeordnete zu. 2013 zog er erstmals in den Bundestag ein, über die Liste der SPD Sachsen-Anhalt. Diaby war der erste Schwarze Abgeordnete, der in Afrika geboren wurde. Am 27. November 1961 kam er im Senegal zur Welt. Mitte der 80er Jahre ging er zum Studium in die DDR. Seit 2001 hat Diaby die deutsche Staatsbürgerschaft.

Vom dritten Platz zum Direktmandat

„Das Experiment“ überschrieb der „Spiegel“ 2013 einen Artikel über Diabys Kandidatur. Das war doppeldeutig gemeint: Zum einen ist Karamba Diaby promovierter Chemiker. Zum anderen hätte die Kandidatur eines Schwarzafrikaners in einer Stadt, der rechte Strukturen schon vor dem Erstarken der AfD nachgesagt wurden, als Provokation aufgefasst werden können. Doch es kam anders. Hatte Diaby bei der Wahl 2013 bei den Erststimmen noch auf dem dritten Platz gelegen, musste er sich bei der Bundestagswahl 2017 nur dem CDU-Kandidaten geschlagen geben.

2021 gelang dann der Triumph: Karamba Diaby holte in Halle das Direktmandat und landesweit das beste Erststimmenergebnis aller Kandidierenden. „Das Experiment ist gelungen“, sagt er und lächelt dabei. Zumal sein Erstimmen-Ergebnis bei allen drei Wahlen deutlich über dem der SPD lag.

Erfolgreich gegen Vereinnahmung gewehrt

Dabei waren die zwölf Jahre im Parlament nicht immer leicht. Wegen seiner Hautfarbe und seiner Einwanderungsgeschichte sollte er sich um Integrations- und Afrikapolitik kümmern. „Das wollte ich aber nicht und habe mich erfolgreich gewehrt“, erzählt er. Stattdessen engagierte er sich im Bildungsausschuss und wurde stellvertretender Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses. Nach der Wahl 2017 dann wurde er zusätzlich Integrationsbeauftragter der SPD-Fraktion.

In der gerade zu Ende gegangenen Legislatur war Diaby Mitglied im Auswärtigen Ausschuss sowie im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Und er leitete die Parlamentariergruppe Westafrika als Vorsitzender sowie den Gesprächskreis Afrika der Bundestagsfraktion. Hat er also am Ende doch das getan, was er eigentlich nie machen wollte? „Nein“, sagt Diaby. „Es war meine eigene Entscheidung, mich stärker in diesen Bereichen zu engagieren.“

Ein Schwerpunkt auf Afrika

Ein Grund sei gewesen, dass die Ampel-Koalition einen deutlichen stärkeren Fokus auf Afrika legte als die Regierung zuvor. „Es gab nie einen so intensiven Austausch wie in dieser Legislatur“, berichtet Karamba Diaby. Gleich mehrfach bereiste Bundeskanzler Olaf Scholz den Kontinent. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war dort. „Die Ampel hat Afrika mehr Bedeutung beigemessen. Ich hoffe, das wird bei der nächsten Regierung so bleiben“, sagt Diaby.

Denn einfach sei das Verhältnis zwischen den Ländern des afrikanischen Kontinents und Deutschland nicht. „Es gibt in Afrika immer noch ein großes Misstrauen.“ Ein großes Problem sei auch die Vergabe an Visa zur Arbeitsmigration. „Da haben wir in Deutschland häufig noch immer eine Sichtweise des 18. Jahrhunderts“, sagt Diaby. Sein Wunsch für die Zukunft ist deshalb eine Stiftung, über die jungen Afrikaner*innen Stipendien erhalten können, um in die Europäische Union zu kommen.

Die vorgezogene Wahl warf einiges durcheinander

Gut möglich, dass er sich am Aufbau einer solchen Stiftung beteiligen würde. „Ich habe schon eine Menge Angebote bekommen, wo ich mich nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag ehrenamtlich engagieren soll“, erzählt Karamba Diaby. Ende vergangenen Jahres wurde er in den Vorstand der Arbeiterwohlfahrt in Halle gewählt. Auch Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung will er bleiben. Ansonsten möchte er sich aber noch nicht festlegen. „Seit ist 13 bin, habe ich immer gearbeitet“, erzählt er. „Da freue ich mich, auch mal ein bisschen mehr Zeit für mich zu haben.“

Seinen Rückzug aus dem Bundestag hat Diaby bereits im Juli vergangenen Jahres angekündigt. Mehr als ein Jahr sollte für die SPD in Halle reichen, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger aufzubauen, dachte er damals. Mit dem Aus der Ampel und der vorgezogenen Neuwahl kam dann alles etwas anders. Mit dem 33-jährigen Eric Eigendorf soll nun der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat von Halle in Diabys Fußstapfen treten.

„Ein Tiefpunkt meiner politischen Arbeit“

Die Zeit im Bundestag habe ihm viel Spaß gemacht und er habe einiges erreicht. 2019 fand auf Diabys Betreiben der erste „Kleingartenkongress“ in der Geschichte der SPD-Bundestagsfraktion statt. 200 Kleingärtner*innen kamen ins Reichstagsgebäude in Berlin. Diaby – der über die Schadstoffbelastung der Kleingärten in Halle promoviert hat – hatte die damalige Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles von dem Vorhaben überzeugt. 2023 gab es eine Fortsetzung.

Doch es gibt auch Schattenseiten in den zwölf Jahren. 2020 wurden die Scheiben seines Bürgerbüros beschossen. Im Mai 2023 legte dort ein Mann Feuer. Das Büro war acht Monate lang nicht benutzbar. Der Sachschaden betrug mehr als 50.000 Euro. „Das war ein Tiefpunkt meiner politischen Arbeit“, sagt Diaby heute. „Monatelang“ habe er darüber gegrübelt, was er falsch mache, dass Menschen so auf ihn reagierten. Im Juni vergangenen Jahres erhielt er eine „sehr konkrete“ Morddrohung, die auch seine Mitarbeiter*innen betraf.

Dass er nun aufhört, habe aber nichts mit den Drohungen und den Angriffen zu tun, betont der Noch-Abgeordnete. Stattdessen freut er sich auf deutlich mehr Zeit in seinem Schrebergarten. 2020 haben er und seine Frau ihn gepachtet. Die vergangenen Jahre hat vor allem sie sich darum gekümmert. „Meine Frau hat schon 50 Prozent meines Kalenders für Gartenarbeit geblockt“, berichtet Karamba Diaby. Im März und April beginne die Vorbereitung, „im Mai geht es dann in die heiße Phase“. In diesem Moment klingt Diaby dann doch ein bisschen so, als würde er über den Wahlkampf sprechen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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