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Ein Mahner mit Zuversicht: Trauer um Historiker Bernd Faulenbach

Er hat die politisch-historische Bildung in der Bundesrepublik entscheidend geprägt: Die Mitglieder des SPD-Geschichtsforums trauern um ihren früheren Kollegen Bernd Faulenbach.

Bernd Faulenbach auf dem Forum der Historischen Kommission der SPD in Berlin

Bernd Faulenbach auf dem Forum der Historischen Kommission der SPD in Berlin (Archivbild).

Nach kurzer, schwerer Krankheit ist Bernd Faulenbach am 15. Juni verstorben. Er wurde 80 Jahre alt. Von 1989 bis zur Auflösung der Historischen Kommission 2018 war er deren Vorsitzender und leistete in dieser langen Zeit unschätzbar wichtige Arbeit für das Geschichtsbewusstsein der ältesten Partei Deutschlands.  

Nach seinem Studium an den Universitäten Bonn und Bochum und der geschichtswissenschaftlichen Promotion im Jahr 1977 war Bernd Faulenbach zunächst als Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Dortmund und als wissenschaftlicher Assistent an der Uni Bochum tätig. 1981 kam er an das Forschungsinstitut für Arbeiterbildung in Recklinghausen, dessen stellvertretender Direktor er bis 2007 blieb. 

1993 ernannte ihn die Ruhr-Universität zum Honorarprofessor, als der er dort mehr als drei Jahrzehnte im Bereich Zeitgeschichte lehrte.  Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählte die Arbeiterbewegungsgeschichte in all ihren Facetten, daneben aber – und das schon lange vor der Etablierung des Begriffs „Public History“ – das weite Feld der Geschichtsvermittlung, der Erinnerungskultur und der Geschichte in Medien und Öffentlichkeit. 

Engagiert für einen kritischen Umgang mit Geschichte

Wie kaum ein anderer Zeithistoriker der Bundesrepublik hat sich Bernd Faulenbach in den vielen Jahrzehnten seines wissenschaftlichen und politischen Wirkens als ebenso kenntnisreicher wie engagierter, ebenso debattenfreudiger wie besonnener Streiter für einen kritisch-aufklärerischen Umgang unserer Gesellschaft mit der Geschichte der Arbeiterbewegung, der beiden deutschen Diktaturen und der Demokratie verdient gemacht. 

Sein unermüdliches Wirken in zahlreichen Initiativen und Vereinen, Kommissionen und Beiräten auf dem Feld der Geschichtspolitik und Erinnerungskultur hat die Fortentwicklung vieler Institutionen der politisch-historischen Bildung maßgeblich vorangetrieben und bereichert. 

Mit der gerade jüngst wieder in Erinnerung gerufenen „Faulenbach-Formel“ hat ihr Erfinder einen Standard in jener öffentlichen Auseinandersetzung mit den deutschen Diktaturen gesetzt, der weit über seinen Tod hinaus maßgebend bleiben wird: Weder dürften die NS-Verbrechen durch die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Stalinismus relativiert werden, noch dürften Letztere durch den Hinweis auf die NS-Verbrechen bagatellisiert werden.

Politisches Engagement und wissenschaftliche Expertise

Unter den zahlreichen Funktionen, die Bernd Faulenbach seit den 1980er-Jahren in verschiedenen Gremien und Institutionen innehatte – von der Enquete-Kommission des Bundestages zur Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit über die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und die Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur bis hin zum Vorsitz des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ – war der Vorsitz der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand nur eine von vielen. Aber dort verband sich sein politisches Engagement auf besonders eindrückliche Weise mit seiner wissenschaftlichen Expertise. 

Seit der Gründung der Kommission im Jahr 1982 war Bernd Faulenbach in ihr aktiv. 1989 übernahm er den Vorsitz von Susanne Miller und behielt dieses Amt bis zur überraschenden Auflösung der Historischen Kommission im Jahr 2018. 

Die Kommission mischte sich unter dem Vorsitz von Bernd Faulenbach in eine Vielzahl gesellschaftspolitischer Debatten um Museumsprojekte, Mahn- und Denkmale oder das Gedenkstättenkonzept des Bundes ein und belebte zahllose öffentliche Diskussionen über politische Fragen mit historischer Dimension. So widmete sie sich in den 1990er-Jahren der DDR-Geschichte und insbesondere der geschichtswissenschaftlichen Erforschung der Zwangsvereinigung von SPD und KPD 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone, aus der auch ein Sammelband hervorging. 

Konsens und Kompromiss als Kernelement der Demokratie

Die Kommission begleitete auch die Entstehung des Gedenkbuchs der Sozialdemokratie, in dem prominente und weniger prominente Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen in Kurzbiografien vorgestellt wurden. Bernd Faulenbach konnte 2013 erfolgreich eine zweite erweiterte Auflage publizieren. 

Und schließlich lagen ihm insbesondere die erinnerungspolitischen Diskussionen der Berliner Republik zum Holocaust-Mahnmal oder auch zum Einheitsdenkmal am Herzen, die er mit der Kommission in Veranstaltungen und öffentlichen Stellungnahmen begleitete. Für ihn bildeten diese Diskussionen eine Art Essenz der Reflexionsfähigkeit einer Gesellschaft, die sich ihrer historischen Verantwortung bewusst ist und in einer im eigentlichen Sinne vernünftigen Auseinandersetzung zu einem Konsens oder Kompromiss findet, dem aus seiner Sicht zentralen Kernelement einer funktionierenden Demokratie. 

Von diesen Prämissen ausgehend scheute er sich auch nicht, einen politischen Präsentismus, der historische Erfahrungen, Einordnungen und Perspektiven unterschätzt, immer wieder deutlich zu kritisieren. 

Zuversichtlicher Blick auf die Zukunft

Für Bernd Faulenbach war die Auflösung der Historischen Kommission ein tiefer Einschnitt und eine nur schwer zu akzeptierende Entscheidung. Umso wichtiger ist es, dass das 2019 gegründete SPD-Geschichtsforum die Arbeit der Kommission fortsetzt und das Geschichtsbewusstsein der Sozialdemokratie zu bewahren hilft. 

Als Bernd Faulenbach im November 2023 in Bochum seinen 80. Geburtstag im Kreis vieler Freunde und Kollegen – darunter auch viele Mitglieder der einstigen Historischen Kommission wie auch des neuen Geschichtsforums – feiern konnte, blickte er nicht nur zufrieden auf die Jahrzehnte seines Schaffens zurück, sondern trotz aller Krisen unserer Gegenwart auch mit viel Zuversicht auf die Zukunft. 

Er wird uns sehr fehlen.

Autor*in
Anja Kruke, Kristina Meyer und Karsten Rudolph

sind Mitglieder des SPD-Geschichtsforums und gehörten der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand an.

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1 Kommentar

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 20.06.2024 - 11:17

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Bernd Faulenbach zur "Zeitenwende" und die Konsequenzen sagen, die die SPD daraus zieht? Das wäre doch für dessen Würdigung wichtig.
Und warum meldet sich die Historischen Kommission der SPD nicht mal vernehmlich zu diesem alles überwölbende Thema; das würde auch einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Wahlergebnisse leisten.