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Das erste Kreuz: Was sich Erstwähler*innen bei der Europawahl wünschen

Am 9. Juni gibt es so viele junge Wähler*innen wie noch nie, denn erstmals dürfen auch 16- und 17-Jährige mitwählen. Vier Erstwähler*innen berichten, was ihnen das bedeutet und welche Themen ihnen wichtig sind.

von Jonas Jordan · 7. Juni 2024
Gemeinsam für ein starkes Europa: Erstwähler Niels Thiel (l.) mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.

Gemeinsam für ein starkes Europa: Erstwähler Niels Thiel (l.) mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.

Wählen ab 18 – das ging in Deutschland zum ersten Mal bei der Bundestagswahl 1972. Wählen ab 16 – das wird am 9. Juni zum ersten Mal bei einer bundesweiten Wahl möglich sein. Dadurch wird es für gleich sieben Jahrgänge die erste Europawahl sein. Insgesamt sind das mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland. 

Larissa Hensen ist bei der Europawahl zum ersten Mal wahlberechtigt.

Eine von ihnen ist die 16-jährige Larissa Hensen. Die Gymnasiastin wohnt in Hürth in der Nähe von Köln und ist stellvertretende Vorsitzende der Jusos im Rhein-Erft-Kreis. „Auf jeden Fall“, sagt Hensen auf die Frage, ob sie wählen gehen wird. „Mir wird dadurch gezeigt, dass meine Stimme und meine Bedürfnisse zählen, dass die Stimme der Jugend auf europäischer Ebene wichtig ist“, sagt sie. Das Wahlrecht für 16- und 17-Jährige sollte es auch bei Bundestagswahlen geben, findet sie. 

Als Argument dient ihr eine Liedzeile von den Ärzten: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär’ nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“ Hensen findet: „Wir sollten mitentscheiden, wie es dieser Welt und wie es unserem Land geht.“ Auch deswegen wirbt sie in den kommenden Wochen mit ihren Jusos an Haustüren und Ständen für die Wahl.

Gleiche Chancen für junge Menschen in Europa

Knapp 70 Kilometer trennen Hürth im Rhein-Erft-Kreis und Schalksmühle im Märkischen Kreis. Dort wohnt Laura Balzer. Sie ist ebenfalls stellvertretende Juso-Kreisvorsitzende und mit 17 Jahren das erste Mal wahlberechtigt. „Ich finde es sehr gut und sehr wichtig, dass wir jetzt schon mit 16 wählen dürfen, einfach weil ich der Meinung bin, dass unsere Stimme genauso zählt und wir genauso schon in der Lage sind, politische Entscheidungen zu treffen“, sagt Balzer und freut sich schon darauf, am 9. Juni ins Wahllokal zu gehen. Wichtig ist für sie vor allem ein soziales Europa. „Ich möchte, dass jeder junge Mensch in Europa die gleichen Chancen hat“, sagt sie und lobt daher die Jugendgarantie im SPD-Europa-Wahlprogramm.

Laura Balzer ist stellvertretende Juso-Kreisvorsitzende.

Einer, der sich seit Jahren mit Petitionen und in den sozialen Medien für das Wahlrecht ab 16 stark macht, ist Luca Barakat. Inzwischen ist er 19 und profitiert nicht mehr direkt von der Altersabsenkung zur Europawahl. Dennoch sagt er: „Ich finde es unglaublich wichtig. Die Politik, die gemacht wird, betrifft vor allem junge Menschen, die all das, was politisch gemacht wird, in den nächsten 60 bis 70 Jahren erleben und ausbaden müssen.“ Zugleich komme mit ein bisschen Macht auch immer ein bisschen Verantwortung. „Wenn wir junge Menschen wählen lassen, werden sie sich eher informieren, eher teilhaben an diesem System und werden eher politischer“, meint er.

Deswegen plädiert Barakat, der in Germering bei München lebt und dort ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolviert, sogar dafür, bei allen Wahlen das Mindestalter auf 14 Jahre abzusenken. Auch für ihn ist es die erste Europawahl. „Die EU ist ein wahnsinnig wichtiges Friedensprojekt. Sie hat dafür gesorgt, dass es seit fast 80 Jahren keinen Konflikt mehr zwischen Mitgliedsstaaten gab. Das gab es vorher noch nie“, lobt Barakat.

Krieg in Europa: große Bedeutung des Friedens

Ein Thema das auch für Nils Thiel eine entscheidende Rolle spielt. Der 19-Jährige hat gerade in Trier sein Abitur gemacht und überlegt, vor dem Jura-Studium einen freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr abzuleisten. Entsprechend spielt auch das Thema Frieden für seine Wahlentscheidung eine große Rolle. „Wir haben in Europa einen Krieg. Wenn ich auf die nächsten 50 Jahre meines Lebens blicke, möchte ich nicht mit den Folgen eines Krieges in Deutschland oder der Europäischen Union zu tun haben müssen“, sagt er.

Auch der drohende Rechtsruck bereitet ihm Sorgen. „Deswegen finde ich es wichtig, dass von der SPD da rote Linie gezogen werden. Das wünsche ich mir von allen Parteien“, sagt Thiel. In Trier sei er im Grenzgebiet zu Luxemburg sehr europanah aufgewachsen und habe die EU stets in seinem Alltag gespürt. „Ich verstehe deshalb auch, wie wichtig die Europawahl ist. Vielleicht die wichtigste Wahl, die es in Deutschland gibt.“ Mit Blick auf das Wahlprogramm der SPD sagt er: „Den Slogan ,Gemeinsam für ein starkes Europa' der SPD finde ich totals spannend. Denn mit Blick auf Frieden und Rechtsruck weiß man genau, wofür man stark sein muss. Das holt mich total ab.“ Vor kurzem traf er bei einer Veranstaltung in Trier auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und stellte ihm eine Frage zur Zukunft junger Menschen in der EU.

Dass er am 9. Juni wählen gehen wird, steht für ihn daher schon lange fest. Er hat sich sogar als Wahlhelfer registrieren lassen. „Ich fiebere darauf hin. Leider hatte ich nicht die Chance, mit 16 schon wählen zu dürfen. Umso mehr freue ich mich jetzt auf die Erfahrung.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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