Kultur

Kampf gegen Populismus: Wie Kunst und Kultur die Demokratie stärken

Die Spannungen innerhalb der Gesellschaft nehmen zu. Die Demokratie gerät unter Druck. Kunst und Kultur sind daher aus Sicht der SPD gefragter denn je.

von Nils Michaelis · 13. März 2024
Ohne Kunst und Kultur wird es still

Das Motto aus Zeiten der Corona-Lockdowns gilt auch, wenn es darum geht, das demokratische Miteinander zu pflegen.

Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor grundlegenden Veränderungen. Für viele Menschen stellen sich damit auch Sinnfragen. Sie sehen ihre Identität bedroht. Das gilt nicht nur für Tausende von Stahlarbeiter*innen, die im Zuge der ökologischen Transformation der Wirtschaft künftig unter radikal veränderten Bedingungen arbeiten werden oder neu anfangen müssen.

Welche Aufgaben kommen in solchen Zeiten des Umbruchs auf Kunst und Kultur zu? Aus Sicht der SPD sind sind dies so einige und vor allem grundlegende, so der Tenor einer Veranstaltung des Kulturforums der Sozialdemokratie. Gerade auf sie kommt es an, Formate für den öffentlichen Austausch über grundlegende Fragen zu ermöglichen, Menschen bei Fragen zu ihrer Identität abzuholen und ein demokratiestärkendes Narrativ, auch eines der Transformation, zu entwickeln, das über die Tagespolitik hinausgeht.

Kunst und Kultur müssen sich diesen Herausforderungen auch deswegen stellen, weil sie überall dort, wo die Demokratie schon jetzt auf dem Rückzug ist, zu den ersten Angriffszielen werden. Es geht also auch um einen Akt der Selbstverteidigung. 

Katarina Barley warnt vor dem Beispiel Ungarn

Das macht Katarina Barley, die Spitzenkandidatin der SPD bei der Europawahl, Anfang der Woche bei einer Diskussionsrunde im Rahmen des Kulturempfangs des Kulturforums der Sozialdemokratie deutlich. Und zwar am Beispiel von Ungarn. Dort herrsche mittlerweile eine Quasi-Zensur. Homosexualität dürfe in Büchern nicht mehr als „normal“ dargestellt werden. „Solche Tendenzen nehmen in Europa zu“, warnt Barley in Berlin.

Kunst könne in den Menschen Impulse für Lösungen und Neuorientierung auslösen, sagt Carsten Brosda, Vorsitzender des Kulturforums und Senator der Hamburger Behörde für Kultur und Medien. Er verweist auf die Korrelation zwischen kultureller und demokratischer Teilhabe. Soll heißen: Wer oft Theateraufführungen besucht, geht auch regelmäßig wählen. Und macht sein oder ihr Kreuz nicht bei populistischen oder extremistischen Parteien.

Barley nimmt den Faden auf und verknüpft ihn mit einer konkreten Hoffnung. Populist*innen würden Verlustängste der Menschen und damit auf trügerische Weise das Grundbedürfnis des Aufgehobenseins bedienen. 

Wahre Solidarität zu stiften sei hingegen Sache der Kultur. Es liege auch an ihr, Gesprächsräume über grundlegende Fragen innerhalb von Transformationsgesellschaften zu öffnen. „Dieser Austausch kommt momentan zu kurz“, sagt die Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments und betont: „Zusammen sind wir stärker und glücklicher. Das ist die Grundintention der Europäischen Union. An dieses Gefühl müssen wir appellieren.“ Rechtspopulist*innen verträten das genaue Gegenteil. 

"Erfolgsmeldungen allein genügen nicht"

Vonseiten der Literaturszene gibt es dafür Zustimmung. „Wir müssen uns gegen die Lügen und ein falsches Storytelling der Demokratiefeinde stellen“, fordert die Schriftstellerin Simone Buchholz. „Wir müssen die Wirklichkeit abbilden und sagen, wie man manche Dinger besser machen könnte.“ 

Lars Klingbeil

Wir müssen eine Geschichte erzählen, die deutlich macht, was wir tun, damit Deutschland ein starkes Land bleibt.

Es reiche nicht, aufzulisten, was die SPD in letzter Zeit alles erreicht habe, ergänzt der Parteivorsitzende Lars Klingbeil. „Wir müssen eine Geschichte erzählen, die deutlich macht, was wir tun, damit Deutschland ein starkes Land bleibt.“ Das gelinge der Politik derzeit insgesamt nicht, so Klingbeil. 

Um Deutschland gut durch die Transformation zu bringen, würde es der SPD nicht schaden, in manchen Momenten emotionaler zu agieren, fügt er hinzu und spricht sich ebenfalls für die von Barley skizzierten Gesprächsräume aus. „Es kommt aber auch darauf an, dass mehr Kunst- und Kulturschaffende den Austausch mit Vertreter*innen von Politik und Verwaltung wollen“, so sein Appell.

Beim demokratiefördernden Storytelling sieht Katarzyna Wielga-Skolimowska, die Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, vor allem die Politik in der Pflicht. „Für Kunst und Kultur ist und bleibt Raum für Widerspruch und Experimente wichtig“, sagt sie in der Runde. 

"Kunst braucht Raum für Widerspruch"

Freies Denken könne zu Innovationen führen und so gesehen auch provokante Kunst positiv auf die Gesellschaft einwirken. Unabhängig davon sei das Thema Transformation schon lange in der Kunst- und Kulturszene angekommen. 40 Prozent der Fördermittel ihrer Stiftung würden derzeit an entsprechende Projekte gehen, berichtet Wielga-Skolimowska.

Hintergrund der Diskussion ist die jüngste Standortbestimmung der SPD. Ein zentraler Baustein der vom Kulturforum der Sozialdemokratie erarbeiteten erarbeiteten und vom Parteivorstand sowie vom Bundesparteitag beschlossenen kulturpolitischen Leitlinien nennt sich „Kultur für alle“. 

Die SPD setzt sich dafür ein, analoge Resonanzräume auszubauen, die den Austausch und das Zu- sammenwirken unterschiedlicher Gruppen und Generationen zu ermöglichen, und zwar stets auf der Grundlage von Respekt und der Bereitschaft, einander zuzuhören. So sollen gerade jüngere Leute eine Alternative zu sozialen Netzwerken erhalten. 

Mehr Geld für Kunst und Kultur

Die Erwartungen an das, was Kunst und Kultur leisten können und sollen, sind höher denn je. Die Diskussionsrunde beim Kulturforum gibt der Politik einen Arbeitsauftrag mit auf den Weg: Sollen Kommunen kulturelle Angebote und kulturelle Teilhabe als Kitt der Demokratie ermöglichen, müssen sie dafür auch über die finanziellen Mittel verfügen. 

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