Kultur

Film „Arena 196“: Wie Frank Ullrich die Wahl gegen Maaßen gewann

Im Sommer 2021 wird Südthüringen zum politischen Hotspot. Der Dokumentarfilm „Arena 196“ begleitet Politiker*innen verschiedener Couleur, die ein Ziel verbindet: einen Wahlsieg von CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen zu verhindern.
von Nils Michaelis · 27. Oktober 2023
Frank Ullrich gewann seinen Wahlkreis bei der Bundestagswahl gegen Hans-Georg Maaßen.
Frank Ullrich gewann seinen Wahlkreis bei der Bundestagswahl gegen Hans-Georg Maaßen.

Frank Ullrich hat in seinem Leben schon viele Triumphe gefeiert. Was der mehrfache Biathlon-Weltmeister und Olympia-Goldmedaillengewinner am 26. September 2021 erlebt, überwältigt ihn allerdings zutiefst. „Das ist ja wie ein Olympiasieg“, sagt er vor jubelnden Mitgliedern der SPD in Südthüringen. Aus dem Stand hat der Sozialdemokrat im Wahlkreis 196 mehr als 33 Prozent der Erststimmen und damit ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag geholt. Dieser Wahlsieg war alles andere als ausgemacht.

Maaßen brach Dreharbeiten ohne Angaben von Gründen ab

In den Monaten zuvor hatte der Bundestagswahlkreis Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg ungewohnte überregionale Aufmerksamkeit genossen. Nachdem der ursprüngliche CDU-Kandidat und langjährige Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann über eine Maskenaffäre gestolpert war, schickte die Union den umstrittenen Rechtsaußen-Politiker Hans-Georg Maaßen ins Rennen. Nicht nur in der thüringischen Provinz war der Aufschrei groß. In breiten gesellschaftlichen Kreisen wurde nach Strategien gesucht, den Einzug des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten, dem wiederholt Antisemitismus und Rassismus vorgeworfen wurde, ins Parlament zu verhindern. Die AfD hingegen lachte sich ins Fäustchen.

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Ullrich und Vertreter*innen anderer Parteien setzten in dieser auch von außen aufgeheizten Situation darauf, einen besonders intensiven Wahlkampf zu führen. Die Filmemacher*innen Yvonne und Wolfgang Andrä waren mit dabei. Mit Ullrich und Kandidat*innen von Grünen, Linken, FDP und ÖDP tourten sie durch den Wahlkreis. Auch Maaßen hefteten sie sich an die Fersen. Der brach die Dreharbeiten allerdings nach kurzer Zeit und ohne Angaben von Gründen ab. Der AfD-Kandidat wollte sich bezeichnenderweise gar nicht erst filmen lassen.

Kontroverse Themen

Jene an Fläche und Kontrasten reiche Region wird dabei zum Spiegelbild verschiedener bundesrepublikanischer Wirklichkeiten. In den Ausschnitten von Gesprächen zwischen Politiker*innen und Bürger*innen an Infoständen werden Themen wie Migration und Energiewende angerissen, die in der Öffentlichkeit zunehmend kontrovers diskutiert werden. Im Dialog mit Vertreter*innen der Wirtschaft offenbaren sich Strukturprobleme und enttäuschte Zukunftshoffnungen im ländlichen Ostdeutschland. Und damit auch die Wurzeln manch einer lautstark formulierten Frustration.

Der Film hinterfragt aber auch demokratische Prozesse. Als die Initiative Campact die Parteien vor Ort öffentlichkeitswirksam dazu aufruft, sich gegen Maaßen zu verbünden, stehen sie vor einer schwierigen Frage: Kämpfen sie gemeinsam oder doch lieber für sich?

Im Fortgang der Dinge wird der Kontrast zwischen Ullrich und Maaßen immer deutlicher: Dort der heimatverbundene Sozialdemokrat, der die Nähe zu den Menschen sucht und an den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Respekt appelliert. Auf der anderen Seite ein West-Import, der Thüringen als Bühne benutzt und – mehr oder weniger folkloristisch verkleistert – wie gewohnt mit spalterischen und hetzerischen Redebeiträgen auffällt. Nicht zuletzt bei einer Podiumsdiskussion mit anderen Wahlkreiskandidat*innen. Gerade diese Szenen unterstreichen den Arena-Aspekt der Erzählung.

Viele Perspektiven

Dass diese bewusst offen gestaltet wurde, tut dem Ganzen gut. Es geht um kein auf das Ende hin orientierte Duell zwischen Maaßen und Ullrich. Vielmehr tauchen wir in eine vielschichtige Gemengelage ein und entdecken Zug um Zug, wo und wie die Akteur*innen ihren Platz suchen. Der Film folgt vielerlei Perspektiven und ist zugleich um Direktheit und Anschaulichkeit bemüht. So kann sich jede und jeder ein eigenes Bild machen. Das hält die Neugier wach, erfordert aber auch viel Konzentration. Der einordnende Off-Text ist sehr sparsam gehalten.

Den Kontrast zu diesen „ungefilterten“ Momenten in der Tradition des Direct Cinema bilden mal mehr und mal weniger ästhetisierte Landschaftsaufnahmen vom „grünen Herzen Deutschlands“. Nicht nur wegen der wuchtigen musikalischen Untermalung wirken sie mitunter wie Fremdkörper. Im steten und nachdenklich stimmenden Fluss von Argumenten und Stimmungen kann man sie aber auch als Atempause begreifen.

Info: „Arena 196“ (Deutschland 2023), ein Film von Yvonne und Wolfgang Andrä, mi Frank Ullrich, Hans-Georg Maaßen, Stephanie Erben, Sandro Witt u.a.

barnsteiner-film.de/arena196/

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