Kultur

Bücher für den Gabentisch: Fünf Last-Minute-Geschenktipps für Leseratten

Alle Jahre wieder gehören Bücher zu den beliebtesten Geschenken der Deutschen zu Weihnachten. Sich in der Flut an Neuerscheinungen zurechtzufinden, ist aber nicht immer leicht. Wir haben fünf Tipps, bei denen jede*r fündig werden sollte.

von Kai Doering · 20. Dezember 2024
Bücher sind eines der beliebtesten Weihnachtsgeschenke der Deutschen.

Bücher sind eines der beliebtesten Weihnachtsgeschenke der Deutschen.

Nora Bossong: Reichskanzlerplatz

Wie stirbt eine Demokratie und welche Rolle spielen einzelne Menschen dabei? Dieser Frage geht Nora Bossong in ihrem neuen Roman „Reichskanzlerplatz“ nach. Im Mittepunkt steht Magda Goebbels, Ehefrau von Hitlers Progagandaminister Joseph Goebbels. Doch Bossongs Roman, der aus der Sicht der fiktiven Figur Hans Kesselbach erzählt wird, beginnt bereits, als Magda noch Quandt heißt und mit dem einflussreichen Großindustriellen verheiratet ist.

Nach der Scheidung zieht sie an den titelgebenden Reichskanzlerplatz in Berlin. In ihrer Wohnung macht sie Industrielle mit Hitler bekannt und trägt so zum Aufstieg der Nazis bei. Anschaulich und mit Sinn fürs Detail beschreibt Nora Bossong, wie sich das gesellschaftliche Klima und die Menschen in den 1920er Jahren allmählich verändern, bis es zur großen Katastrophe kommt. Nicht nur in diesem Punkt ist der Roman hochaktuell.

Nora Bossong: Reichskanzlerplatz
Roman 
Suhrkamp Verlag 
296 Seiten, 25 Euro 
ISBN 978-3-518-43190-0

 

Steffen Mau: Ungleich vereint

2024 stand Ostdeutschland so stark im Mittelpunkt der Berichterstattung wie lange nicht. Der Grund war einfach: In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wurden neue Landtage gewählt. Schon Monate vorher strömten Journalist*innen aus, um „die ostdeutsche Seele“ zu erkunden. Ihre Texte lasen sich teilweise wie Berichte aus weit entfernten Weltregionen.

Ganz anders das Buch von Steffen Mau. „Der Soziologe, auf den der Kanzler hört“ (FAZ) erklärt in „Ungleich vereint“ vollkommen unaufgeregt und anhand wissenschaftlich erhobener Daten, „warum der Osten anders bleibt“, warum sich die Politik vom Ziel der „Angleichung der Lebensverhältnisse“ verabschieden sollte und was die AfD gerade in Ostdeutschland so stark macht. Und: Mau macht Vorschläge, wie die Gesellschaft die Andersartigkeit nutzen könnte – in Ost wie in West.

Steffen Mau: Ungleich vereint
Suhrkamp Verlag
168 Seiten, 18 Euro
ISBN 978-3-518-02989-3

 

Paul Lynch: Das Lied des Propheten

Bei uns kann so etwas nicht passieren. Das dürfte sich auch die Hauptfigur in Paul Lynchs Roman „Das Lied des Propheten“ gedacht haben. Doch als Eilish Stack eines Abends die Haustür öffnet und zwei Beamte der irischen Geheimpolizei ihren Mann sprechen wollen, ahnt sie schon, dass etwas Schlimmes geschehen wird. Kurz darauf kommt ihr Mann, ein Gewerkschafter, von einer Demonstration nicht zurück. Was mit ihm passiert ist, wird Eilish Stack nie erfahren.

In seinem preisgekrönten, dystopischen Roman erzählt Paul Lynch vom Aufstieg des Faschismus in Irland. Nach und nach greift das System um sich, Menschen verlieren wegen der falschen Überzeugung ihre Arbeit und verschwinden. Der Rahmen, in dem die Geschichte spielt – mit iPhone und Elektroauto – lässt die Geschehnisse besonders real wirken. Erschreckend real.

Paul Lynch: Das Lied des Propheten
Roman 
Klett-Cotta Verlag 
320 Seiten, 26 Euro 
ISBN 978-3-608-98822-2

 

Frank-Walter Steinmeier: Wir

Am 25. Dezember wird Frank-Walter Steinmeier wie in jedem Jahr seine Weihnachtsansprache halten. Was der Bundespräsident dann sagen wird, ist noch nicht bekannt. Doch als Vorlage für seine Rede, könnte ihm sein eigenes Buch dienen. Das ist im Frühjahr erschienen und trägt den schlichten Titel „Wir“. Anlass, es zu schreiben, war für Steinmeier ein doppeltes Jubiläum: 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Friedliche Revolution in der DDR.

In „Wir“ erinnert der Bundespräsident an Ereignisse und Erfahrungen, die Deutschland in 75 Jahren geprägt haben. Er beleuchtet aber auch unangenehme Wahrheiten wie die gesellschaftliche Spaltung. Dabei ist Wir“ ein Plädoyer für die Anstrengung gemeinschaftlichen Handelns und für eine Gesellschaft, die neu erkennt, was sie verbindet. Die „Pflicht zur Zuversicht“ ist „eine ehrenwerte Aufgabe“, schreibt Steinmeier. In seinem Buch übernimmt er sie mit Bravour.

Frank-Walter Steinmeier: Wir
Suhrkamp Verlag
141 Seiten, 14 Euro
ISBN 978-3-518-43215-0

 

Susan Arndt: Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD

„So isser, der Ossi.“, lautete ein „Spiegel“-Titel im August 2019. Das Magazin versprach darin, aufzuklären, „wie der Osten tickt – und warum er anders wählt“. Die Ausgabe sorgte für heftige Debatten (nicht nur) in Ostdeutschland. Diesen Absolutheitsanspruch hat Susan Arndt nicht. „Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD“ lautet der Titel ihres Buches, in dem die Professorin für Literaturwissenschaft aus ihrer eigenen Biografie heraus versucht, „den Osten“ zu erklären.

Arndt berichtet über ihr Aufwachsen in der DDR, Erfahrungen rund um den Mauerfall, den sie mit Anfang 20 erlebte, und darüber, wie sie – trotz ihrer Ost-Herkunft und als Frau – wissenschaftliche Karriere in Westdeutschland machte. Dabei macht Arndt stets klar, dass allein die ostdeutsche Herkunft nicht als Erklärung dafür ausreicht, warum jemand die AfD wählt. „Am Ende bin ich weniger wegen meines Geburtsortes zum Ossi geworden als vielmehr, weil Diskriminierungsmuster Ostdeutsche kollektiv positionieren“, schreibt Susan Arndt. Und damit ist eine Menge gesagt.

Susan Arndt: Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD
C.H. Beck Verlag
175 Seiten, 16 Euro
ISBN 978-3-406-81587-4

 

Alle Bücher können hier direkt in der vorwärts-Buchhandlung bestellt werden.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.