Wie Familien in anderen Ländern Europas unterstützt werden
Ende der 70er Jahre war überall in Schweden ein Plakat zu sehen. Darauf ein Mann mit wuscheligen roten Haaren, der in seinen muskulösen Armen ein Baby hielt. „Barnledig Pappa!“ stand darüber: Vater im Mutterschaftsurlaub. Die landesweite Plakatkampagne sollte Männer in Schweden animieren, eine neue Sozialleistung in Anspruch zu nehmen: die Elternzeit.
Schweden und die Elternzeit
Dass der Mann auf dem Plakat, der bekannte schwedische Gewichtheber Lennart Dahlgren, selbst keinen Tag Elternzeit in Anspruch nahm, änderte nichts daran, dass Schweden mit der Leistung zum familienpolitischen Vorreiter wurde. Regelmäßig landet das Land in Studien zur Familienfreundlichkeit auf dem ersten Platz. Neben einem großzügigen Elterngeld, von dem ein Teil fest an den Vater gebunden ist, gibt es ein Recht auf Kinderbetreuung.
Was in Schweden dagegen schon seit 1971 nicht mehr existiert, ist das Ehegattensplitting. Beide Partner werden individuell besteuert. All das zeigt Wirkung: Mit 11 Geburten auf 1.000 Einwohner liegt Schweden in der europäischen Spitzengruppe. Zum Vergleich: In Deutschland waren es zuletzt 9,1 Geburten.
Deutlich dramatischer sind die Zahlen in Italien. Hier wurden 2022 nur 6,9 Menschen je 1.000 Einwohner geboren, ein neuer Tiefststand. Zwar wurde von der Regierung unter Mario Draghi das Kindergeld deutlich erhöht, doch fehlen weitere Anreize. Mütter können fünf Monate in Elternzeit gehen und erhalten 80 Prozent ihres bisherigen Gehalts vom Staat. Väter dagegen haben nur ein Anrecht auf zehn Tage Elternzeit bei vollem Lohnausgleich.
Frankreich und das Familiensplitting
In Frankreich dagegen können Eltern bis zu drei Jahre in Elternzeit gehen, erhalten dabei aber nur eine geringe finanzielle Unterstützung. Dass die Geburtenrate mit 10,4 pro 1.000 Einwohner recht hoch ist, dürfte vor allem am guten Betreuungssystem liegen. Viele Französinnen fangen bereits kurz nach der Geburt wieder an zu arbeiten. Und: Statt die Ehe zu fördern, setzt das Steuersystem bewusst auf ein Familiensplitting. Die größte Entlastung gibt es für Familien mit drei Kindern im oberen Einkommensbereich.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.