Steuerpolitik

Diskussion über Ehegattensplitting: Wie Frankreich Familien besteuert

Kay Walter01. August 2023
Familienpolitik im Vergleich: Den Begriff „Rabenmutter“ kennt das Französische nicht.
Familienpolitik im Vergleich: Den Begriff „Rabenmutter“ kennt das Französische nicht.
Das Ehegattensplitting steht nicht erst durch den Vorstoß von SPD-Chef Lars Klingbeil zur Diskussion. Wie regeln andere Länder die Besteuerung von Ehen und Familien? Ein Blick nach Frankreich

Das Ehegattensplitting gilt vielen als eine zentrale Ursache der relativ geringen Beteiligung verheirateter Frauen am Arbeitsmarkt. Länder wie Großbritannien, Schweden, die Niederlande, Spanien, Portugal oder Österreich haben unter anderem deshalb die gemeinsame Besteuerung von Eheleuten abgeschafft, zugunsten einer reinen Individualbesteuerung. Allerdings nutzen diese Staaten auch keine progressive Steuertabelle, heißt: Der Steuersatz steigt mit der Höhe des Einkommens nicht weiter an, sondern bleibt immer gleich. Sie erheben stattdessen einen einheitlichen Proportionaltarif. Ein Splittingverfahren würde daher keinen Unterschied ergeben.

Vorbild Frankreich?

Neben Deutschland kennen nur Luxemburg und Polen ein vergleichbares Ehegattensplitting. Frankreich und Portugal gehen mit ihrem zusätzlichen Familiensplitting sogar noch darüber hinaus. Daher wird in vielen Diskussionen auf Frankreich verwiesen, dessen Ausgestaltung der Einkommensteuer mit den zusätzlichen Angeboten an öffentlicher Kinderbetreuung als besonders familienfreundlich gilt. Als Beleg einer „gelungenen Familienpolitik“ wird dann angeführt, dass nicht nur die Frauenerwerbsquote in Frankreich erkennbar höher ist als in Deutschland, sondern ebenso die Geburtenrate, wobei insbesondere die Kinderlosigkeit unter hochqualifizierten Frauen deutlich niedriger ist.

Vergleicht man allerdings die konkreten Steuertarife in Deutschland und Frankreich, zeigt sich, dass sowohl die Grenz- als auch die Durchschnittsbelastung in beiden Ländern ähnlich verlaufen, wobei die durchschnittliche Belastung im französischen Tarif im oberen Einkommensbereich höher ist als im deutschen.

Nicht das Geld macht den Unterschied

Ein detaillierter Vergleich des „Splittingvorteils“ in beiden Ländern (durchgeführt in einer Studie des DIW im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung) zeigt, dass auch die Entlastungswirkungen durch diese Form der gemeinsamen Besteuerung ausgesprochen ähnlich verlaufen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Kindergeld und Kinderfreibetrag wahlweise gewährt werden, können in Frankreich das Kindergeld („Allocations familiales“) und die steuerliche Förderung durch das sogenannte „Familiensplitting“ („Quotient familial“) gleichzeitig bezogen werden.

Im deutschen System profitieren Familien mit geringen Einkommen besonders stark. Frankreich bezieht die Zahl der Kinder dagegen deutlich ein, so dass die größte Entlastung für Familien mit drei Kindern im oberen Einkommensbereich entsteht.

Die „Rabenmutter“ gibt es in Frankreich nicht

Die große Ähnlichkeit der Steuerlast in beiden Ländern konterkariert allerdings vehement die Aussage, Ursache für die höhere Quote arbeitender Frauen in Frankreich sei die besonders familienfreundliche Steuerpolitik, denn der reale Unterschied liegt im Bereich weniger hundert Euro pro Jahr. Nicht das Geld macht den Unterschied, sondern die ungleich bessere Versorgung mit Krippen, Kindergärten und Ganztagsschulen.

Dazu kommt: den Begriff „Rabenmutter“ kennt das Französische nicht. Mehr noch, eine Frau, die ihre Aufgabe ausschließlich in Haushalt und Kinderbetreuung sieht, gilt in Frankreich zumindest als „etwas verschroben“. In dieser Hinsicht ist die Emanzipation hier weiter fortgeschritten.

Außereheliche Kinder haben das größte Armutsrisiko

Beim Ehegattensplitting wird häufig argumentiert, es diene in aller erster Linie der Unterstützung von Familien und Kindern. Das ist nachweislich falsch. Denn das deutsche Splitting-Modell wirkt völlig unabhängig davon, ob man Kinder hat oder nicht. Die Steuerminderung tritt für jedes Ehepaar ein. Splitting setzt allerdings durch die Steuerersparnis von jährlich bis zu 15.000 Euro einen starken Anreiz, dass ein*e Partner*in möglichst wenig verdient. Und spätestens sobald Kinder ins Spiel kommen, ist diese*r eine Partner*in statistisch in aller Regel die Frau.

Zudem hat sich die gesellschaftliche Realität in den Jahrzehnten seit der Einführung des Splittings 1958 stark gewandelt. Die Scheidungsraten sind enorm gestiegen, was zu mehr Alleinerziehenden führt. Immer mehr Kinder werden nichtehelich geboren. Sie haben das größte Armutsrisiko.

Eine Abschaffung des Splittings hätte überschaubare Auswirkungen

Obendrein wurde in Deutschland 2008 das Unterhaltsrecht grundlegend reformiert. Nach einer Scheidung hat der/die Ehepartner*in mit geringeren Einkünften seitdem kein Anrecht mehr auf die Aufrechterhaltung eheähnlicher Lebensverhältnisse. Eine heftige Diskrepanz in der Gesetzgebung. Während der Ehe setzt man einerseits Anreize, dass ein*e Partner*in vom anderen wirtschaftlich abhängig wird, aber andererseits steht nach der Scheidung jede*r für sich allein da. Das ist zumindest unlogisch.

Politisch entspricht das Ehegattensplitting immer weniger der realen Lebenswirklichkeit der Menschen. Ein Vergleich der konkreten Zahlen zeigt aber auch, dass die Abschaffung des Splittings ökonomisch nur sehr „überschaubare“ Veränderungen bewirken würde, schon gar, was die Anreize zu stärker Berufstätigkeit von Frauen angeht. Es sei denn, die Abschaffung des Ehegattensplittings wäre Teil sowohl einer umfassenden Steuerreform als auch einer Neugestaltung der familienpolitischen Leistungen des Staates. Schaffte man Kindergeld und Kinderfreibeträge ab und setzte die gesamte freiwerdende Milliardensumme komplett für bessere und vor allem beitragsfreie Schulen und Kindergärten ein, wäre für Kinder und Frauen sicherlich mehr gewonnen.

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Kommentare

Splitting ist fuer manche notwendig

Dazu sind wir das beste Beispiel: Ich war ueber 22 Jahre Hauptverdiener u. meine Frau arbeitete meistens nur geringf. beschaeftigt. Das war so beabsichtigt, da das mit dem Splitting wunderbar passte. Nun sind wir wenige Monate vor der Rente - wuerde nun der Splittingtarif abgeschafft, so haetten wir deutlich weniger Rente, da dann das bisschen Rente (unverschaemt niedrig ist die sowieso!) gleich ca. 150,- eur mntl. weniger bedeuten wuerde. Der Vorschlag von Hr. Kuehnert, das Spliiting fuer kuenftige Ehen abzuschaffen o. zu reformieren ist ok, denn dann weiss ja jeder, wie das laeuft. Fuer "Altehen" sehe ich das sehr kritisch (Bestandsschutz?) und wuerde den "Politik-Frustrations-Pegel" meinerseits ueber die Ueberlaufmarke erhoehen.

Klarstellung

Es hat niemand gefordert, das Ehegattensplitting für bestehende Ehen abzuschaffen.

.... sorryy ... ist mir schon bewusst, ...

ich schreibe ja auch im Konjunktiv, denke ich ... und das niemand das gefordert haette, weiss ich einfach nicht, aber durchdekliniert wurde es sicher - vielleicht nicht von Ihnen. Aber wie geschrieben: ich schrieb im Konjuktiv und gehe davon aus, dass Hr. Kuehnerts Idee doch die bessere ist, also die mit Bestandsschutz, waere fuer uns ok, wenn man das schon macht. Ist ja eine Diskussion, erst mal.

Ehegattensplitting

Dieses Splitting ist kein Steuervorteil. Es schützt bei der Zusammenveranlagung nur vor einer steurlichen Benachteiligung gegenüber Singles.
Sinngemäss sagte das BVG 1958:
Ein Ehepaar darf beim gemeinsamen Einkommen max. nur das Doppelte an Steuern zahlen als ein Einzelveranlagter es für die Hälfte des Paareinkommen zahlen muss. Damit ist rechtlich alles gesagt und damals weise entschieden worden.
Die Annahme dieses Splitting würde mehr Erwerbszeit eines Ehepartners (meistens sind es die Frauen) verhindern der ist auf dem Holzweg.
Neben der Erwerbstätigkeit gibt es auch noch Familienarbeit und Versorgung des Nachwuchs und dieses erledigt sich nicht von alleine.
Selbst wenn beide Ehepartner eine Vollzeitstelle haben können immer noch erhebliche Einkommenunterschiede bestehen je nach Beruf.
Also dieses Splitting ist eine absolut gerechte Sache. Eine Kinderkomponente darein zu bringen wäre ein Fortschritt, aber nur eine Abschaffung des Splitting würde nur den Finanzminister mit mehr Steuereinnahmen erfreuen. Ich denke genau darum geht es. Die Aussage mit der Erwerbsquote der Frauen ist nur vorgeschoben. Holzauge sei wachsam!
Diethelm Ameler, Unna