US-Wahl im Swing State Georgia: Warum diesmal vieles anders ist
Georgia ist einer der sieben Swing States, in denen die US-Präsidentschaftswahl entschieden wird. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli ist gerade von einem Besuch von dort zurückgekehrt. Im Interview erklärt sie, warum diesmal einiges anders ist als bei früheren Wahlen.
IMAGO / ZUMA Press Wire
Wahlkampfauftritt von Kamala Harris und Michelle Obama in Clarkston/Georgia: Es wird sehr eng.
Wenn am 5. November in den USA gewählt wird, stehen die sogenannten Swing States im Mittelpunkt des Interesses. Die Wählerschaft dieser sieben Staaten ist nicht klar auf eine Partei festgelegt. Schon einige tausend Stimmen können hier darüber entscheiden, ob der Staat blau (demokratisch) oder rot (republikanisch) wird und so die entscheidenden Wahlleute-Stimmen bringen.
Einer dieser Swing States ist Georgia. 2020 gewann Joe Biden hier mit einem Vorsprung von rund 12.000 Stimmen vor Donald Trump, nachdem der Staat mehr als 30 Jahre lang knapp an die Republikaner gegangen war. Kurz vor der Wahl war die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli für eine Woche in Georgia zu Besuch, traf sich mit Wahlkämpfer*innen und Wissenschaftler*innen.
Georgia dürfte einer der Bundesstaaten sein, in denen die US-Präsidentschaftswahl entschieden wird. Sind sich die Menschen dort dieser Bedeutung bewusst?
Ja, definitiv. Allen hier ist sehr bewusst, dass die Wahl in den Swing States entschieden wird und dass Georgia dazugehört. Die Wendung, die wir hier am häufigsten gehört haben war „It will be very close“ oder sogar „crazy close“, dass es also ein sehr, sehr knappes Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump werden wird, das wohl mit wenigen Tausend Stimmen entschieden wird. Für mich war es deshalb auch sehr interessant zu sehen, dass der Wahlkampf in den USA eigentlich ausschließlich in den Swing States stattfindet. Das ist komplett anders als in Deutschland oder im Rest Europas.
Serpil
Midyatli
Am Ende wird entscheidend sein, wer seine Wählerinnen und Wähler besser mobilisiert, Harris oder Trump.
Worauf konzentrieren sich die Wahlkämpfer*innen in den letzten Tagen vor dem 5. November?
Ein weiterer Satz, der mir in Erinnerung geblieben ist, war die Aussage: „It's not about policy, it's about winning." Das merkt man auch dem Wahlkampf an, in dem es wenig um politische Inhalte geht, sondern vor allem um die Frage, wer die USA in den kommenden vier Jahren regieren wird. Kamala Harris und die Demokraten stellen dabei ganz deutlich heraus, dass es bei dieser Wahl um die Bewahrung der Demokratie geht und die Frage, wie die Menschen in den USA künftig leben wollen. Während Donald Trump ein düsteres Bild malt, spricht Kamala Harris viel von Mut und Hoffnung. Das zeigt, dass es sehr viel um Emotionen geht.
Fakten spielen also keine Rolle?
Doch, aber deutlich weniger als man denken würde. Zum Beispiel hat der „Inflation Reduction Act" von Präsident Biden die Wirtschaft und damit auch die Situation der Beschäftigten in den USA deutlich stabilisiert. Im Wahlkampf wird das aber von Donald Trump weggewischt und so getan, als stehe die amerikanische Wirtschaft am Abgrund, obwohl die Zahlen etwas ganz anderes sagen. Ihm spielt dabei in die Karten, dass die Lebensmittelpreise in den vergangenen Monaten stark gestiegen sind, was gerade die Menschen mit geringem Einkommen stark verunsichert.
Welche Themen bestimmen ansonsten den Wahlkampf?
Das sind aus meiner Sicht vor allem zwei: die Situation an der Grenze zu Mexiko und das Recht auf Abtreibung. Beides emotionalisiert die Menschen sehr, auch wenn die Zahl der Migrant*innen, die in die USA kommen, während der Präsidentschaft von Joe Biden kaum gestiegen ist. In den Wahlwerbespots von Donald Trump wirkt es aber so, als würden die USA geradezu überrannt. Am Ende wird entscheidend sein, wer seine Wählerinnen und Wähler besser mobilisiert, Harris oder Trump.
Georgia hat lange demokratisch gewählt. In den 90er Jahren gab es dann einen Wechsel zu den Republikanern und erst Joe Biden hat es 2020 geschafft, Georgia knapp wieder zu gewinnen. Gibt es eine Tendenz, wie sich die Mehrheit diesmal entscheiden könnte?
Alle, mit denen wir gesprochen haben, sind sehr sehr vorsichtig mit ihrer Einschätzung – eben weil es ein so knappes Rennen werden dürfte. Bisher wurden im ländlichen Raum eher die Republikaner gewählt, in den Städten eher die Demokraten. Das dürfte im Großen und Ganzen auch diesmal so sein. Interessant könnten diesmal die sogenannten Black Votes werden, also sie Stimmen der Schwarzen. Insbesondere die Männer könnten von einer toughen, emanzipierten Frau abgeschreckt werden, wurde uns von unterschiedlicher Seite gesagt. Das zeigt, dass auch hier Emotionen und Psychologie eine wichtigere Rolle für die Wahlentscheidung spielen könnten als Fakten, denn Trump hat für diese Gruppe gar nichts im Angebot. Sorge machen wir auch diejenigen, die sagen, es würde ja keinen Unterschied machen, ob Harris oder Trump gewinnt. Das ist definitiv nicht so.
Serpil
Midyatli
Ich kann mir vorstellen, dass diese Wahl nicht so stark an den klassischen Linien entschieden wird.
Kamala Harris wäre die erste Frau an der Spitze der USA. Spielt das im Wahlkampf eine Rolle?
Sie selbst macht es nicht zu einem großen Thema, aber es spielt natürlich eine Rolle. Gerade wenn man sich die Stimmung unter den eher konservativ geprägten spanischstämmigen Wähler*innen ansieht oder eben die Black Man Votes, wird schon deutlich, dass sie sich eine Frau als Präsidentin nur sehr schwer vorstellen können. Es bleibt abzuwarten, ob das das Ergebnis der Demokrat*innen verschlechtern wird. Kamala Harris betont bei ihren Auftritten sehr deutlich, dass sie selbst in einer Familie aufgewachsen ist, die hart arbeiten musste, um sich ein gutes Leben aufbauen zu können. Damit versucht sie gezielt, Menschen mit Einwanderungsgeschichte anzusprechen, die diese Situation ja sehr gut kennen.
Gerade in Georgia könnte diese Gruppe wahlentscheidend sein. Wird sie jetzt im Endspurt besonders umworben?
Michelle und Barack Obama sind zumindest sehr präsent im Wahlkampf und waren zuletzt auch bei Kamala Harris‘ Auftritt in Atlanta dabei. Vor einigen Tagen hat sich auch die Sängerin Beyoncé klar für Harris ausgesprochen. Bei den vorherigen Wahlen hatte sie sich eher zurückgehalten. Ich kann mir vorstellen, dass diese Wahl nicht so stark an den klassischen Linien entschieden wird, sondern dass konservative Menschen mit Migrationsgeschichte eher für Trump stimmen könnten, weil sie einen Mann als Präsidenten wollen, republikanisch gesinnte Frauen dagegen eher für Harris, weil sie das Abtreibungsthema sehr bewegt. Das macht Vorhersagen noch schwieriger.
Donald Trump ist für seine Lügen bekannt. Welche Rolle spielt das im Wahlkampf?
Das war ein Thema bei einem Besuch bei CNN. Der Sender hat sehr viel investiert, um besser auf Fake News und Deep Fakes, die durch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz ja immer einfacher zu produzieren sind, reagieren zu können. Mittlerweile gibt es bei CNN eine große Abteilung, die allein dafür da ist, Informationen zu überprüfen und herauszufinden, ob etwa ein Bild, das in den Sozialen Medien verbreitet wird, echt ist. CNN hat den Anspruch, nur Dinge zu verbreiten, die auch wirklich belegt sind und den Tatsachen entsprechen. Der Kampf ist aber leider häufig sehr ungleich, weil es deutlich schneller geht, Fake News zu produzieren, als sie zu widerlegen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
sehr gut, die Landesvorsitzende aus SH, so
wird es sicher klappen mit der Abwahl Trumps- gleichzeitig mach sie so Kurs gegen den Konkurrenten Kämpfer, der ja auch in den Landesvorsitz strebt
Ulf Kämpfer
Das ist nicht zutreffend. Ulf Kämpfer will wie Serpil Midyatli auch Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2027 werden, nicht aber Vorsitzender der SPD Schleswig-Holstein.
richtig, wenn auch
der Landesvorsitz nicht in Händen der unterlegene verbleiben wird- und es ist wohl anzunehmen, dass Kämpfer obsiegen wird, angesichts seiner herausragenden Expertise aus der Zeit als OB in Kiel
USA Demokratie
".....dass es bei dieser Wahl um die Bewahrung der Demokratie geht...." das abstruse Wahlsystem in den USA zeigt doch mehr als deutlich, daß man alldort noch sehr weit vom freien, gleichen, direkten Wahlsystem entfernt ist.
Also für mich hat dieser Staat wenig Vorbildcharkter.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhundert sagte jemand (nicht Mark Twain, aber einer aus seinem Umfeld): die USA haben das beste Parlament, das man für Geld kaufen kann.