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Rechter Wahlschock in Frankreich

Der rechtspopulistische Front National hat die erste Runde der Regionalwahlen in Frankreich gewonnen. Die anderen Parteien streiten nun um die richtige Strategie gegen Marine Le Pen. Das bisher Undenkbare scheint nun manchem Beobachter möglich: Ein Sieg von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2017.
von Christine Longin · 7. Dezember 2015
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Dass die kommunistische Zeitung "L'humanité" und der konservative "Figaro" dieselbe Schlagzeile haben, ist höchst selten. Am Montag war es aber ein Wort, das beide Blätter auf der ersten Seite in großen Buchstaben brachten: Schock. Gemeint war das Ergebnis, das der rechtspopulistische Front National (FN) in der ersten Runde der Regionalwahlen eingefahren hatte. Die Partei von Marine Le Pen war landesweit stärkste Kraft geworden und führt in sechs der 13 Regionen. Mit rund 28 Prozent landete der FN vor den Republikanern mit 27 Prozent und dem regierenden Sozialisten (PS), die mit nur 23 Prozent erneut eine Schlappe erlitten.

Das "Familienunternehmen" Le Pen lag allein in drei Regionen vorn: Nord-Pas-de-Calais-Picardie, wo Marine Le Pen Spitzenkandidatin war, Provence-Alpes-Côte d'Azur mit ihrer Nichte Marion und Langedoc-Roussillon-Midi-Pyrenées mit Marine Le Pens Lebensgefährten Louis Aliot an erster Stelle. Es war das beste Ergebnis in der Geschichte der Partei, die mit ihren islamfeindlichen Parolen auch von der Angst profitierte, die sich nach den Anschlägen des 13. November in Frankreich breitmachte. Kein Wunder, dass Marine Le Pen am Sonntag um 20.36 Uhr in der nordfranzösischen Kleinstadt Hénin-Beaumont strahlend vor ihre Anhänger trat: "Die nationale Bewegung ist die erste Partei Frankreichs."

Nach dem Front National-Sieg: Sarkozy gegen "republikanische Front"

Doch die FN-Chefin war nicht die erste, die sich am Wahlabend äußerte. Den Anfang machte der Chef der konservativen Republikaner, Nicolas Sarkozy. Der Ex-Präsident hatte bis vor wenigen Wochen als klarer Sieger der Regionalwahlen gegolten, doch die Anschläge vom 13. November hatten Wähler zum FN getrieben. Nun muss sich der Parteichef, der im nächsten Jahr gerne noch einmal zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden würde, der Kritik stellen. Die kommt vor allem von den Gemäßigten wie Ex-Regierungschef Jean-Pierre Raffarin, der eine "republikanische Front" mit den Sozialisten fordert.

Sarkozy hatte aber einem Verzicht republikanischer Kandidaten zugunsten der Sozialisten oder einer gemeinsamen Liste mit dem PS noch am Wahlabend eine Absage erteilt. "Wir bleiben unseren Überzeugungen treu und geben der Versuchung nicht nach, mit den Stimmen der Franzosen zu spielen", sagte der 60-Jährige. Bei der Stichwahl kommenden Sonntag reicht eine relative Mehrheit der Stimmen, da der Sieger einen Bonus von 25 Prozent der Sitze im Regionalrat erhält.

Gegen den Front National: Sozialistische Kandidaten ziehen sich zurück

Die regierenden Sozialisten, die ihre fünfte Wahlniederlage in Folge erlitten, hatten ihre Strategie bereits am Sonntagabend festgelegt. "Die sozialistische Partei hat sich entschieden, eine republikanische Mauer zu bilden", sagte Parteichef Jean-Christophe Cambadélis. In den Regionen, wo der FN deutlich vorne liege, werde der sozialistische Kandidat sich zurückziehen. Die sozialistischen Wähler könnten so in der Stichwahl mit ihrer Stimme für die Konservativen den FN verhindern. Nicht bei allen Wählern kam die Entscheidung gut an, die für die Sozialisten den Verzicht auf ihre Regionalräte bedeutet.

Die französischen Regionen, die durch die Regionalreform im vergangenen Jahr von 22 zu 13 zusammengeschmolzen wurden, haben nicht dieselben weitreichenden Kompetenzen wie die deutschen Bundesländer. Sie entscheiden über die Wirtschaftsförderung, die Oberschulen und den Busverkehr. Die Wahl hat allerdings symbolische Bedeutung, da sie der letzte Urnengang vor der Präsidentschaftswahl 2017 ist. Da sehen Umfragen Marine Le Pen in der ersten Runde vorn. Ein Sieg der FN-Kandidatin, die einen Euro-Austritt fordert, in der Stichwahl galt bisher als ausgeschlossen. Doch nach dem Erfolg bei den Regionalwahlen warnt die Zeitung "Libération": "Was bisher undenkbar war, die Idee einer Machtergreifung, gewinnt an Form für diese Partei, die bei jeder Wahl fünf Prozent dazugewinnt."

Autor*in
Christine Longin

Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.

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