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Einigung über Ukraine-Hilfe: Warum Brüssel von Victor Orban genervt ist

Alles dreht sich um Victor Orban. Seit Dezember blockierte Ungarns Regierungschef mit seinem Veto die Zahlung von 50 Milliarden Euro an die Ukraine. Nun gibt es offenbar einen Durchbruch. Doch der Frust bleibt.

von Kay Walter · 1. Februar 2024
Die Nervensäge: Der Frust über Victor Orban in Brüssel sitzt tief.

Die Nervensäge: Der Frust über Victor Orban in Brüssel sitzt tief.

Er allein gegen die anderen: in der Rolle fühlt der ungarische Premier sich offenbar wohl. Er betrachtet sich als tapferen Kämpfer gegen die Bürokratie in und Fremdbestimmung durch Brüssel. Die Frage, warum er noch immer Mitglied im Club ist, kann er wahrscheinlich selbst kaum beantworten. Außer: Er braucht das Geld aus Brüssel und es macht ihm Spaß, auf den Nerven der anderen herumzutrampeln. 

Die Regeln der EU interessieren Orban nicht

Die anderen 26 Staats- und Regierungschef*innen müssen sich dagegen den Vorwurf gefallen lassen, sich das Geschacher schon viel zu lange gefallen zu lassen. Die Regeln der Gemeinschaft und Rechtsstaatsprinzipien interessieren Orban erkennbar nicht. Immer wieder erpresst er seine Kolleg*innen. Zuletzt beim Gipfel im Dezember: Zwei komplette Gipfeltage triezte er alle anderen, verweigerte seine Zustimmung zum Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Das Gerangel endete schließlich in der viel zitierten Kaffeepause. Orban verließ den Raum. Die anderen stimmten ab, ohne ihn. 

Knallhart blieb Orban damals beim Geld, genauer der Freigabe von 50 Milliarden Euro. Geld, das die Ukraine dringend für die laufenden Staatsausgaben braucht, etwa für Gehälter und Pensionen von Staatsbediensteten. Orban legte sein Veto ein. Nur deshalb muss der Gipfel am Donnerstag überhaupt stattfinden.

Kompromiss beim Frühstück

Der Gipfel hatte kaum begonnen, da signalisierte der Präsident des Rates Charles Michel, weißer Rauch werde aufsteigen. Beim Frühstück hatten Olaf Scholz, Emmanuel Macron, die italienische Premierministerin Giorgia Meloni und die EU-Chefs Ursula von der Leyen und Charles Michel Orban von seiner Blockadehaltung abgebracht. Eine Einigung konnte erzielt werden. Die Gruppe um Scholz bot an, eine jährliche Debatte über die Umsetzung des Ukraine-Hilfspakets abzuhalten. Ein solcher Vorschlag kursierte seit einigen Tagen, wenngleich in zwei unterschiedlichen Varianten. 

Ungarn bestand im Vorfeld auf seinem Vetorecht auch in dieser jährlich Debatte. Nicht allein Olaf Scholz will das unbedingt verhindern: jährliche Debatte ja, auch Diskussion über Veränderungen in der Geldvergabe, aber auf keinen Fall jedes Jahr neues Erpressungspotential für Orban, war seine Linie. Dafür muss auf einen förmlichen Beschluss zum Abschluss der Debatte verzichtet werden. So wäre der Zwang zur Einstimmigkeit ausgehebelt. Was da genau vereinbart wurde ist noch nicht öffentlich geworden.

Hätte Ungarn nicht zugestimmt, wäre auch weiter Geld an die Ukraine geflossen. Das wäre allerdings deutlich teurer, komplexer und politisch schwieriger geworden. Und es hätte mehr Zeit gebraucht: Zeit, die die Ukraine nicht hat, weil ihr Ende März die Liquidität ausgegangen wäre.

Die „nukleare Option“ bleibt unwahrscheinlich

Die Frustration über den Störenfried Orban hatte dazu geführt, dass ein Papier aus dem EU- Parlament bekannt wurde, dass die Anwendung von Artikel 7 der EU vorsah, also den Entzug der Stimmrechte für Budapest. Bei einigen Regierungschef*innen, wenngleich wenigen, stieß die Forderung sogar auf Zustimmung. Doch diese sogenannte „nukleare Option“ würde die Einstimmigkeit aller 26 Staats- und Regierungschefs erfordern. Schon deshalb war sie unwahrscheinlich.

War es Selbstachtung, der Unwille, sich permanent von Orban vorführen und erpressen zu lassen oder die Erkenntnis, dass der Ungar sich nicht überzeugen, sehr wohl aber unter Druck setzen lässt? In jedem Fall ist es nun ein deutlich stärkeres Zeichen der Unterstützung der Ukraine gegen Putins Aggression, dass die EU zur Einigkeit zurückgefunden hat.

Ein schwieriges Thema steht Scholz noch bevor

Schon weil der Bundeskanzler auf dem Sondergipfel wahrscheinlich ein weiteres Problem wird ansprechen müssen. Die nach Deutschland stärksten Volkswirtschaften der EU, Frankreich, Italien und Spanien halten sich bei der Militärhilfe für die Ukraine bisher, vorsichtig ausgedrückt, schwer zurück. Selbst zusammengerechnet kommen sie nur auf einen Bruchteil der deutschen Militärhilfe. In der Bundestagsdebatte über den Kanzleretat hat Olaf Scholz deutlich gemacht, es sei unverzichtbar, dass mehr Länder ihre Militärhilfe für die Ukraine verstärken.

Scholz verwies darauf, Deutschland leiste den mit Abstand größten Anteil der Militärhilfe. „Es kann aber nicht an Deutschland allein hängen“, mahnte er. Die Europäer sollten ihre Anstrengungen verdoppeln, „Russland wartet nicht, und wir müssen jetzt handeln“. 

Die Ukraine mit Finanzhilfen ökonomisch am Leben zu erhalten ist die eine Aufgabe. Sie muss aber auch militärisch in die Lage versetzt werden, den russischen Angriffen zu widerstehen. Und auch das wird viel Geld aus der EU und ihren Mitgliedsstaaten kosten.

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2 Kommentare

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Do., 01.02.2024 - 15:16

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worin lag dann eigentlich das Problem? Merkt der Autor eigentlich, dass er nicht nur das Beschlussverfahren auf EU-Ebene sondern auch die Demokratie an sich ad absurdum führt? Die auf solchen Gipfeln getroffenen Entscheidungen haben ohnehin eine äußerst dünne und indirekte demokratische Legitimation. Wenn aber die Zustimmung alternativlos wäre, wie hier insinuiert, dann wäre es keine Entscheidung, sondern der Vollzug von Befehlen. Fragt sich nur noch: Befehlen von wem? Bestimmt nicht vom Wahlvolk.

Ich bin enttäuscht von Scholz, der mit wesentlich mehr Verve Steuergeld für Krieg an die Ukraine verschenkt als sich um Kindergrundsicherung, Klimageld oder andere soziale Anliegen zu kümmern. Diese Art von Entscheidungen werden den ganz Rechten die Wähler in Scharen zutreiben und die SPD kann nicht so tun, als trüge sie daran keine Verantwortung.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am So., 04.02.2024 - 10:15

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unsere Politiker, speziell die mit europäischem Führungsauftrag, also die der SPD, haben´s (nur) schwer, die Volkswirtschaften und die Gesellschaften der europäischen Nato- / EU-Länder aber ächzen unter der Last, den Abwehrkrieg der Ukraine zu finanzieren, mehr noch unter den Folgen der wechselseitig verhängten Sanktionen, in denen W. Zellner, kein Putinversteher, „Züge eines indirekt geführten Weltkrieges erkennt ... mit Auswirkungen globaler Natur“ (Blätter ..., 6(2022)67). Aber keiner unserer Wortgewaltigen kommt auf die naheliegende Lösung: Friedensgespräche mit der Russischen Föderation. Natürlich machte es keinen Sinn, wenn Scholz, Macron oder von der Leyen Putin solche Gespräche anböten. Weil der in der Ukraine einen geostrategischen Krieg gegen die Nato führt, müsste die Führungsmacht der Nato, die USA, mit der Russischen Föderation über Frieden verhandeln. Das wollen die USA und mit ihr alle unsere Wortgewaltigen aber offensichtlich erst, wenn der „Krieg bis zur Erschöpfung“ (Zellner) der Russischen Föderation ausgetragen worden ist. Dass dabei die Ukraine ebenfalls mindestens eine Generation, weite Teile ihrer Infrastruktur (, damit ihre ökonomische Basis,) und vermutlich auch die Bewohnbarkeit großer Landstriche verliert, spielt bei unseren Wortgewaltigen von SPD-Roth über Baerbock bis Strack-Zimmermann, Klingbeil, Scholz scheinbar keine Rolle. Sie alle setzen auf Waffen, auf Abschreckung, auf militärische Dominanz, auf strategische Gegnerschaft gegenüber Russland – und, weil nicht genug, gegenüber China (Nato-Strategie 2022). Dazu passt trefflich das Narrativ, an dem unsere Wortgewaltigen keinen Widerspruch dulden, dass es nur einen einzigen Grund für den Ukraine-Krieg gibt, Putins „hegemoniale Besessenheit“ (Steinmeier). Wer hingegen meint, es gab ein „Konfliktfeld, dem der Krieg entsprang“ (Tony Wood), zu dem die Nato-Osterweiterung gehört, ist ein Putin-Freund und gerade noch eine kleine Stufe vom Vaterlandsverräter entfernt. Solange wir aber dieser „analytischen Engführung“ der Kriegsgenese folgen, aus der natürlich abgeleitet werden kann, dass Putin sich nicht mit der Ukraine zufriedengeben wird, sondern nach dem Baltikum und Polen seine Armeen auch an unserer Tür stehen werden, solange müssen wir die Ukraine für uns kämpfen lassen (- oder sollten wir unsere Freiheitskämpfe selbst austragen?), können wir keinen Frieden als die Kapitulation der Russischen Föderation akzeptieren (- wenn überhaupt), die Kapitulation einer atomaren Weltmacht, die sich in einem geostrategischen Krieg sieht. Können wir die Russische Föderation zwingen, einen solchen Frieden hinzunehmen?

Die SPD hat aus dem Barley-Imperativ, „die Europäische Union ist ein Ort,
den es sonst nirgendwo auf der Welt gibt“, denn „Demokratie und Frieden - das ist das große Versprechen von Europa“, den „Frieden“ gestrichen.

Das akzeptiere ich nicht.