Inland

Wie Unternehmen sich gegen Rechtsextremismus wappnen können

Nach den Correcitv-Enthüllungen gehen seit Monaten Hunderttausende gegen die AfD und für die Demokratie auf die Straße. Unternehmen sind dagegen bisher häufig still. Das kann gefährlich werden – für sie selbst und für die Demokratie.

von Kai Doering · 7. März 2024
„Nougat vernaschen, nicht die Demokratie“: Der Süßwarenhersteller viba bot gegen eine hohe Wahlbeteiligung Rabatt auf seine Nougatstange an.

„Nougat vernaschen, nicht die Demokratie“: Der Süßwarenhersteller viba bot gegen eine hohe Wahlbeteiligung Rabatt auf seine Nougatstange an.

Ende Juni vergangenen Jahres machte der Süßwarenhersteller „Viba“ den Wähler*innen im thüringischen Sonneberg ein moralisches Angebot. Für jeden Prozentpunkt über 49 Prozent Beteiligung bei der Stichwahl um den Posten des Landrats versprach Viba am Folgetag einen Prozent Rabatt beim Kauf von Nougatstangen im Geschäft in Sonneberg. Bei 100 Prozent Wahlbeteiligung winkte also ein Preisnachlass von 51 Prozent.

Einsatz für die Demokratie: Die Wirtschaft hält sich noch zurück

Verbunden war die Rabatt-Aktion mit einer klaren Botschaft. „Nougat vernaschen, nicht die Demokratie“ und: „Wir sind stolz, in einem demokratischen und weltoffenen Thüringen zu produzieren“. Ohne ihn beim Namen zu nennen, war damit klar, auf wen die Aktion sich bezog: Robert Sesselmann, Landratskandidat der AfD. Zwar gewann Sesselmann am Ende die Stichwahl trotz gestiegener Wahlbeteiligung und wurde erster Landrat der in Thüringen als rechtsextrem eingestuften Partei. Doch für Georg Maier ist die Kampagne von Viba dennoch beispielhaft. „Es braucht mehr solche Stimmen“, ist der thüringische Innenminister und SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im September überzeugt.

Denn während seit den Enthüllungen der Rechercheplattform „Correctiv“ über ein Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politiker*innen in Potsdam seit Monaten Hunderttausende auf die Straße gehen, um für die Demokratie zu demonstrieren, halten sich viele Unternehmen (noch) zurück. Dabei findet Maier: „Wir müssen jetzt klare Kante zeigen!“ Doch wie kann das konkrete aussehen? Darüber wurde am Mittwoch beim SPD-Wirtschaftsforum in Berlin diskutiert.

Rechte Hochburgen als Gefahr für die Anwerbung von Fachkräften

„Die Debatte kann nicht auf moralischer Ebene gewonnen werden“, ist Wolfgang Schroeder überzeugt. „Die Rechtsextremismus-Keule hat ausgedient“, sagt der Politikwissenschaftler von der Universität Kassel. Stattdessen müsse viel stärker mit sachlichen Argumenten gearbeitet werden, um darüber aufzuklären, was eine starke AfD für Unternehmen wie Arbeitsplätze bedeutet. „Rechte Hochburgen sind vor allem eine Gefahr für die Fachkräfte-Anwerbung“, sagt Schroeder. Arbeitnehmer*innen, die sich zu den Zielen der AfD bekennen würden, könnten darüber hinaus den Betriebsfrieden und das Image des Unternehmens beschädigen.

Insgesamt sieht Wolfgang Schroeder die Arbeitnehmer*innenschaft hier aber als durchaus gefestigt an. Nachholbedarf sieht der Politikwissenschaftler eher auf Seite der Arbeitgeber*innen. „Im letzten halben Jahr ist hier eine Dynamik erkennbar“, sagt er. Das Thema sei in den Unternehmensführungen angekommen. Hier sieht Schroeder jedoch ein „Spannungsverhältnis“: Während die nationalistischen Positionen der AfD von nahezu allen Unternehmen abgelehnt würden, sei sie für Forderungen wie mehr Deregulierung durchaus offen.

„Gewerkschaftsbindung kann resilient machen“

„Wir müssen klar aufzeigen, was es für Unternehmen und Arbeitsplätze bedeutet, wenn sich bestimmten Haltungen durchsetzen“, fordert Christian Clarus, der beim hessischen Medizintechnikunternehmen B. Braun für die politische Kommunikation verantwortlich ist. Eine klare Haltung sei auch für Unternehmen wichtig, „aber damit ist es nicht getan“. Clarus spricht sich deshalb für einen „klaren Schulterschluss mit der organisierten Arbeitnehmervertretung“ aus.

„Unternehmen brauchen interne Strategien, um die eigenen Leute zu informieren und zu sensibilisieren“, stimmt Politikwissenschaftler Schroeder zu. Das könne nicht „top down“ funktionieren. Stattdessen hält er etwa interne Schulungen für sinnvoll, um „die Resilienz“ gegen rechtes Gedankengut innerhalb des Unternehmens zu stärken.

„Gewerkschaftsbindung kann resilient machen“, meint auch Thüringens Innenminister Georg Maier und warnt: „Die Integration von den dringend benötigten Zuwanderern in den Arbeitsmarkt wird nicht gelingen, wenn wir die Diskurshoheit nicht zurückgewinnen.“ Das gesellschaftliche Thema in Thüringen wirke auf Fachkräfte aus dem Ausland schon jetzt oftmals abschrecken.

Das Problem seien dabei häufig gar nicht die großen Unternehmen, sondern eher kleine Handwerksbetriebe. „Nicht umsonst haben sie sich an die Bauernproteste Anfang des Jahres drangehängt.“ Wenn sich ein Handwerksmeister offen zu AfD bekenne, könnten ganze Betriebe kippen. „Da“, sagt Maier, „wünsche ich mir auch mehr Klarheit von den Kammern und den Berufsverbänden“.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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2 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mo., 11.03.2024 - 07:08

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an Fachkräften mangelt. So sagte mir erst kürzlich ein gut bekannter Unternehmer des Mittelstands (Handwerker) , das er ein ihm bekannten Unterstützer der AfD lieber heute als morgen entlassen würde. Allerdings sei der Mann fachlich so versiert, dass er dies nicht umsetzen kann, vielmehr seinerseits die Sorge hat, der Arbeitnehmer würde die Firma verlassen, wegen der SPD nähe des Chefs. Schwierig sie Situation, das muss man wohl einräumen. Aber immerhin, die unqualifizierten Rechten, die kann man sicher ohne weiteres, auf jeden Fall aber mit leichterer Hand auf die Straße setzen.