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Weniger Elterngeld: Wie die FDP Gleichstellung zurückdrehen will

Von der neuesten Idee der FDP, das Elterngeld nicht nur für sehr gut Verdienende, sondern gleich für alle zu kürzen, hält die SPD wenig. Ihre Pläne sehen anders aus.
von Vera Rosigkeit · 18. Oktober 2023
Elterngeld keine Sozialleistung sei, „sondern ein familienpolitisches Gleichstellungstellungsinstrument
Elterngeld keine Sozialleistung sei, „sondern ein familienpolitisches Gleichstellungstellungsinstrument

Die FDP-Fraktion im Bundestag will den Anspruch auf Elterngeld von bislang 14 Monate auf zwölf Monate kürzen. Die pauschale Kürzung der Elterngeldleistung soll eine Alternative sein zum Vorschlag von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), den Bezug von Elterngeld für Sehr gut verdienende Eltern ab 2024 zu streichen. Paus hatte im Juli verkündet, dass Paare und Alleinerziehende, die ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 150.000 Euro und mehr haben, den Anspruch auf Elterngeld verlieren. Bisher liegt die Grenze des zu versteuernden Einkommens bei 300.000 Euro (Paare) und 250.000 Euro (Alleinerziehende). Als Begründung führte Paus den Sparhaushalt des Bundestags an, wonach die Ausgaben des Elterngelds abgesenkt werden sollten.

Ehegattensplitting statt Elterngeld kürzen

Schon im Juli waren die Proteste groß. SPD-Chef Lars Klingbeil schlug vor, statt am Elterngeld zu sparen, das Ehegattensplitting für neue Ehen zu streichen. Klingbeil betonte, dass mit Blick auf eine moderne Familien- und Gleichstellungspolitik es aus Sicht der SPD sinnvoll sei, diese Debatte jetzt zu führen. Die Resonanz war positiv. Zum einen, weil das Ehegattensplitting negative Erwerbsanreize für Frauen setze, eine hohe Teilzeitbeschäftigung mit Folgen wie geringe Lohnersatzleistung bei Kurzarbeitergeld oder Erwerbslosigkeit und damit zu geringen Rentenansprüchen führe, betonte Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Zum anderen, weil das Elterngeld keine Sozialleistung sei, „sondern ein familienpolitisches Gleichstellungstellungsinstrument“, betonte SPD-Vize Serpil Midyatli im Interview mit dem vorwärts.

Tatsächlich wurde das Elterngeld im Januar 2007 eingeführt. Damit sich auch Väter stärker an der Sorgearbeit beteiligen, wurden zwei zusätzliche Partnermonate eingeführt. Paare können danach bis zu 14 Monaten Elterngeld erhalten, wenn sie sich die Monate so aufteilen, dass  beide mindestens zwei Monate in Elternzeit gehen. Ansonsten reduziert sich der Anspruch auf zwölf Monate. (Alleinerziehende haben Anspruch auf die gesamten 14 Monate). Mit Bezug auf den FDP-Plan bedeutet dies: Ausgerechnet die zwei Monate sollen gestrichen werden, die mit Blick auf die Förderung von Gleichstellung eingeführt wurden.

Mast: FDP bleibt sich treu

„Die FDP hat gestern einen Beschluss gefasst, dass sie statt bei sehr hohen Einkommen lieber bei allen Elterngeldbezieherinnen was wegnehmen und auf die Partnerschaftsmonaten verzichten möchte“, erklärte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast am Mittwoch in Berlin. „Da bleibt die FDP sich ein bisschen treu.“ Wenn gespart werden müsse, so Mast, „halte ich es für klüger, lieber bei Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdienern zu kürzen. In meinem Bekanntenkreis gibt es wenige Paare, die zusammen 300.000 Euro verdienen.“ Auch betonte Mast zur Position der SPD, dass sie langfristig Partnerschaftlichkeit beim Elterngeld eher stärken und nicht abbauen möchte.

Tatsächlich plant die SPD mit eine „6+6+6-Modell“ das Elterngeld flexibler zu machen und eine weitere Wahlmöglichkeit zu schaffen. Bisher sei es häufig so, dass von den 14 Monaten, in denen Elterngeld bisher bezogen werden kann, die Mütter zwölf Monate beantragen und die Väter lediglich zwei, erklärte SPD-Vize Serpil Midyatli dazu. „Man spricht deshalb ja auch umgangssprachlich häufig von den „Vätermonaten“, was eigentlich nicht so gedacht ist.“ Mit dem geplanten 6+6+6-Modell  könne jeder Elternteil jeweils sechs feste Monate Elterngeld beziehen. „Die übrigen sechs können die Elternteile frei unter sich verteilen.“

Gegen die Gleichstellungsstrategie der Koalition

Noch ein anderer Grund lässt daran zweifeln, dass der Plan der FDP in die Realität umgesetzt wird: Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in diesem Jahrzehnt erreicht werden muss. „Wir werden die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie des Bundes weiterentwickeln, u. a. mit einem Gleichstellungs-Check künftiger Gesetze und Maßnahmen.“ Die Einführung der zwei Vätermonate verfolgt genau dieses Ziel.

So bewertet die Auswertung einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung die stärkere Beteiligung der Väter bei der Kinderbetreuung in den ersten Lebensjahren sowohl aus gleichstellungs- als auch aus familienpolitischer Sicht als zielführend. „So können die Mütter Familie und Beruf leichter vereinbaren, wenn sich die Väter stärker an der Sorgearbeit beteiligen“, heißt es dazu im Wochenbericht 35 aus dem Jahr 2019. Darüber hinaus wirke sich dies auch auf das gesundheitliche und psychische Wohlbefinden von Müttern positiv aus. Gleichwohl erzielten Kinder, deren Väter in großem Umfang an Haus- und Sorgearbeit beteiligt sind, bessere Ergebnisse in Tests kognitiver Fähigkeiten. Und schließlich „befördert eine höhere Beteiligung von Vätern an diesen Aufgaben den Abbau von Geschlechterstereotypen, die in vielfacher Weise die Chancengleichheit von Frauen und Männern behindern.“ Demnach dürfte die Abschaffung der Partnermonate bei einem Gleichstellungs-Check durchfallen.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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