Inland

Rassistische Straftaten erkennen: Was Berlin anders macht

In ihrer diesjährigen Bilanz kritisieren die Opferberatungsstellen, dass Sicherheitsbehörden Rassismus als Tatmotiv nur selten erkennen. Entspricht das den Tatsachen? Nachfrage bei der Berliner Senatsinnenverwaltung.
von Sebastian Thomas · 22. Mai 2023
Keine Kompetenzlücke mit Blick auf rassistisch motivierte Straftaten: Laut Thilo Cablitz, Pressesprecher der Berliner Innenverwaltung, gehe die Hauptstadtpolizei gegen jede Form von Hasskriminalität vor.
Keine Kompetenzlücke mit Blick auf rassistisch motivierte Straftaten: Laut Thilo Cablitz, Pressesprecher der Berliner Innenverwaltung, gehe die Hauptstadtpolizei gegen jede Form von Hasskriminalität vor.

Die Zahl der Opfer rechter Gewalt erreicht mit 2.871 einen neuen Höchststand in Deutschland. Das geht aus der Jahresbilanz der Opferberatungsstellen für das vergangene Jahr hervor. Somit sind in der Bundesrepublik jeden Tag fünf Menschen von rechter Gewalt betroffen. Laut den Expert*innen sei in mehr als 50 Prozent der Fälle Rassismus das dominante Tatmotiv. Polizei und Gerichte allerdings würden Rassismus als Tatmotiv nur selten erkennen.

Berliner Polizei sieht keine Kompetenzlücke

„Häufig wird Opfern rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt selbst die Schuld oder eine Mitverantwortung an einem Angriff zugeschrieben“, erklärt Doris Liebscher, Juristin und Leiterin der Ombudsstelle zum Berliner Antidiskriminierungsgesetz. Insbesondere würden rassistische Motive von Ermittlungsbehörden und auch von Gerichten nicht als solche erkannt oder berücksichtigt. Zwar hätten die Bundesländer in diesem Bereich nachgeschärft – und dennoch: Es „besteht beim Thema Rassismus eine große Lücke.“ Doris Liebscher fordert daher flächendeckend sogenannte Rassismusbeauftragte bei Polizei und Justiz.

„Eine Kompetenzlücke sieht die Polizei Berlin in Bezug auf rechte und rassistische Gewalt nicht“, sagt Thilo Cablitz, Pressesprecher der Senatsinnenverwaltung in Berlin. Seit 2014 orientiere sich die Berliner Polizei unter anderem an der sogenannten „Behördenweiten Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität -rechts-“. Diese werde jährlich ausgewertet und aktualisiert. Die genannte Strategie beruhe auf den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses zur rechtsextremen Terrorzelle NSU.

Sicherheitsbehörde hat mehrere Beauftragte

Die angesprochenen Empfehlungen würden nicht nur bei der Ausbildung von Berufsanfänger*innen „konsequent umgesetzt“, sondern auch in den Fortbildungen von Mitarbeitenden der Polizei Berlin. Dabei verweist Thilo Cablitz auf die Verantwortung der Polizist*innen in der Hauptstadt, die darin liege, jede Form von Hasskriminalität entgegenzutreten, Straftaten zu verfolgen, vorurteilsgeleitete Ursachen aufzudecken „und sich solidarisch und kompetent im Umgang mit betroffenen Menschen zu zeigen“.

Das Bild nach außen ist klar: Man möchte als „vielfältige Hauptstadtpolizei“ wahrgenommen werden. Daher sei neben einem beziehungsweise einer Antisemitismusbeauftragen der Polizei Berlin, ein*e Extremismusbeauftragte*r und ein*e Beauftragte*n für Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ernannt worden, erklärt Sabine Beikler, Pressesprecherin der Berliner Innenverwaltung.

„Zudem wurden neue Kommissariate und Ermittlungsgruppen eingerichtet, die dem Phänomen ebenfalls in geeigneter Weise begegnen“, fügt sie hinzu. Grundsätzlich seien sich alle Dienstbereiche der Berliner Polizei der besonderen Herausforderung im Zusammenhang mit demokratiegefährdenden Tendenzen jedweder Couleur bewusst. Das damit verbundene Bewusstsein schärfe man stetig.

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