Migration: Was die Bundesregierung nun bei Abschiebungen plant
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„Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben“, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereits am Wochenende im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ angekündigt. Das Bundeskabinett folgte am Mittwoch seinem Kurs und hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, mit dem abgelehnte Asylbewerber*innen künftig schneller abgeschoben werden sollen. „Der heutige wichtige Gesetzentwurf ist eine entscheidende Grundlage dafür, Migration stärker zu ordnen und sicherzustellen, dass Asylbewerber Deutschland auch tatsächlich wieder verlassen, wenn sie keinen Schutzanspruch haben“, kommentierte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Wiese auf X (vormals Twitter).
Was sieht der Gesetzentwurf vor?
Ausreisepflichtige sollen künftig bis zu 28 statt wie bislang zehn Tage in Gewahrsam genommen werden dürfen, um zu verhindern, dass sie zum Zeitpunkt ihrer geplanten Abschiebung für die Polizei nicht auffindbar sind. Auch sollen Polizei und Behörden mehr Durchsetzungsrechte im Abschiebeprozess erhalten. So sollen sie etwa in Gemeinschaftsunterkünften auch in Räumen von Mitbewohner*innen nach Ausreisepflichtigen suchen dürfen. Zudem sollen Abschiebungen zuvor Geduldeter nicht mehr vorher angekündigt werden, außer bei Familien mit Kindern unter zwölf Jahren. Auch gegen Schleuser*innen soll härter vorgegangen werden.
Wen betrifft das?
Wenn der Asylantrag einer Person abgelehnt wurde, gilt sie als „ausreisepflichtig“ und kann entsprechend in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Allerdings gibt es Gründe, aus denen eine Abschiebung aufgeschoben oder komplett ausgesetzt werden kann. Dann wird eine Duldung erteilt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn jemand eine qualifizierte Berufsausbildung abgeschlossen hat, ein minderjähriges Kind mit einer Aufenthaltserlaubnis hat oder eine schwerwiegende Erkrankung die Abschiebung beeinträchtigen würde. Auch können Behörden eine Abschiebung aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen für maximal drei Monate aussetzen.
Wie viele Menschen in Deutschland sind zurzeit ausreisepflichtig?
Nach Angaben der Bundesregierung waren zum Ende des ersten Halbjahres 2023 in Deutschland 279.098 Menschen ausreisepflichtig. Davon hatten jedoch 224.768 Personen eine Duldung, somit waren letztlich nur 54.330 unmittelbar ausreisepflichtig. Diese Zahl ist damit im Vergleich zum Vorjahr gesunken. 2022 waren es noch 248.145 Menschen mit einer Duldung und 56.163 unmittelbar ausreisepflichtige Personen. Ein Erklärungsfaktor für den Rückgang insbesondere der Zahl geduldeter Menschen ist das von der Bundesregierung eingeführte Chancenaufenthaltsrecht, mit dem sogenannte Kettenduldungen beendet werden.
Wie viele Menschen sind in diesem Jahr bereits aus Deutschland abgeschoben worden?
Im ersten Halbjahr dieses Jahres gab es nach Angaben der Bundesregierung bereits 7.861 Abschiebungen. Rechnet man diese Zahl auf das gesamte Jahr hoch, liegt diese über der des Vorjahres. Im Jahr 2022 wurden 12.945 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Die häufigsten Nationalitäten der in diesem Jahr abgeschobenen Personen waren Georgien, Nordmazedonien, Afghanistan, die Türkei und Albanien. Abschiebungen erfolgten jedoch nicht nur in diese Länder, sondern auch in Länder der Europäischen Union wie Österreich, Polen, Spanien oder Frankreich.
Woran scheitern Abschiebungen?
Oft scheitern Abschiebungen daran, dass die Herkunftsländer der jeweiligen Personen nicht mit Deutschland kooperien und ihre Staatsbürger*innen nicht zurücknehmen. Aus diesem Grund wurde der FDP-Politiker Joachim Stamp Anfang des Jahres zum Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen ernannt. Er soll eben jene Abkommen mit möglichst vielen Staaten aushandeln. Ausgehend davon sollen einerseits Abschiebungen in diese Länder leichter möglich sein, andererseits jedoch auch eine gezielte Fachkräftezuwanderung nach Deutschland nach den im Fachkräfteeinwanderungsgesetz definierten Kriterien.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo