Kabinettsklausur in Meseberg: Um diese zwei Streitpunkte geht es
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Eigentlich lief die politische Sommerpause in Berlin gar nicht so schlecht für die Ampel-Koalition. Das innenpolitische Hauptthema lieferten CDU und CSU. Zum einen stritt man über den richtigen Umgang mit der AfD, zum anderen über die Frage des Kanzlerkandidaten im Allgemeinen und der Regierungsfähigkeit von CDU-Chef Friedrich Merz im Besonderen.
Eigentlich. Doch dann kam der 16. August, der Tag der ersten Sitzung des Bundeskabinetts nach der Sommerpause. Und mit ihm ein Paukenschlag: Die grüne Familienministerin Lisa Paus blockierte im Kabinett den Beschluss zum Wachstumschancengesetz des liberalen Finanzministers Christian Lindner. Neue Negativschlagzeilen über die Ampel waren die Folge.
Der Kanzler mahnt die Streitenden
Das wird einen ganz besonders wenig erfreut haben: den Chef des Ganzen, Bundeskanzler Olaf Scholz. Daran ließ er in dieser Woche keinen Zweifel. Und richtete eine klare Mahnung an die Streitenden. „Ich glaube, alle wären gut beraten, dass sie aus internen Diskussionen, die wir notwendigerweise führen müssen als Koalition, als Regierung in einer Demokratie, erst berichten, wenn die Ergebnisse feststehen“, so Scholz gegenüber Sat.1 und ProSieben. „Die aktuelle Entwicklung ist ja vielleicht für den einen oder die andere eine Mahnung gewesen, es auch so zu halten.“
Ob diese Mahnung gefruchtet hat, wird sich in der nächsten Woche auf Schloss Meseberg zeigen. Dort trifft sich Dienstag und Mittwoch das Bundeskabinett zur Klausur. Und da will Bundeskanzler Scholz Ergebnisse sehen. Er habe, so der Kanzler zur Kindergrundsicherung, „sehr dafür gesorgt, dass es einen großen Fortschritt gibt, wir sind schon bei 99 Prozent, vielleicht 98 Prozent fertig, den Rest schaffen wir auch noch“.
Wachstumschancengesetz soll Wirtschaft stärken
Und auch beim anderen Streitpunkt macht der Kanzler seine Erwartung klar: „Wir beschließen noch in diesem Monat ein Wachstumschancengesetz“, also auf der Kabinettsklausur in Meseberg. Die kurze Zeit bis dahin werde man nutzen, um das Gesetz „noch ein bisschen schöner zu machen“, so Scholz. Die aktuelle wirtschaftliche Lage sowie Impulse für Wirtschaft und Wachstum werden ein wichtiges Thema der Kabinettsklausur sein, so der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag in der Bundespressekonferenz.
Worum geht es? Das Wachstumschancengesetz soll nach dem Willen des Kanzlers die deutschen Unternehmen entlasten, die aktuell mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen haben: schwaches Wirtschaftswachstum, anhaltende Inflation, wachsender Kostendruck, zunehmender Fachkräftemangel, schleppende Nachfrage und Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit – um nur einige Themen zu nennen. Da kommt jede Unterstützung von Seiten des Staates gerade recht.
Kindergrundsicherung soll Kindearmut bekämpfen
Um rund 6,5 Milliarden Euro will der Finanzminister die schwächelnde deutsche Wirtschaft entlasten, mit ausdrücklicher Zustimmung des grünen Wirtschaftsministers und Vizekanzler Robert Habeck. Dem war es aber offensichtlich nicht gelungen, alle Teile seiner Partei davon zu überzeugen. Die Folge war das Veto der grünen Familienministerin gegen Lindners Entlastungspläne. Nun, so heißt es in Berlin, müssten die Grünen sich erst einmal intern sortieren.
Das vielleicht wichtigste Thema in Meseberg ist die Kindergrundsicherung. Sie ist ein zentraler Bestandteil des Koalitionsvertrages. Sie soll Kinderarmut, die aktuell zunimmt, wirksamer und nachhaltiger bekämpfen. Dazu sollen unter anderem bisher unterschiedliche Leistungen des Staates für Kinder und Jugendliche gebündelt werden, um die Leistungen für Betroffene leichter zugänglich zu machen. Die Kindergrundsicherung soll 2025 in Kraft treten. Und sie soll ihren Namen auch verdienen, wie aus der SPD immer wieder betont wird.
Spannung vor Kabinettsklausur
Konkret geht es auch hier um’s Geld: Aus dem Familienministerium gab es unterschiedliche Zahlen, die ins Spiel gebracht wurden. Mal wurden sieben Milliarden Euro gefordert, mal waren es zwölf Milliarden. In jedem Fall mehr, als der Finanzminister zugestehen wollte. Er fand, zwei Milliarden Euro genügten. Die Diakonie geht dagegen nach Vorlage einer neuen Studie von einem Finanzbedarf von 20 Milliarden Euro aus.
Die Bundesregierung will für das kommende Jahr einen Haushalt vorlegen, der den Vorgaben der Schuldenbremse entspricht. Und beide Gesetze sind der Ampel-Koalition wichtig. Entsprechend gespannt blicken in der nächsten Woche Politik und Medien auf das idyllische Barockschloss Meseberg vor den Toren Berlins. Familienministerin Lisa Paus hat inzwischen geliefert: Ihr ausgearbeiteter Gesetzentwurf liegt im Kanzleramt vor. „Wie vom Kanzler gewünscht, habe ich unterschiedliche Varianten vorgelegt“, so die Ministerin. Welche genau das sind, darüber möchte sie öffentlich nicht sprechen. „Berichten, wenn die Ergebnisse feststehen“, hatte der Kanzler seine Minister*innen gemahnt, nicht vorher. Auch das dürfte die Spannung vor der Kabinettsklausur noch einmal erhöhen.