Inland

Gipfel im Kanzleramt: Wie Scholz die deutsche Industrie retten will

Noch in diesem Monat will Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit der Industrie beraten, wie die lahmende Wirtschaft in Deutschland wieder angekurbelt werden kann. Das kündigte er am Mittwoch im Bundestag an.

von Jonas Jordan · 16. Oktober 2024
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwoch eine Regierungserklärung im Bundestag abgegeben.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwoch eine Regierungserklärung im Bundestag abgegeben.

Eigentlich war im Bundestag für Mittwoch um 13 Uhr eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum Europäischen Rat angekündigt. Anfangs sprach Scholz auch über außenpolitische Themen, lobte die Zusammenarbeit mit US-Präsident Joe Biden, versprach weitere Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine und kündigte weitere Waffenlieferungen an Israel an. Doch dann widmete sich Scholz der Innenpolitik und insbesondere der Frage, wie die lahmende deutsche Wirtschaft wieder angekurbelt werden könne. „Wir können unsere Wachstumspotenziale nicht ausschöpfen“, konstatierte der Kanzler. Zwar sei es mit dem Deutschlandpakt gelungen, dafür zu sorgen, dass vieles schneller vorangehe. Doch nun sei es wichtig, um die Industrie in Deutschland zu kämpfen.

Scholz kündigt Industrie-Gipfel im Kanzleramt an

Deswegen kündigte er eine neue industriepolitische Agenda an. Noch in diesem Monat wolle er mit Industrie und Gewerkschaften im Kanzleramt über einen gemeinsamen Schulterschluss für Wachstum und die Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland verhandeln. „Das, was dabei rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg zu bringen, damit es vorangeht in Deutschland“, sagte der Kanzler während seiner Regierungserklärung im Bundestag. Denn wichtig seien jetzt Zusammenhalt und Unterhaken. „Das ist auch eine Frage des Respekts, vor denjenigen, die arbeiten“, sagte Scholz.

Zugleich übte er deutliche Kritik an der Union und deren Vorsitzendem Friedrich Merz: „Schulterschluss und Respekt vor denjenigen, die arbeiten, heißt übrigens nicht, dass man sie jeden Morgen einmal als faul beschimpft, wie das in der Union offenbar Mode geworden ist. Herr Merz kann gar nicht aus dem Bett steigen, ohne einmal zu sagen, hier wird zu wenig gearbeitet.“ Auch die Tatsache, dass es in Deutschland zu wenige Kita-Plätze und nicht genug familienfreundliche Angebote gebe, führte Scholz auf eine schlechte Familienpolitik der Union zurück. Zudem machte der Kanzler deutlich: „Zukunft gewinnen wir durch wettbewerbsfähige Technologien, durch Investitionen, durch gute Bildung, aber nicht durch Sozialabbau, Rentenkürzungen und erzwungene Mehrarbeit für alle, sondern durch echte Partnerschaft einer fleißigen Gesellschaft.“

Lob für den Kanzler

SPD-Chef Lars Klingbeil lobte den Vorstoß des Bundeskanzlers. Er sei sehr dankbar, dass Scholz deutlich gemacht habe, um jeden Industriearbeitsplatz kämpfen zu wollen. „Dieser Kampf wird gemeinsam mit den Gewerkschaften, den Verbänden und Unternehmen geführt, die Botschaft an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war klar: Hier steht ein sozialdemokratischer Bundeskanzler, auf den sich die Beschäftigten verlassen können. Lieber Herr Bundeskanzler, Sie haben unsere volle Unterstützung auf diesem Weg“, machte Klingbeil klar.

Notwendig dafür seien nun ein realistischer Blick, Mut und Tatkraft, um die Chancen und Potenziale des Landes zu nutzen. „Es geht in den kommenden Monaten um Arbeitsplätze, es geht um Wirtschaft, es geht um Wachstum. Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers war dafür ein richtiger Schritt“, sagte Klingbeil. 

Klingbeil: ein kräftiger Industriepakt für Deutschland

Denn es gehe jetzt darum, die Spitzen von Industriegewerkschaften und wichtigen Industrieunternehmen zusammenzuholen und an einem Ziel zu arbeiten. Dieses müsse ein kräftiger, ein kraftvoller Industriepakt für Deutschland sein. „Dieser Industriepakt muss dieses Land nach vorne bringen“, sagte der SPD-Vorsitzende. Weder Ideologie noch Klein-Klein noch fehlendes Geld dürften diesen Industriepakt stoppen. Es geht jetzt um die richtigen Prioritäten, damit das Logo „Made in Germany“ auch in Zukunft weltweite Maßstäbe setze. „Dafür werden wir die politisch richtigen Rahmenbedingungen schaffen“, kündigte Klingbeil an und forderte Respekt für die Leistung derjenigen ein, die das Land durch ihre Arbeit am Laufen hielten.

Zugleich übte auch er deutliche Kritik am CDU-Vorsitzenden: „Wenn ich bei Respekt und Leistung bin, Herr Merz, möchte ich auch ein paar Dinge zu Ihnen und zur Union sagen. Ich hätte mir gewünscht, mich an Dingen abarbeiten zu können, die Sie in 15 Minuten hier gesagt haben, aber da war nichts. Sie haben nichts gesagt in 15 Minuten.“ Mit Blick auf Merz' Kanzlerkandidatur fügte Klingbeil an: „Sie bewerben sich ja gerade um höhere Aufgaben in diesem Land, aber mit Besserwisserei, mit Nörgeln und Meckern kommt man da nicht hin.“ Schließlich sagte der SPD-Vorsitzende: „Ich habe heute bei Ihren Worten nur eines gedacht: Gott sei Dank ist Olaf Scholz unser Bundeskanzler!“

„Gejaule“ der Union über SPD-Steuerkonzept

Die Kritik der Union am jüngst vorgestellten Steuer-Konzept der SPD bezeichnete Klingbeil als „bemerkenswertes Gejaule“ und fügte an: „Das, was sie machen, ist Populismus.“ Merz wolle mehr Respekt für Besserverdiener und die oberen ein Prozent seien in seinen Augen die wahren Leistungsträger. Für die SPD könne Klingbeil sehr klar sagen: Leistung messe sich nicht am Einkommen. „Lieber Herr Merz, die Menschen in diesem Land haben Respekt verdient. Sie brauchen mehr Sicherheit, sie brauchen eine stabile Rente, sie brauchen höhere Löhne, sie brauchen eine Infrastruktur, die funktioniert, aber sie brauchen garantiert keinen Kanzlerkandidaten der Union, der auf sie herabblickt“, machte der SPD-Vorsitzende deutlich.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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