Inland

Fall Pham Phi Son: Was Hamburg besser macht als Sachsen

Der Vietnamese Pham Phi Son und seine Familie sollen abgeschoben werden – jedoch: Er lebt seit über 30 Jahren hier. Der sächsische SPD-Politiker Frank Richter kritisiert die Ausländerbehörde und richtet klare Worte an die Härtefallkommission.
von Sebastian Thomas · 30. Mai 2023
Er wird voerst weiter geduldet, seine Familie soll gehen: Der Vietnamese Pham Phi Son (l.) mit seiner Frau Hoa Nguyen und seiner 2017 in Deutschland geborenen Tochter Emilia.
Er wird voerst weiter geduldet, seine Familie soll gehen: Der Vietnamese Pham Phi Son (l.) mit seiner Frau Hoa Nguyen und seiner 2017 in Deutschland geborenen Tochter Emilia.

Seit 36 Jahren lebt Pham Phi Son in Deutschland. Er kommt als vietnamesischer Vertragsarbeiter in die DDR. Nach dem Fall der Mauer bleibt er – auch nach der Wende. In Deutschland hat er verschiedene Jobs, ist auch kurz einmal arbeitslos und wird nie straffällig. Aktuell gehen er und seine Frau einem Beruf nach. Pham Phi Son führt ein unscheinbares Leben – bis 2017, dann passiert etwas, was diese Situation ändert: Die Chemnitzer Ausländerbehörde entzieht ihm seine dauerhafte Niederlassungserlaubnis.

Frau und Kind sollen ausreisen

Der Grund: Davor verreist Pham Phi Son nach Vietnam und überschreitet die dabei für ihn gültige Sechs-Monats-Frist für Auslandsaufenthalte um vier Monate. Laut eigener Aussage des 65-Jährigen war der Grund ein Aufenthalt im Krankenhaus. Seit diesem Vorfall drohen ihm, seiner Frau Hoa Nguyen und ihrer 2017 in Deutschland geborenen Tochter Emilia die Abschiebung.

Dreimal scheitert die Familie mit einem Antrag an die Härtefallkommission – zweimal folgt eine Ablehnung. Beim dritten Mal sieht der Vorsitzende und CDU-Politiker Geert Mackenroth keine neuen Fakten und lehnt ab. Nun wird die Lage der Familie immer dramatischer: Während die Chemnitzer Ausländerbehörde dem heute 65-Jährigen die Duldung verlängert, verweigert sie diese seiner Frau und Tochter.

Beiden legt die Behörde die Ausreise nahe. Ansonsten drohe ihre Abschiebung. Laut Medienberichten bestätigt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat die momentane Sachlage. Die Ausländerbehörde würdige mit der Duldung die lange Aufenthaltszeit, spreche der Familie aber die Familieneigenschaft ab, sagt er. Er weist darauf hin, dass der Entscheidung ein „überholtes Familienbild“ zugrunde liege.

Pham Phi Son führt in Deutschland unbescholtenes Leben

Pham Phi Son und seine Frau Hoa Nguyen hätten in Vietnam nach einem traditionellen Ritual eine Ehe geschlossen, jedoch nicht standesamtlich. Deshalb erkennt die Behörde die Hochzeit nicht an. Angesprochen auf die Frage, was dagegen spreche, Pham Phi Son einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu geben, antwortet der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter: „Erstens, er ist länger in Vietnam geblieben, als er durfte.“

Die Erlaubnis dafür habe er sich von der deutschen Botschaft in Hanoi nicht schriftlich geben lassen. Zweitens sei er aus Angst vor einer Abschiebung untergetaucht. Für ihn spreche hingegen, dass er von 1987 über 1990 bis 2016 „völlig unbescholten, erst in der DDR und dann in der Bundesrepublik gelebt und gearbeitet hat, eine Niederlassungserlaubnis hatte und Steuern gezahlt hat“.

Das habe er über drei Jahrzehnte getan, „das ist ein halbes Menschenleben“. Er habe sich in dieser Zeit nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen und sich in Deutschland bestens integriert. Weiterhin spreche für ein Bleiberecht: „Pham Phi Son und seine Frau haben eine Arbeitserlaubnis, beide gehen auch arbeiten, das heißt die Familie kann für sich selbst sorgen“, erklärt Frank Richter.

Härtefallkommission erkennt humanitären Härtefall nicht

Außerdem gehe die gemeinsame Tochter in die Kita und soll bald in die Schule kommen. Phams Situation sei als humanitärer Härtefall zu identifizieren. Das ist die Hauptkritik von Frank Richter: „Die Härtefallkommission, die es genau für so eine Sachlage gibt, weil man manche Fälle eben nicht ausschließlich juristisch beurteilen, sondern die humanitären Umstände berücksichtigen muss, erkennt nicht, dass es sich um einen humanitären Härtefall handelt.“

Wenn sie das nicht schaffe, „brauchen wir eigentlich keine Härtefallkommission“, kritisiert der SPD-Abgeordnete. Auch an dem Vorgehen der Chemnitzer Ausländerbehörde übt Richter Kritik: „Sie hat meiner Meinung nach nicht nur eine kontrollierende, sondern auch eine beratende Funktion“, erklärt der sächsische SPD-Politiker. In der Gesamtbetrachtung des Falls hätte die Behörde Pham Phi Son darauf aufmerksam machen können, „doch mal ein Bleiberecht aufgrund guter Integration, also Paragraph 25 Aufenthaltsgesetz, zu beantragen“.

Generell fungierten die sächsischen Ausländerbehörden jedoch oft gar nicht als beratende Ämter, „sondern ausschließlich als Kontroll- und Abschiebebehörden“, sagt Frank Richter. Besser machte es in seinen Augen der derzeitige SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, als dieser noch Hamburgs Erster Bürgermeister war. Er habe nämlich zu seiner Zeit alle Ausländer*innen anschreiben lassen, die schon acht Jahre in der Hansestadt leben, verbunden mit der Frage, ob sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wollen.

Hamburg macht es besser

Voraussetzung sei natürlich, dass sie gut integriert seien und keine Straftaten vorweisen. „Dort ist die Hamburger Stadtverwaltung proaktiv auf die Ausländer*innen zugegangen.“ Das sei in Sachsen anders: Er kenne mittlerweile die Ausländerbehörden in Dresden und Chemnitz. „Sie verstehen sich nicht als beratend oder unterstützend.“

Gefragt, wo die Gründe für diese Haltung liegen, vermutet der SPD-Politiker, dass selbst Behördenmitarbeiter*innen mit dem „Gesetzesdickicht“ nicht gänzlich zurechtkämen. Weiterhin fehlten den verantwortlichen Ämtern eine gewisse Zahl an Mitarbeiter*innen mit einem Migrationshintergrund. Zuletzt: „Sicherlich gibt es auch unter den Behördenmitarbeiter*innen einen Prozentsatz, der ausländerfeindliche oder zumindest kritische Einstellungen aufweist“, vermutet Frank Richter.

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