Designierter Bundespräsident Steinmeier: „Lasst uns mutig sein!“
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Wäre es nach Brun-Otto Bryde gegangen, wäre dieser Sonntag ganz anders verlaufen. „Ich war traurig als Frank-Walter Steinmeier in die Politik gegangen ist, weil ich ihn eher in der Wissenschaft gesehen habe.“ So erzählte es der ehemalige Verfassungsrichter, der in den 80er Jahren Steimeiers Doktorarbeit in der Universität Gießen als Zweitgutachter betreut hatte, beim Empfang von SPD und SPD-Bundestagsfraktion am Vorabend der Bundesversammlung.
931 Stimmen für Frank-Walter Steinmeier
Doch Steinmeier entschied sich bekanntlich anders und so brandet am Sonntag um 14:21 Uhr lauter Jubel im Reichstagsgebäude auf als das Ergebnis des ersten Wahlgangs der 16. Bundesversammlung bekannt gegeben wird. 931 der 1253 anwesenden Wahlleute haben Frank-Walter Steinmeier ihre Stimme gegeben und ihn so zum 12. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Der Kandidat der Linkspartei, Christoph Butterwegge, erhielt 128 Stimmen, AfD-Kandidat Albrecht Glaser 42, der von den Freien Wählern ins Rennen geschickte Alexander Holt 25 und der Kandidat von Piratenpartei und „Die Partei“ Engelbert Sonneborn zehn Stimmen. 103 Delegierte enthielten sich, 14 Stimmen waren ungültig.
Zu den ersten Gratulanten gehört Noch-Bundespräsident Joachim Gauck, während sich Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender und Gaucks Lebensfährrin Daniela Schadt auf der Besuchertribüne herzlich umarmen. Kurz darauf tritt Frank-Walter Steinmeier zu seiner ersten Ansprache ans Rednerpult. „Ihre Wahl erfüllt mich mit großer Freunde“, sagt der designierte Bundespräsident. „Der große Respekt vor dem Amt bleibt.“ Steinmeier dankt Joachim Gauck („Sie haben dem Amt und dem Land gut getan.“) und verspricht denen, „die mich nicht unterstützt haben“, er werde dafür arbeiten, „auch Ihr Vertrauen zu gewinnen“. Dann erzählt Steinmeier von einer jungen Tunesierin, die er auf einer Reise als Bundesaußenminister getroffen hat. „Ihr Deutschen macht mir Mut“, habe diese zu ihm gesagt. „Ist es nicht wunderbar, dass unser Land für viele in der Welt ein Anker der Hoffnung geworden ist?“, fragt Steinmeier.
„Wenn wir anderen Mut machen wollen, brauchen wir selbst welchen.“
„Wir machen anderen Mut, nicht weil bei uns alles gut ist, sondern weil wir gezeigt haben, dass es besser werden kann“, sagt der ehemalige Außenminister und fordert: „Wenn wir anderen Mut machen wollen, brauchen wir selbst welchen.“ Das Fundament der Gesellschaft sei nicht unverwundbar, aber stark. „Lasst uns mutig sein“, fordert Steinmeier, „dann ist mir um unsere Zukunft nicht bange“.
„Frank-Walter Steinmeier ist ein Mann, der die Sorgen der Menschen kennt und auf sie zugehen kann“, lobt Bundeskanzlerin Angela Merkel kurz darauf. Deutschland erlebe schwierige Zeiten. „Ich traue Frank-Walter Steinmeier zu, dass er unser Land gut durch diese Zeiten begleiten wird.“ Von einem „stolzen Tag für die Bundesrepublik Deutschland und die Demokratie“ spricht der designierte SPD-Vorsitzende Martin Schulz. Steinmeiers wichtigste Botschaft werde sein, „dass unsere Gesellschaft zusammenstehen und Respekt voreinander haben muss“.
Frank-Walter Steinmeier, der „Anti-Trump“
Schon vor der Wahl hatte Noch-SPD-Chef Sigmar Gabriel erneut CDU und CSU dafür gedankt, dass sie Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten ins Rennen geschickt hatten. „Dass CDU und CSU akzeptiert haben, dass es keinen besseren Kandidaten als Frank-Walter Steinmeier gegeben hat, ist ein großartiges Zeugnis für die Demokratie“, sagte Gabriel. Auch auf die Unterstützung der FDP und der Grünen konnte Steinmeier zählen. „Seine klare Kante gegen Hass und Hetze haben überzeugt“, sagte Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Grünen-Wahlfrau Olivia Jones bezeichnete Steinmeier als „Anti-Trump“ und zeigte sich sicher, er werde „dem Amt eine eigene Farbe geben“.
„Die Aufgabe des Bundespräsidenten ist nicht leichter geworden, aber umso bedeutender“, hatte zuvor Bundestagspräsident Norbert Lammert betont. Nach 2009, 2010 und 2012 war dies bereits die vierte Bundesversammlung, die Lammert leitete. Ohne Donald Trump oder die AfD zu erwähnen, sprach er sie doch direkt an. „ Wer ‚Wir zuerst‘ zum Programm erhebt, darf sich nicht wundern, wenn es ihm andere gleichtun – mit allen fatalen Nebenwirkungen für die internationalen Beziehungen, die uns aus dem 20. Jahrhundert bekannt sind.“ Für diese Worte bekam Lammert stehend Applaus vom Großteil der Bundesversammlung. Nur in den hinteren Reihen der CDU/CSU und bei der AfD blieben sie sitzen.
Amtsübernahme am 19. März
Frank-Walter Steinmeier wird die Amtsgeschäfte von Joachim Gauck am 19. März übernehmen. Bis dahin wolle er von seinem alten Leben Abschied nehmen. Dass die Wahl auch für seine Frau Elke Büdenbender deutliche Veränderungen mit sich bringen wird, hatte Steinmeier bereits am Samstagabend beim SPD-Empfang betont: „Einer wird gewählt, vom anderen wird erwartet, dass er viel aufgibt.“ Er habe seiner Frau zu Beginn jedes neuen beruflichen Abschnnitts versprochen, dass ihr Leben jetzt ruhiger werde – „diesmal auch“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.