Bayern: Worauf die SPD bei der Landtagswahl setzt
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Für Starkbier ist es an diesem Tag bei 35 Grad Außentemperatur und gefühlten 60 im Saal definitiv zu warm. Deswegen sagt auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in seinem Grußwort sicherheitshalber vorneweg: „Ich kann Sie beruhigen. Es wird heute weder ein Singspiel noch eine Fastenpredigt geben. Es soll um Sie gehen!“
Denn im Paulaner-Brauhaus auf dem Nockherberg in München, wo sich die Politik einmal im Jahr zum Starkbieranstich versammelt, hat die bayerische SPD Ende August zum Bürgerdialog mit ihrem Spitzenkandidaten Florian von Brunn und Bundeskanzler Olaf Scholz geladen. Beide kommen in den Farben des Freistaats in den Saal: weißes Hemd, dunkelblaue Hose, kein Sakko – wäre wohl auch zu warm.
„Ich möchte, dass gebaut und nicht spekuliert wird.“
Im Wahlkampf setzt von Brunn bewusst auf den Schulterschluss mit dem Kanzler. Schon eine Woche zuvor sprach Scholz zum Wahlkampfauftakt auf dem Marienplatz in München, ein dritter Auftritt des Kanzlers fand in Nürnberg statt. Die beiden sind sich bei vielen Themen einig, zum Beispiel dass es mehr Anstrengungen beim Wohnungsbau braucht. Denn bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist nicht nur in der Millionenstadt München inzwischen ein massives Problem.
Von Brunn ist in der mehr als 1,5 Millionen Einwohner*innen zählenden Landeshauptstadt aufgewachsen. Hier lebt er immer noch im Stadtteil Sendling und kennt die lokalen Probleme, wie etwa das „Sendlinger Loch“, eine vor drei Jahren ausgehobene Baugrube, bei der genauso lange schon nichts passiert. Deswegen fordert von Brunn: „Ich möchte, dass gebaut und nicht spekuliert wird.“ Er verspricht, in Regierungsverantwortung eine Baulandsteuer einführen zu wollen.
Starke Kampagne: Bayern braucht von Brunn
Seit 2021 ist er gemeinsam mit Ronja Endres Landesvorsitzender der Bayern-SPD. Im selben Jahr übernahm er den Fraktionsvorsitz im bayerischen Landtag. Nun geht der frühere IT-Berater zum ersten Mal als Spitzenkandidat seiner Partei in eine Wahl. Von Brunn wehrt sich gegen den Vorwurf eines Bürgers, die SPD sei landesweit zu wenig präsent. „Ich finde, dass wir ziemlich viel machen. Wir sind mit einer starken Kampagne auf der Straße“, sagt er und fügt an: „Es ist schön, wenn Menschen sagen, sie wollen mehr von der BayernSPD hören. Das werden sie in den kommenden Wochen.“
Die Ausgangslage ist nicht einfach. Dennoch haben sich die bayerische Sozialdemokratie und ihr Spitzenkandidat viel vorgenommen, die Werbeagentur engagiert, mit der die SPD schon im Bundestagswahlkampf erfolgreich war. „Bayern braucht von Brunn“, hat diese getitelt. Der SPD-Spitzenkandidat selbst hat einen ambitionierten Fünf-Punkte-Plan vorgestellt, um Bayern voranzubringen. Den Ausbau Erneuerbarer Energien will er beschleunigen, einen Industriestrompreis einführen und eine eigene bayerische Batterieindustrie aufbauen, um Abhängigkeiten zu reduzieren.
Konsequentes Nachfragen: Söder inhaltlich stellen
Zu diesem Zweck besucht von Brunn Mitte August gemeinsam mit dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil das Fraunhofer-Forschungs- und Entwicklungszentrum für Elektromobilität in Bayern in Würzburg, wo an effizienteren Batterien geforscht wird. Der SPD-Spitzenkandidat hört aufmerksam zu, hakt an einer Stelle mit einem Lächeln nach: „Ich bin ja nur ein Geisteswissenschaftler. Deswegen habe ich noch eine Frage.“ Auch Ministerpräsident Söder, der in den vergangenen zwei Jahren nur zehn von 50 Landtagssitzungen besucht hat, will die SPD in inhaltliche Debatten zwingen, sagt von Brunn bei einem Pressegespräch und zeigt sich vorsichtig optimistisch, was den Wahlausgang angeht. „Als Ronja Endres und ich den Vorsitz der bayerischen SPD übernommen haben, standen wir noch bei sieben Prozent“, sagt er. Insofern gebe es einen leichten Aufwärtstrend, der sich aus seiner Sicht bis zum 8. Oktober weiter verstärken werde.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo