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Arzneimittelknappheit: Kann Karl Lauterbachs Gesetz das Problem lösen?

In Deutschland herrscht ein Mangel an verschiedenen Kindermedikamenten. Karl Lauterbach will Lieferengpässe bei Arzneimitteln bekämpfen. Was kann sein Gesetz leisten - und was nicht?
von Sebastian Thomas · 10. Mai 2023
Lieferschwierigkeiten: Kinderarzneimittel werden in Deutschland knapp. Vergangenes Jahr bereits Mangelware: der Fiebersaft für Kinder.
Lieferschwierigkeiten: Kinderarzneimittel werden in Deutschland knapp. Vergangenes Jahr bereits Mangelware: der Fiebersaft für Kinder.

Der Bundesgesundheitsminister hat ein Gesetz in den Bundestag eingebracht, was die Lieferengpässe bei Arzneimitteln beseitigen soll: Wird es die Probleme bei der Medikamentenlieferung lösen?

Nein, das Gesetz wird die Probleme bei der Versorgung mit Arzneimitteln nicht in Gänze lösen können. Das liegt daran, dass die Gründe für Arzneimittellieferengpässe sehr komplex sind und wir globale Trends und Ereignisse politisch nur begrenzt Einfluss nehmen können.

Gibt es dafür Beispiele?

Wir sehen, dass sich mit der steigenden Komplexität der globalen Lieferketten im Arzneimittelsektor gleichzeitig die Fehleranfälligkeit und damit auch das Risiko von Produktionsausfällen erhöht. In diesem Zusammenhang führen zum Beispiel Just-in-Time Lieferketten dazu, dass die Hersteller auf Nachfragespitzen schlechter reagieren können, da die Produktion nicht ohne weiteres ausgeweitet werden kann.

Weiterhin erleben wir seit einigen Jahren eine sehr starke Konzentration des Marktes auf einige wenige Wirkstoffhersteller. Das erhöht die Anfälligkeit für Arzneimittelengpässe, da bei einem Produktionsausfall die fehlenden Kapazitäten nicht durch andere Hersteller ausgeglichen werden können. Verschärfend kommt hinzu, dass die geringe Zahl an Herstellern ihre zur Produktion notwendigen Ressourcen häufig vom selben Lieferanten beziehen.

Gleichzeitig hat die Anwendung der europäischen Richtlinien zur Produktion von Wirkstoffen in der Vergangenheit dazu geführt, dass, wenn eben jene Richtlinien nicht eingehalten wurden, es in anderen Ländern zu Lieferengpässen gekommen ist. Weitere Probleme sind, dass schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Produktion und den Verkauf von bestimmten Wirkstoffen in der Einstellung der Produktion resultieren können, was zu einer Verringerung der Herstelleranzahl führt und damit zu einem höheren Risiko für Lieferengpässe.

Weiterhin beobachten wir, dass der Parallelhandel zur Konzentration von Arzneimitteln in wirtschaftlich attraktive Märkte führt. Die Konzernstrukturen großer global präsenter pharmazeutischer Unternehmen führt zusätzlich zur internen Beschränkung von Arzneimitteln, da die Abgabe eines Großteils des vorhandenen Arzneimittels an den wirtschaftlich attraktivsten Markt erfolgt.

Das Gesetz kann somit nicht alle Probleme lösen, die mit Lieferengpässen zusammenhängen. Für welchen Zweck ist es stattdessen gedacht?

Das Gesetz zielt ehrlich gesagt auf den Erhalt des Status quo ab, indem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Hersteller verbessert und weitere Marktrückzüge vermieden werden. Dass dieses Geld in die Diversifizierung von Lieferketten fließt, halten wir für äußerst unrealistisch. Warum auch? Es ist nicht an Konditionen geknüpft. Ebenfalls unrealistisch ist, dass sich Unternehmen aufgrund der nun höheren Erstattungsbeträge dazu entschließen ihre eingestellte Produktion wieder hochzufahren.

Kleine Analogie: Man würde auch die Textilindustrie nicht wieder aus Indien zurückholen, wenn man den Mindestpreis eines T-Shirts auf zwölf Euro festsetzt. Hoffnungen setzen wir in den Bereich des Monitorings, der Früherkennung und der Meldepflichten. Das Gesetz kann hier einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Gegenmaßnahmen schneller und zielgerichteter implementiert werden können.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz meint, das Problem reiche weit über die Lieferung von Kinderarznei hinaus und betreffe unter anderem auch Medikamente für chronisch Kranke.

Die Stiftung hat natürlich recht. Das vorliegende Gesetz adressiert aber auch diesen Bereich durch dezidierte Regelungen für alle Generika (Läuft ein Patentschutz für ein Originalpräparat ab, können Nachahmerprodukte, sogenannte Generika, auf den Markt gebracht werden, Anm. d. Red.). Zahl und Gebiet der Lieferengpässe können übrigens beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eingesehen werden.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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