AfD-Urteil zu Ausschuss-Vorsitzenden: So argumentieren die Richter
Die AfD ist mit zwei Klagen in Karlsruhe gescheitert: Die Richter entschieden, dass sie keinen Anspruch auf Spitzenposten in den Bundestags-Ausschüssen hat. Dabei verwiesen sie auf das Grundgesetz.
IMAGO / dts Nachrichtenagentur
Die beiden AfD-Politiker Stephan Brandner (links) und Tino Chrupalla: Brandners Abwahl als Vorsitzender des Rechtsausschusses war laut Karlsruhe rechtens.
Die Bundestagsfraktion der AfD hat keinen Anspruch auf drei Ausschuss-Vorsitze im Bundestag. Das Bundesverfassungsgericht hat an diesem Mittwoch eine entsprechende Organklage der Fraktion abgelehnt. Auch die Abwahl des AfD-Politikers Stephan Brandner als Vorsitzender des Bundestags-Rechtssausschusses wurde von Karlsruhe nicht beanstandet.
Die AfD sitzt seit 2017 im Bundestag. Während der großen Koalition von 2017 bis 2021 war sie sogar größte Oppositionspartei. Nach den geltenden Proporzregeln durfte die AfD damals die Vorsitzenden der drei Bundestagsausschüsse für Haushalt, Recht und Tourismus vorschlagen.
Vorsitzender des Rechtsausschuss wurde damals der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, der aber schon 2019 wieder abgewählt wurde, nachdem er immer wieder durch anstößige Äußerungen aufgefallen war. So hatte er nach dem Anschlag auf die Synagoge von Halle 2019 einen Tweet verbreitet, der sich mokierte, dass Politiker nun in Synagogen „herumlungern", obwohl der Attentäter nach dem gescheiterten Anschlag noch zwei „Deutsche" erschossen habe.
Vorsitzende werden im Grundgesetz nicht erwähnt
In der aktuellen Wahlperiode standen der AfD nach ihrem Stimmanteil wieder drei von 27 Ausschuss-Vorsitzen zu. Konkret durfte sie die Vorsitzenden der Auschüsse für Innenpolitik, Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit vorschlagen. Allerdings wurden ihre Kandidat*innen allesamt nicht gewählt. Die drei Ausschüsse haben bis heute keine Vorsitzenden, sondern werden von Stellvertreter*innen aus anderen Fraktionen organisiert.
Gegen diese Blockade erhob die AfD Organklage und berief sich auf ihr Recht auf Gleichbehandlung. In der Geschäftsordnung des Bundestags heiße es ausdrücklich, dass die Ausschussvorsitze „im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen" verteilt werden.
Das Bundesverfassungsgericht lehnte die AfD-Klage nun jedoch einstimmig ab. Ausschussvorsitzende seien im Grundgesetz nicht erwähnt. Wie sie bestimmt werden, könne der Bundestag in seiner Geschäftsordnung daher autonom regeln. Anders als bei der Besetzung der Ausschüsse, die die Gesetzgebung vorbereiten und daher entsprechend dem Wahlergebnis zusammengesetzt sein müssen, gebe es für die Ausschussvorsitze keine verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Sowohl Wahl als auch Abwahl von Vorsitz möglich
Das Bundesverfassungsgericht will zwar kontrollieren, ob der Bundestag seine Geschäftsordnung „fair und loyal" auslegt und anwendet. Der Ausschuss-Vorsitz, der die Sitzungen vorbereitet und leitet, habe jedoch vor allem organisatorische Bedeutung. Hier wollen die Richter*innen nur kontrollieren, ob sich der Bundestag „evident sachwidrig", also „willkürlich" verhält – was Karlsruhe hier verneinte.
Es sei durchaus „vertretbar" die Ausschussvorsitzenden zu wählen, auch wenn der in der Geschäftsordnung vorgesehene Proporz dann nicht zustandekommt. Schließlich heiße es in der Geschäftsordnung auch, die Ausschüsse „bestimmen" ihre Vorsitzenden selbst. Dass die Vorschläge der Fraktionen jahrzehntelang fast immer im Konsens abgenickt wurden, ändere daran nichts. Auch früher sei vereinzelt gewählt worden, so die Richter*innen. Bei einer freien Wahl könne die AfD jedenfalls nicht verlangen, dass ihre Vorschläge eine Mehrheit finden.
Erfolglos war auch die AfD-Klage gegen die Abwahl von Stephan Brandner als Vorsitzendem des Rechtsausschusses. Die AfD hatte sich darauf berufen, dass eine Abwahl in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen sei. Die Bundestags-Mehrheit hatte jedoch argumentiert, dass nach einer Wahl auch eine Abwahl möglich sein müsse. Auch diese Auslegung der Geschäftsordnung hielt das Bundesverfassungsgericht für „vertretbar".
„Mehrheiten können sich aber auch ändern"
Noch im Gerichtssaal sprach AfD-Mann Brandner von einem schwarzen Tag für den Parlamentarismus und Oppositionsrechte. Die Mehrheit könne einen Auschussvorsitzenden der Opposition jetzt jederzeit und ohne jede Begründung einfach abwählen. „Mehrheiten können sich aber auch ändern", fügte Brandner hinzu.
Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion, freute sich dagegen über das Urteil: „Jetzt ist klar, dass wir Hetzer und unqualifizierte Personen von wichtigen Posten fernhalten können."
Schon 2022 war die AfD in Karlsruhe mit einer ähnlichen Klage gescheitert. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die AfD keinen Anspruch auf einen Vizepräsdenten des Bundestags hat. Die anderen Fraktionen seien nicht verpflichtet, Kandidat*innen der AfD zu wählen, hieß es damals.
Das Karlsruher Urteil hat keine direkten Auswirkungen auf die bevorstehende Wahl von Ausschussvorsitzenden in den frisch gewählten Landtagen von Thüringen und Sachsen. Dort gelten die jeweiligen Landesverfassungen und Geschäftsordnungen, im Streitfall muss das jeweilige Landesverfassungsgericht entscheiden
wunderbare, unsere Verfassungsrichter, auf die ist
Verlass. Mag die AfD die absolute Mehrheit anstreben, solange sie diese nicht erreicht, ist alles in Butter, wie man sagen könnte. Und die absolute Mehrheit, die ist ja nun wirklich noch weit entfernt. Einstweilen gilt es wachsam zu bleiben, und bei Annäherung an die entsprechende Mehrheit rechtzeitig zu agieren, damit die AfD- Abgeordneten weiterhin "stillgelegt" bleiben