10-Punkte-Plan: Wie die SPD die Wirtschaft stärken will
Mit einem 10-Punkte-Plan will die SPD die schwächelnde deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen. Parteichef Klingbeil sieht ihn als „Gesprächsangebot“ an andere Parteien. Die CDU kritisiert er scharf.
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„Wir wollen weitere Schritte gehen.“ SPD-Lars Klingbeil stellt den 10-Punkte-Plan zur Stärkung der Wirtschaft vor.
Es sah schon mal besser aus für die deutsche Wirtschaft. Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr bereits von 1,2 auf 0,3 Prozent reduziert. Auch die der Sachverständigenrat, die so genannten Wirtschaftsweisen, haben bereits angekündigt, ihre Vorhersage nach unten zu korrigieren. „Die Rahmenbedingungen sind schlecht“, hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Wirtschaftskonferenz des SPD-Wirtschaftsforums erst in der vergangenen Woche an die durch den russischen Krieg in der Ukraine deutlich gestiegenen Energiepreise und die gestiegenen Ausgaben für Deutschlands Verteidigung erinnert.
Mehr Investitionen für mehr wirtschaftliche Stärke
Die SPD will nun mit einem 10-Punkte-Plan wieder in die wirtschaftspolitische Offensive kommen. „Es ist sehr viel in dieser Regierung passiert“, erinnert Parteichef Lars Klingbeil am Samstag als er das Papier der Presse vorstellt, „aber wir wollen weitere Schritte gehen“. So könnte sich nach Vorstellung der SPD der Staat stärker an den Kosten für den Ausbau von Energienetzen beteiligen. „Der Ausbau der Netze darf nicht zu einer Überforderung der Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen führen“, heißt es in dem Papier, das der SPD-Parteivorstand bei seiner Klausur Samstag einstimmig beschlossen hat.
Überhaupt Investitionen: „Die Investitionen in Verkehrswege, Schulen, Universitäten, Berufsbildungseinrichtungen, Netze und eine digitale öffentliche Verwaltung müssen weitergehen“, fordert die SPD. Besonders in den Bau bezahlbarer und klimagerechter Wohnungen müsse mehr investiert werden. „Eine Privatisierung öffentlicher Infrastruktur und Daseinsvorsorge“ schließen die Sozialdemokrat*innen dabei aus. „Wir brauche mehr Investitionen in die wirtschaftliche Stärke unseres Landes“, bringt es Lars Klingbeil am Samstag auf den Punkt. Das sei auch wichtig, um Unternehmen in Deutschland zu halten und Zukunftstechnologien neu anzusiedeln.
Konzentration auf die „arbeitende Mitte“ der Gesellschaft
Dass all das mit den bestehenden Regelungen der Schuldenbremse schwierig werden dürfte, ist dem SPD-Chef dabei klar. Auch am Samstag spricht sich Klingbeil deshalb für eine Reform der Schuldenbremse aus. Eine parteiinterne Arbeitsgruppe tüftelt gerade an einem Reform-Konzept. In ihrem 10-Punkte-Plan erneuern die Sozialdemokrat*innen ihre Forderung vom Parteitag aus dem Dezember. „Starre Begrenzungen der Kreditaufnahme von Bund und Ländern lehnen wir ab, sie verhindern Investitionen und beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit des Staates“, heißt es in dem Papier.
Es richtet sich auch an die „arbeitende Mitte“ der Gesellschaft, wie Klingbeil betont, also diejenigen, „die den Laden am Laufen halten“. Im Beschluss verspricht die SPD deshalb: „Wir machen uns dafür stark, dass der Mindestlohn stärker steigen kann und dass Tarifbindung gestärkt wird.“ Die gerade auf den Weg gebrachte Rentenreform werde die Renten stabilisieren. All das sorge für „mehr Sicherheit für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner.“ Die im Koalitionsvertrag bereits vorgesehene Reform der Einkommenssteuer werde zudem „95 Prozent der Steuerzahlen“ entlasten. Sie soll nun zügig kommen.
Deutliche Kritik an den Vorschlägen der CDU
Doch auch wenn das Vorhaben bereits im Koalitionsvertrag der Ampel verankert ist, könnte die Umsetzung mit der FDP schwierig werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Steuersenkungen bereits mehrfach abgelehnt. Lars Klingbeil zeigte sich am Samstag dennoch optimistisch, die SPD-Vorschläge in der Ampel umsetzen zu können. „Was wir wann wie umsetzen, müssen wir jetzt verhandeln“, sagte der SPD-Chef und schob hinterher: „Wenn es nach uns geht, sofort.“
Einen klaren Gegensatz sieht Klingbeil währenddessen zur CDU, die jüngst Vorschläge für eine „neue Grundsicherung“ gemacht hatten. „Die Union spielt arbeitende Menschen gegen Menschen aus, denen es im Moment nicht so gut geht“, kritisierte Klingbeil. „Wir müssen andere Debatten führen als Angriffe auf den Sozialstaat.“ CDU und CSU falle „nichts anderes ein als Angriffe auf den Sozialstaat. Das ist nicht unser Kurs.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
„Die ´arbeitende Mitte´ der Gesellschaft“
„Die Rahmenbedingungen sind schlecht“, denn wir haben „die durch den russischen Krieg in der Ukraine deutlich gestiegenen Energiepreise und die gestiegenen Ausgaben für Deutschlands Verteidigung“ zu stemmen. Die hohen Energiepreise wollen und können viele Unternehmen nicht auf ihre Preise abwälzen.
Es geht aber nicht nur um die hohen Energiepreise, sondern um den dadurch verursachten allgemeinen Preisanstieg, Inflation genannt. Wenn 2022 die Inflation 6,9% betrug, bedeutet das, dass unser Lebensstandard im Durchschnitt um 6,9% gesunken ist, falls der Einzelne keine Einkommenserhöhung erzielen oder Erspartes ausgeben konnte. (Über die deutlich andere, schlechtere Situation der Mitbürger, die ihr Einkommen nahezu komplett für Lebensmittel ausgeben müssen, wurde hier schon öfter gesprochen.) 2022 machte die Inflation 250 Mrd. € aus, „die ´arbeitende Mitte´ der Gesellschaft“ musste somit (im Grundsatz, wenn also keine Kompensation möglich,) auf Lebenshaltung von 250 Mrd. € verzichten. Nehmen wir an, nur die Hälfte des Preisanstiegs ist unserem auf den Krieg folgenden Sanktionsregime zuzurechnen, dann bleibt immerhin noch eine Verarmung von 125 Mrd. € übrig – und die wird real bleiben, solange wir keinen preisgleichen Ersatz für das günstige russische Gas und Öl finden. Und das sind nur die Folgen des Wirtschaftskrieges mit der Russischen Föderation; die Kosten unserer militärischen und humanen Hilfe für die Ukraine, die, fasst man auch deren Wiederaufbau ins Auge, uns sicher 20 Jahre belasten werden, sind dabei noch gar nicht eingepreist. (Die Kosten für die ganze Welt lassen wir mal außer acht.)
Wir können diese Belastungen der Lebenshaltung unserer Bevölkerung nur durch Wachstum überwinden oder eben durch Verzicht auf Lebensqualität. Letzteres verschweigt der „10-Punkte-Plan“, ersteres will er durch „Wirtschaft stärken“ erreichen, also z. B. „die Investitionen in Verkehrswege, Schulen, Universitäten, Berufsbildungseinrichtungen, Netze und eine digitale öffentliche Verwaltung“ anregen oder weiterführen. (Ich muss nicht wiederholen, was der Artikel aufzählt.) Generell gilt für die Maßnahmen des SPD-Planes, dass sie, wie immer, ihre Unterstützung mit der Gießkanne verteilen, wie exemplarisch bei der „Rentenreform“ und der „vorgesehene Reform der Einkommenssteuer“ angegeben.
Wichtig ist dem SPD-Plan die „Konzentration auf die ´arbeitende Mitte´ der Gesellschaft, ... die den Laden am Laufen hält“. Die „hart arbeitende Mitte“ war schon 2017 die zentrale Botschaft der SPD, das Ergebnis waren gerade mal 20% Stimmen bei der Bundestagswahl. Derzeit hält die „arbeitende Mitte“ noch etwa zu 16% zur SPD, während der CDSU fast doppelt so viel potentielle Wähler folgen wollen. Warum wendet sich die „arbeitende Mitte“ von der SPD ab?