Soziale Politik

Wie SPD-Chefin Esken für bessere Bildung in Deutschland sorgen will

In der jüngsten PISA-Studie hat Deutschland so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Auch deswegen plädiert die SPD-Vorsitzende Saskia Esken für mehr Engagement in der Bildungspolitik. Auf ihrem Bundesparteitag will die Partei am Sonntag zu diesem Thema einen Leitantrag beschließen.

von Vera Rosigkeit · 9. Dezember 2023
Saskia Esken wurde auf dem Bundesparteitag der SPD als Parteivorsitzende wiedergewählt.

Saskia Esken wurde auf dem Bundesparteitag der SPD als Parteivorsitzende wiedergewählt.

Das Ergebnis der aktuellen Pisa-Studie bescheinigt deutschen Schüler*innen sowohl im Lesen als auch in Mathematik und Naturwissenschaften die niedrigsten Werte, die jemals gemessen wurden. Sind Sie von den aktuellen Ergebnissen überrascht?

Die PISA-Ergebnisse bestätigen, was bereits die Untersuchungen des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, kurz IQB, ergeben haben. Für Grundschülerinnen und Grundschüler gab es einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Leistungen schlechter und die Basiskompetenzen nicht mehr erreicht werden. Ein Viertel dieser Kinder kann nicht mehr gut lesen, schreiben und rechnen. Bei Jugendlichen gibt es eine ähnliche Tendenz. Und sowohl die PISA-Erhebungen als auch die Untersuchungen des IQB weisen darauf hin, dass es in Deutschland einen engen Zusammenhang gibt zwischen Bildungserfolg und Elternhaus.

Saskia 
Esken, 
SPD-Vorsitzende

Das ist gut! Aber ganz klar zu wenig.

Reicht das von der SPD initiierte Startchancenprogramm, um die Defizite zu beheben?

Die Idee des Startchancenprogramms ist, gezielt die Schulen zu unterstützen, die einen hohen Anteil benachteiligter Schülerinnen und Schüler haben. Hier geht es um Armut und um die Sprache, die in den Elternhäusern gesprochen wird. Das sind zwei Nachteile, die oft zusammenkommen. Wir erreichen damit zehn Prozent der Schulen, die unterstützt werden mit besserer Ausstattung, auch an Personal. Das ist gut! Aber ganz klar zu wenig. Wir müssen mindestens die Hälfte der Schulen erreichen.

Im Leitantrag für den Bundesparteitag fordern Sie einen Deutschlandpakt Bildung und eine stärkere Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Was wird besser, wenn Bildung eine gesamtstaatliche Aufgabe wird?

Fördermaßnahmen für eine gelingende Bildung für alle Kinder müssen zielgerichteter sein und wissenschaftlich begleitet werden. Es ist Teil der Idee des Startchancenprogramms, stärker evidenzbasiert vorgehen zu können. Hier sind Absprachen zwischen Bund, Länder und Kommunen wichtig, um eine gemeinsame Zielrichtung zu erlangen und entsprechende Maßnahmen zu beschließen.

Der SPD ist wichtig, insbesondere auf den Anfang zu achten. Und der muss gelingen. Deshalb starten wir mit unserem Konzept bereits vor der Kita los mit dem Appell, dass die Frühen Hilfen alle Kinder und Eltern erreichen müssen, die Unterstützung brauchen. Und auch die Kita muss als Bildungsort wirksam werden, um Nachteile auszugleichen und die Sprachbildung zu stärken. Der Anspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule, der jetzt kommt, muss dazu genutzt werden, dass Kinder gezielt gefördert werden. Ihre Kompetenzen sollen sie am Ende der Grundschule dazu befähigen, eine weiterführende Schule mit Erfolg abzuschließen.

Sie nennen Hamburg als Vorbild. Was macht Hamburg anders?

In Hamburg wird ein starker Fokus auf die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen gerichtet. Mit Erfolg, wie die PISA-Ergebnisse zeigen. Hamburg hat sich in den letzten Jahren von einem unterdurchschnittlichen auf einen überdurchschnittlichen Platz hochgearbeitet, obwohl der Stadtstaat eine sozial stark benachteiligte Schülerschaft hat und damit auch vor besonderen Herausforderungen steht.

Saskia Esken

Wir wollen, dass jede Schülerin und jeder Schüler einen qualifizierten Abschluss erreicht.

Bedeutet eine Zielsetzung mit verbindlichen Vereinbarungen für eine gerechte Bildung, dass der Bund eine stärkere Kontrollfunktion übernimmt?

Das ist keine Frage der Kontrolle, sondern der Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Es geht um gegenseitige Unterstützung und Hilfe, um die Zielsetzung zu erreichen. Derzeit verlassen rund 50.000 Schülerinnen und Schüler jedes Jahr die Schule ohne Abschluss. Ohne Abschluss ist es fast unmöglich, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Deshalb ist unsere Forderung so wichtig: Wir wollen, dass jede Schülerin und jeder Schüler einen qualifizierten Abschluss erreicht. Es muss uns allen gemeinsam ein Anliegen sein, gerade in Zeiten des demografischen Wandels dafür zu sorgen, dass die Potenziale aller jungen Menschen gut entwickelt werden. Sie müssen befähigt werden, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dafür tragen wir gemeinsam eine Verantwortung.

Sie haben die Bedeutung der frühen Bildung in Kitas und Grundschulen schon angesprochen. Der Leitantrag legt hier einen besonderen Fokus. Einer ebenfalls aktuellen Studie zufolge fehlen in Deutschland 400.000 Kitaplätze. Wie realistisch ist ihre Forderung, dass jedes Kind ab dem 2. Geburtstag einen Kitaplatz erhält?

Man muss sich auch hier Ziele setzen. Die erwähnte Studie zeigt ja auch, dass ausgerechnet die Kinder aus benachteiligten Elternhäusern bei der Platzvergabe hinten runterfallen. So entfällt gerade hier die Förderung, die wir so dringend brauchen. Wir wollen sicherstellen, dass alle Kinder die Chance erhalten, die Kita als Bildungseinrichtung zu besuchen.
Deutschland hat bei den Frauen eine der höchsten Teilzeitquoten in ganz Europa, weil wir eine Betreuung im Ganztag nicht in der Regel anbieten. Das fällt uns auch bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten aus der Ukraine auf die Füße, unter denen ja viele Frauen mit Kindern sind. Auch hier sind fehlende Betreuungsplätze ein Hindernis.

Saskia Esken

Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam eine Fachkräfteoffensive starten.

Der Leitantrag enthält auch Vorschläge zur Finanzierung des geplanten „Bildungsaufbruchs”. Wie sehen die aus?

Das Finanzierungskonzept steht en détail im Leitantrag zur Transformation und wurde am Freitag auf unserem Bundesparteitag beschlossen. Die Vermögens- und Einkommensverteilung in Deutschland ist ungerecht. Über eine Einkommens- und eine Erbschaftssteuerreform wollen wir zu einer Umverteilung beitragen, die bei Bund und Ländern auch zu Mehreinnahmen führt. Ein guter Teil dieser Mehreinnahmen soll in den Deutschlandpakt Bildung fließen.

Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es vor allem an Personal fehlt. An Erzieherinnen und Erziehern, an Lehrkräften und weiterem pädagogischem Personal. Deshalb müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam eine Fachkräfteoffensive starten und sich überlegen, wie diese Berufe attraktiver gestaltet werden können. Auch hier kommt uns die hohe Teilzeitquote der zumeist weiblichen Beschäftigten in die Quere. Wir hätten mehr pädagogische Power in Kitas und Schulen, wenn dort ein höherer Beschäftigungsanteil ermöglicht würde.

Autor*in
Avatar
Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

Weitere interessante Rubriken entdecken

1 Kommentar

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mo., 11.12.2023 - 06:59

Permalink

weiß, was gut für die Kinder, und damit gut für unsere Zukunft ist. Da muss sehr viel mehr Geld für ausgegeben werden, denn mit mehr Geld gibt es auch mehr Bildung und dann können die Kinder lesen, was hier im VORWÄRTS steht, und anderenorts