Soziale Politik

Höheres Rentenalter? Warum die SPD und Olaf Scholz dagegen sind

Den Rentenbeginn an die Lebenserwartung koppeln und das Eintrittsalter weiter anzuheben, ist keine neue Idee. Diesmal kommt sie von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Vieles spricht dagegen. Hier einige Gründe.
von Vera Rosigkeit · 15. August 2023
Die SPD spricht sich gegen eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters aus
Die SPD spricht sich gegen eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters aus

Diesmal kommt der Vorschlag von der Ökonomin Veronika Grimm. Ihrer Meinung nach sollte das gesetzliche Renteneintrittsalter, das ab dem Jahrgang 1964 bei 67 Jahren liegt, weiter angehoben werden. Eine Formel zur Berechnung liefert sie gleich mit: „Nimmt die Lebenserwartung um ein Jahr zu, so würden zwei Drittel des zusätzlichen Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Ruhestand“, sagte die Wirtschaftsweise am Wochenende den Funke-Zeitungen.

„Neoliberale Märchen der Nullerjahre“

Aus der SPD erntet ihr Vorschlag Kritik. Frau Grimm bediene sämtliche „neoliberale Märchen der Nullerjahre“, sagt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD (AfA) Cansel Kiziltepe via X (Twitter). Ihrer Meinung nach ist das Renteneintrittsalter hoch genug. Für die Berliner Senatorin für Arbeit stellt jede Erhöhung „eine einseitige Belastung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar. Das ist ungerecht und in der derzeitigen Situation völlig unnötig.“

SPD-Sozialpolitiker Bernd Rützel hält ebenfalls nichts von dem Vorschlag. „Das ist eine Schnapsidee“, sagt er im Inforadio. Die umlagefinanzierte Rente sei das „Beste, was wir überhaupt haben“, ist er überzeugt. Das habe sich schon in der damaligen Krise 2008/2009 gezeigt, als auf dem „amerikanischen Markt plötzlich die ganzen Renten weg waren“. Gleichwohl gäbe es Herausforderungen, räumt er ein. „Die Rente ist sicher und wir müssen sie auch sicher machen“, so Rützel.

Olaf Scholz: „haben es nicht nötig“

„Für staatlich finanzierte Elfenbeinturmbewohner ist eine spätere Rente kein Problem“, kommentiert Dierk Hirschel auf X (Twitter) den Vorschlag Grimms. Der Chefökonom der Gewerkschaft ver.di begründet seine Kritik so: „Schließlich leben sie 10 Jahre länger als Kassiererinnen und Postzusteller.“ Für eine gute Rente erforderlich sind für ihn Produktivitätswachstum, steigende Löhne und hohe Erwerbstätigkeit.

Erst in der vergangenen Woche wandte sich außerdem Bundeskanzler Olaf Scholz beim KanzlerGespräch in Erfurt gegen eine weitere Erhöhung des Rentenalters. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es jetzt nicht mehr nötig haben, das Renteneintrittsalter immer weiter anzuheben", sagte er. „Wer jetzt mit 17 die Schule verlässt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Ich finde, das ist genug.“ Wenn jemand länger arbeiten wolle, solle er das tun können. „Aber nicht weil er muss, sondern weil er oder sie kann", so Scholz.

Pauschale Anhebung sozial ungerecht

Dass die Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwatung ungerecht ist, hatte Rentenexperte Florian Blank von der Hans-Böckler-Stiftung in einem vorwärts-Interview so erklärt: „Pauschal zu sagen, wir leben alle länger, also müssen auch alle länger arbeiten, geht an der Lebenswirklichkeit der Menschen vollkommen vorbei.“ Denn manchen Menschen falle es seiner Meinung nach schwer, das Rentenalter überhaupt zu erreichen. „Und wir wissen auch, dass Menschen mit hohem Einkommen eine höhere Lebenserwartung haben und daher länger ihre Rente haben als Menschen mit geringem Einkommen. Mit jedem Schritt, das Renteneintrittsalter anzuheben, verschärfen wir dieses Problem noch weiter.“

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung heißt es dazu: „Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben. Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen.“

Autor*in
Avatar
Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare