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SPD-Kandidatin Vivien Costanzo: mit Doppelpass ins EU-Parlament

Zwei Pässe, zwei Parteien, doppelte Power – die Freiburger Sozialdemokratin Vivien Costanzo brennt für Europa. Nun will die Deutsch-Italienierin ins Europaparlament. Ihre Chancen stehen gut.

von Jonas Jordan · 5. Juni 2024
Vom Breisgau nach Brüssel: Vivien Costanzo hat gute Chancen am 9. Juni für die SPD einen Sitz im Europaparlament zu gewinnen.

Vom Breisgau nach Brüssel: Vivien Costanzo hat gute Chancen am 9. Juni für die SPD einen Sitz im Europaparlament zu gewinnen.

Ein Montagnachmittag im März, die Sonne steht schon tief, aber scheint trotzdem noch warm. In Freiburg ist Frühling, in Europa dagegen eher Spätherbst – politisch gesehen. Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien gewinnen immer mehr an Einfluss. Vivien Costanzo will das ändern. Die junge Sozialdemokratin kandidiert am 9. Juni für das Europaparlament. „Wenn es vor fünf Jahren schon fünf vor zwölf war, dann haben wir jetzt zwölf. Und wenn wir das Europa, das wir kennen, behalten wollen, müssen wir jetzt dafür aufstehen und uns demokratisch engagieren“, fordert Costanzo. Zielstrebig läuft sie Richtung Uni. Zum Studium kam die an der hessischen Bergstraße geborene junge Frau mit kalabrischen Wurzeln 2014 nach Freiburg. 

Heute ist sie im Breisgau zu Hause, im Dreiländereck, wo Deutschland, Frankreich und die Schweiz aneinandergrenzen. „Europa ist für mich das, was beide Welten zusammenhält. Ich bin in Deutschland geboren, es ist mein Zuhause, aber trotzdem ist auch Italien in mir. Europa ist der Schirm, der beides zusammenhält“, sagt die 34-jährige Wirtschaftsjuristin. Deutschland und Italien, SPD und PD (Partito Democratico), zwei Pässe, zwei Parteimitgliedschaften und ein Netzwerk in zwölf europäischen Ländern. 

Zwölf Länder vereinigt

2018 hat sie die Initiative „Europe Talks“ mit jungen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gegründet. Gemeinsame Vernetzung, gemeinsamer Wahlkampf, Austausch von Ideen waren die Ziele. Vor wenigen Monaten haben sie ihr fünfjähriges Bestehen in Straßburg gefeiert, gemeinsam mit der SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley. Nun will Costanzo selbst ins Parlament. „Für mich war immer klar: Wenn, dann Europa, weil für mich diese Idee der Europäischen Union so etwas Einzigartiges ist“, sagt die Sozialdemokratin. 

Sie hat gute Chancen auf ein Mandat. Auf Platz 13 der SPD-Bundesliste kandidiert sie. Ungefähr so viel Prozent müsste die SPD holen, damit es für sie reicht. Und was kommt dann? Wohnungssuche in Brüssel? Gerangel um den Platz im Wunschausschuss? Darüber will sich Costanzo keine Gedanken machen. „Ich mache 100 Prozent Wahlkampf. Alles andere kommt nach dem 9. Juni“, sagt sie abgeklärt. Dafür hat sie Mitte April aufgehört zu arbeiten und tourt stattdessen mit einem roten Bus durch Südbaden, vom Bodensee über den Schwarzwald bis nach Kehl an die französische Grenze. Dort, wo auf der anderen Seite der Brücke über den Rhein Straßburg liegt, der Sitz des Europäischen Parlaments. „Die zerstörerischen Kräfte sind mit ihrer Propaganda sehr laut. Deswegen müssen wir gucken, dass wir jetzt aus dem Winterschlaf erwachen. Damit meine ich nicht nur die SPD, sondern die Zivilgesellschaft allgemein“, fordert sie.

Italien macht Hoffnung

Costanzo schaut nach Italien, wo nach dem Femizid an der 22-jährigen Giulia Cecchettin eine halbe Million Menschen auf die Straße ging. Dieses Engagement, diese Power beeindruckt sie. Doch im vergangenen Jahr hat sie auch gemerkt, wie anders der Blick auf Europa, auf Migration, auf wirtschaftliche Probleme im Süden Italiens ausfallen kann. Costanzo arbeitete sechs Wochen lang mobil aus Kalabrien. 

Dort spielt sich das Leben auf der Straße ab, ähnlich wie in Freiburg. Um kurz nach 18 Uhr verschwindet dort die Sonne langsam, die Betreiber des „Café Auszeit“ fahren die Markise ein, Costanzo zieht den Reißverschluss ihrer Jacke ein Stück nach oben. Sie schaut etwas nervös auf die Uhr. Denn sie erwartet prominenten Besuch. Maria Noichl, Bundesvorsitzende der SPD-Frauen und Europaabgeordnete, macht einen kurzen Abstecher aus dem eine Stunde entfernten Straßburg nach Freiburg, um im Goethe-Institut am Abend unter dem Motto „Frauenpower nach Europa“ mit der weiteren Freiburger SPD-Europakandidatin Corinna Friedrich und Costanzo zu diskutieren. 

„Wir brauchen die Vivien im Parlament“

„Wir warten schon sehnsüchtig auf sie“, sagt Noichl über Costanzos Bewerbung fürs Europaparlament. Deren Kandidatur sei nicht vom Himmel gefallen, lobt sie im Gespräch mit dem „vorwärts“. Später, als es in der Diskussion um die Durchsetzung von Frauenrechten in Europa geht, fügt sie an: „Da brauchen wir schon die Vivien im Parlament, dass es da rumpelt im Karton.“ 

Vivien Costanzo lächelt verlegen. Und doch so, als wüsste sie nun die Antwort auf die Frage, was nach dem 9. Juni kommt.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Ingo Schwarz (nicht überprüft) am Sa., 08.06.2024 - 13:27

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