SPD-Kandidat Tobias Cremer: Warum wir stolz auf Europa sein sollten
Tobias Cremer will für die SPD ins Europaparlament. Warum für ihn Herbert Grönemeyers „Bochum“ am besten zu Europa passt und wie er die EU gerechter und sicherer machen will, erklärt er im Interview.
Privat
Will von Bochum nach Europa: Tobias Cremer kandidiert für die SPD für das Europaparlament.
Was bedeutet Europa für Sie?
Europa ist für mich schlicht und ergreifend Grundlage des eigenen Lebensentwurfs. Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets und hier bedeutet Europa, zunächst einmal in Frieden und Sicherheit aufwachsen zu dürfen.
Es bedeutete für mich aber auch, dass ich dank Stipendien und einer sozialdemokratischen Bildungs- und Europapolitik als erster in meiner Familie in England und Frankreich studieren und arbeiten durfte. Bei mir ging der europäische Lebensentwurf sogar so weit, dass ich eine Engländerin geheiratet habe! (lacht)
All das hat mir gezeigt, was für eine unglaubliche Errungenschaft es ist, in einem freien, sicheren und sozialen Europa leben zu dürfen.
Tobias Cremer
Wir können stolz sein auf den Erfolg dieses einmaligen Friedens- und Solidaritätsprojekts.
Was ärgert Sie am aktuellen Zustand der EU?
Mich stört, dass wir manchmal sowohl die Errungenschaften der EU als auch ihre Mängel einfach achselzuckend hinnehmen, als ob wir damit nichts zu tun hätten. Aber es ist ja unser aller Europa. Das heißt, wir können stolz sein auf den Erfolg dieses einmaligen Friedens- und Solidaritätsprojekts.
Das heißt aber auch, dass es an uns ist, die EU fit für die Zukunft zu machen! Für mich bedeutet das: Wir müssen die EU mit einer echten Verteidigungsunion sicherer machen. Denn Sicherheit ist zwar nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles andere nichts. Darüber hinaus muss die EU gerechter werden, indem wir europaweit die Rechte von Arbeitnehmern stärken. Um dies umsetzen zu können, muss die EU aber zunächst handlungsfähiger sein. Für mich bedeutet das, die Entscheidungswege zu demokratisieren: weg von Vetos hin zu mehr Mehrheitsentscheidungen!
Tobias Cremer
Als Putin die Ukraine überfallen hat, hat er damit auch genau die europäischen Werte von Frieden, Freiheit und Solidarität angegriffen, auf denen ich und so viele in meiner Generation ihr Leben aufgebaut haben.
Warum wollen Sie ins Europaparlament?
Für mich war der entscheidende Moment der 24. Februar 2022. Als Putin die Ukraine überfallen hat, hat er damit auch genau die europäischen Werte von Frieden, Freiheit und Solidarität angegriffen, auf denen ich und so viele in meiner Generation ihr Leben aufgebaut haben. Damit war für mich klar: Ich muss auch etwas tun!
Deshalb bin ich 2022 ins Auswärtige Amt gegangen. Und aus derselben Motivation kandidiere ich jetzt für das Europäische Parlament. Denn gerade in Zeiten, in denen unsere Demokratie von innen und außen bedroht wird, müssen wir für eine positive Vision unseres Europas einstehen. Mein Europa ist sicher, gerecht und handlungsfähig! Und das lassen wir uns auch nicht wegnehmen. Weder von Autokraten in Moskau, noch von Möchtegernautokraten hier vor Ort!
Welches Lied passt am besten zu Europa?
Als Bochumer muss ich ganz klar „Bochum“ von Herbert Grönemeyer sagen. Es gibt Zeilen, die auch einen Europa-Gedanken haben: „Du hast 'n Pulsschlag aus Stahl“ und „Du bist einfach zu bescheiden. Dein Grubengold hat uns wieder hochgeholt.“ Sie symbolisieren die Verflechtung des Ruhrgebiets mit den Anfängen der europäischen Integration. Für mich fast so schön wie die „Ode an die Freude“.
Auf welche Wahlkampfaktion bist du besonders stolz?
Besonders stolz bin ich darauf, wie stark und geeint die demokratischen Kräfte nach dem grausamen Angriff auf Matthias Ecke zusammengehalten haben. Die vielen Botschaften und die Unterstützung für mich und mein Team haben mich sehr beeindruckt und mir gezeigt, worum es hier eigentlich geht. Nicht um Parteipolitik, sondern um das, was die Demokratie ausmacht.
Pizza oder Piroggen?
Pizza – ein wunderbares Beispiel für Europa. Ein gemeinsamer Boden für alle, aber beim Belag sind Vielfalt und mutige Entscheidungen genauso erwünscht – das gilt von Hawaii bis Europa.
Baltikum oder Balearen?
Das Baltikum – und zwar nicht nur, weil ich Baltikumsreferent im Auswärtigen Amt bin und es inspirierend finde, wie Litauen, Lettland und Estland 1989 auf friedliche Art und Weise den russischen Imperialismus bezwungen haben und in kurzer Zeit digitale Vorreiter in Europa geworden sind. Sondern auch, weil es einfach riesig Spaß macht, in die Start-up-Szene von Vilnius einzutauchen, das Nachtleben von Riga zu erleben oder die atemberaubende Schönheit von Tallinn zu erkunden.
Augustiner oder Aperol?
In Bochum trinken wir natürlich Moritz Fiege Pils.
Dieses Interview wurde schriftlich geführt.
Zur Serie:
In loser Folge stellt der „vorwärts“ bis zur Europawahl am 9. Juni Kandidat*innen der SPD vor. Tobias Cremer kandidiert auf Platz 14 der SPD-Bundesliste.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo