Meinung

Warum wir alle für mehr Klimaschutz verantwortlich sind

Bei Klimaschutz und Transformation wird gern die Regierung in die Pflicht genommen. Das ist auch richtig, greift aber zu kurz. Jede*r einzelne ist mit verantwortlich, damit der klimaneutrale Umbau gelingt.

von Bernd Schwarz · 30. Dezember 2023
Mit Wärmedämmung kann jede*r einen Beitrag zu weniger CO2-Ausstoß und mehr Klimaschutz leisten.

Mit Wärmedämmung kann jede*r einen Beitrag zu weniger CO2-Ausstoß und mehr Klimaschutz leisten.

In den Medien wird es meistens so dargestellt, dass die Regierung den Bürger*innen und Firmen keine zusätzlichen Belastungen und Kosten für das Transformationsprogramm oder dem Klimaschutz aufbürden will. So entsteht der Eindruck, dass die Regierung den Bürger*innen keine „Zumutungen“ zutraut. Wenn man so will, ist dies – mit Winston Churchill gesprochen – das Gegenteil einer „Blood , sweat and tears“-Rede.

Versuchen wir eine Antwort zu finden, ob der Bundeskanzler genau diese Rede halten sollte oder ob es rechtliche Grundlagen für die Zuweisung von Verantwortlichkeiten für die Investitionen zum Klimaschutz und zur Senkung der Energiepreise gibt. 

Was Daseinsvorsorge für die Gas-, Wasser- und Stromversorgung bedeutet

Zunächst ist ein Blick in die Historie der Energiewirtschaft in Deutschland hilfreich. Für den Faktencheck wird dazu folgendes Buch empfohlen: „Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne“ von Peter Becker (Ponte Press, 2011).

Unternehmen der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung dienen auch nach heute gültiger Rechtsauffassung der „Daseinsvorsorge“. Wie ist diese Rechtsauffassung entstanden? Im Jahr 1952 wurde das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingeführt mit großen Ausnahmebereichen für die leitungsgebundene Energieversorgung. Auch für Versorger im privaten Eigentum war damit Wettbewerb ausgeschlossen, weil nur mit „Gebietsmonopolen“ eine billige und sichere Energieversorgung möglich sei. 

Auch nach der Liberalisierung sowie dem unbundling der Energieversorger wird die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung als Daseinsvorsorge betrachtet. Ein klar definierter Rechtsbegriff ist diese „Daseinsvorsorge“ jedoch nicht. 

Das Klimaschutzgesetz gibt den Rahmen vor

Strom- und Gasversorgung sind in großem Umfang eine Aufgabe kommunaler Unternehmen. Die Unternehmen des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) betreiben etwa 45 Prozent aller Stromverteilnetze. Die Gewinne der kommunalen Unternehmen werden entweder zur Quersubventionierung des ÖPNV oder auch im Sinne einer Steuereinnahme genutzt. 

Ist es also im Rahmen der Daseinsvorsorge einfach eine Aufgabe des Staates und der Energieversorger, Transformations- und Klimaschutz-Maßnahmen umzusetzen? Welche Regelungen zur Definition der Verantwortung sind im Klimaschutzgesetz enthalten? Paragraf 8 des Bundesklimaschutzgesetzes beschreibt die Verantwortung zur Beschließung von Maßnahmen seitens der Regierung um die Summe der Jahresemissionsgesamtmengen einzuhalten. Diese Maßnahmen werden dann gemäß Paragraf 9 in einem Klimaschutzprogramm detailliert beschrieben und gesetzlich verabschiedet. 

Mit anderen Worten und vereinfacht ausgedrückt: die Exekutive hat die Verordnungsermächtigung und die Gesellschaft (Firmen, Bürger, Körperschaften) ist verantwortlich für die Umsetzung und Finanzierung der technischen Investitionen für den Umbau des Energiesystems. 

Die Bundesregierung in der Zwickmühle

Wir alle sind also verantwortlich für die Umsetzung aller Maßnahmen des Klimaschutzprogramms.  Es wird im Klimaschutzgesetz allerdings eine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand definiert. 

Das Klimaschutzgesetz definiert eindeutig die Jahresemissionsmengen, aber die Verantwortung für die Umsetzung der Maßnahmen und deren Struktur wird völlig offen gelassen. Dies zu entscheiden, ist Aufgabe der Exekutive im Rahmen der Verabschiedung von Gesetzen.

Insgesamt ist dies keine einfache Situation: Die Regierung wird in der Bundestagswahl 2025 an den Erfolgen oder Emissionsmengen gemessen werden und die Entscheidungen zur Erreichung dieser Ziele liegen in den Händen der Energieunternehmen, der Firmen, der Körperschaften und der einzelnen Bürger. 

Wird der Regulierungsrahmen so definiert, dass darin Gebote und auch Verbote sowie immanente Technologieentscheidungen (aufgrund von Effizienzvorteilen) enthalten sind, dann entsteht in den Medien aller Erfahrung nach ein emotionaler Aufstand und Kulturkampf. Am Ende ist gegenwärtig abzusehen, dass die Regierung aufgrund der wahrscheinlichen Nicht-Erreichung der Emissionsziele der „Verlierer“ sein wird. 

Doch danach fragt niemand mehr, wenn mit dem Themen „hohe Energiepreise“ und „Kulturkampf seitens der Klimaschützer“ erfolgreich populistische Politik gemacht wurde und auch Wahlen gewonnen wurden. 

Was der Gesetzgeber tun kann

Welchen Ausweg kann die Exekutive aus dieser Sackgasse finden? 

Ein Lösungsweg sollte ausgeschlossen werden: Allein mit hohen staatlichen Subventionen und Förderungen können die Ziele nicht erreicht werden. Hier einige Vorschläge für Lösungsansätze: 

  • Eindeutige Definition der Verantwortung für die Zielerreichung und Maßnahmen in allen öffentlichen Bereichen (Bund, Bundesland, Kommunen)
  • Verbindliche Pflicht zur Aufstellung von Dekarbonisierungsplänen für alle kommunalen Versorgungsunternehmen 
  • Eindeutige Festlegung der Umsetzungsverantwortung für alle Bürger*innen und Firmen z,B. auch im Rahmen von Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften
  • Umsetzung der EU-Vorgabe RED II als Grundlage für breite private Prosumer-Investitionen 

Das Fazit aus dieser Betrachtung: Es ist keine „blood, sweat & tears“-Rede des Bundeskanzlers erforderlich, aber es muss verdeutlicht werden, an welcher Stelle die „Daseinsvorsorge“ endet und die individuelle Verantwortung beginnt und auch zugemutet werden kann. 

Autor*in
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Bernd Schwarz

ist Diplom-Ingenieur hat hat Kompetenz in der Energiewirtschaft durch IT-Entwicklungsprojekte in den Themen Netzbetrieb und -dokumentation, Energieabrechnung mit SAP IS-U, Energie-Portfoliomanagement, Smart Meter.

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3 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 02.01.2024 - 10:35

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Was nützt es, wenn wir als Bürger*innen das Jahr über alles Mögliche zum Klimaschutz tun, aber an Silvester sowie an den Tagen davor und danach durch unsinnige Ballerei die Luft verpestet wird, es Tote und Verletzte gibt, dazu zahlreiche Brände und Angriffe gegen Polizei und Feuerwehr? Dann werden diese Bemühungen doch gleich zunichte gemacht.

Solange die Politik dies alles zulässt und nicht endlich gleich zu Jahresbeginn ein Verbot gegen diese Unsitte sowie auch ein Importverbot (95 Prozent des Materials werden weitgehend aus China bei Kinderarbeit importiert) erteilt, sind doch alle Appelle an die Bevölkerung sowie die Verharmlosungen in den Medien, es sei ruhiger zugegangen, unglaubwürdig!!!

Gespeichert von Bernd Schwarz (nicht überprüft) am So., 21.01.2024 - 17:34

Antwort auf von Peter Boettel (nicht überprüft)

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Es stimmt : Alles hängt mit allem zusammen ......aber trotzdem hat jeder Bürger in allen Situationen alle Wahlmöglichkeiten.
Wir können helfen oder auch wegschauen ...
Manche entscheiden sich für das Helfen und manche für das Wegschauen.
Das Böller Verbot kann ich auch unterstützen aber gleichzeitig empfinde ich es als Pflicht und sinnvolle Aufgabe in Eigenerzeugung zu investieren. Warum ?
Ganz egoistisch: Gut verzinste Geldanlage und Kostensenkung der Stromenergie in erheblichem Maße...
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Schwarz

Gespeichert von Ingeborg Mehser (nicht überprüft) am Di., 02.01.2024 - 11:45

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Hallo Bernd,
ich wünsche mir gute Beispiele aus Ländern, Städten und Gemeinden, an denen sich die anderen orientieren können und nicht jeder das Rad neu erfinden muss.
In den Kirchen gibt es zur Fastenzeit eine Klimaschutzchallenge - das dreht nicht das große Rad, aber es zeigt, dass jede(r) etwas tun kann.
Viele Grüße
Ingeborg