Neuwahlen am 23. Februar: Was der Termin für Deutsche im Ausland bedeutet
Der Streit über einen möglichen Termin für Neuwahlen scheint beigelegt. Doch für mehr als vier Millionen Deutsche, die im Ausland leben, könnte auch der 23. Februar knapp werden. Denn für sie ist der Gang zur Wahlurne einer, der Zeit braucht.
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Für Deutsche, die im Ausland leben, könnte der vorgezogene Wahltermin zu einem Problem werden
Deutschland steht vor Neuwahlen. Wurde zunächst hitzig über einen Termin diskutiert, haben sich die Spitzen von Union und SPD am Dienstag geeinigt: Sie werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den 23. Februar 2025 für die Wahl zum Bundestag vorschlagen. So gut eine Einigung auch ist, könnte der vorgezogene Wahltermin für Millionen Deutsche, die im Ausland leben, mit Herausforderungen verbunden sein.
Vier Millionen Deutsche im Ausland
Deutschland gilt vielen nicht als klassisches Auswanderungsland, weist aber tatsächlich eine international vergleichsweise mobile Bevölkerung auf. Dennoch wird die Zahl der dauerhaft im Ausland lebenden deutschen Staatsbürger*innen – anders als beispielweise in der Schweiz, die über eine detaillierte „Auslandschweizerstatistik“ verfügt – nicht systematisch erfasst. Um sie zu beziffern, ist man auf Schätzungen angewiesen. 2019 sprach das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung von etwa vier Millionen Deutschen, die im Ausland leben. Heute, fünf Jahre später, liegt diese Zahl sicherlich etwas höher.
Über vier Millionen Deutsche im Ausland – das ist eine gewaltige Zahl. Würden all diese Personen in einem Bundesland leben, wäre dieses 17. Bundesland in etwa so bevölkerungsreich wie Rheinland-Pfalz oder Sachsen und damit größer als mindestens die Hälfte der bestehenden sechzehn Bundesländer. Und würden viele dieser vier Millionen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, könnte ihr erhebliches Stimmgewicht entscheidend sein, wenn es darum geht, ob Parteien die Fünf-Prozent-Hürde knacken oder ob Koalitionen Mehrheiten zustande bringen. Einzig: sie tun es nicht.
Geringe Wahlbeteiligung
Denn nur ein Bruchteil der über vier Millionen Deutschen im Ausland nimmt an Wahlen teil. Im Vorfeld der letzten Bundestagswahl stellten lediglich etwa 129.000 von ihnen den dafür nötigen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis. Das scheint eine magere Quote zu sein, ist aber tatsächlich eine relativ hohe Zahl. Zum Vergleich: für die Bundestagswahl 2013 wurden sogar nur rund 67.000 dieser Anträge gestellt. Darüber, wie viele dieser Wahlwilligen ihre Stimme wirklich abgaben beziehungsweise abgeben konnten, kann mangels offizieller Zahlen ebenfalls nur gemutmaßt werden.
In vielen Fällen lässt sich die geringe Wahlbeteiligung auf politisches Desinteresse zurückführen. Vor allem auf Deutsche, die seit langem außerhalb Deutschlands leben, mag das zutreffen. In einigen Fällen könnte aber auch das deutsche Wahlrecht für die geringe Wahlbeteiligung verantwortlich sein. Denn das Bundeswahlgesetz macht es den Deutschen im Ausland nicht gerade leicht.
Klare Fristen trotz Postweg
Möchten sie in Deutschland an Bundestags- oder Europawahlen teilnehmen, müssen sie zunächst den Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis stellen. Dies muss für jede Wahl von neuem erledigt werden. Der Antrag verlangt unter anderem die Angabe des Tages, an dem man aus Deutschland fortgezogen ist – eine Angabe, die nur die wenigsten umstandslos parat haben. Hat man den Antrag ausgefüllt, ist dieser an die zuständige Behörde der Gemeinde zu richten, in der man zuletzt in Deutschland gemeldet war. Kommt der Antrag dort an, wird über ihn beschieden.
Fällt der Bescheid positiv aus, werden die Briefwahlunterlagen ins Ausland geschickt. Dort angekommen, müssen sie ordnungsgemäß ausgefüllt und wieder zurück in die ehemalige Heimatgemeinde geschickt werden. Dieses ganze Hin und Her ist an klare Fristen geknüpft und verläuft im nur unzureichend digitalisierten Deutschland in den meisten Fällen auf dem Postweg. Mindestens zwei, häufig aber drei Briefsendungen müssen also pünktlich vom Ausland nach Deutschland beziehungsweise in die Gegenrichtung transportiert werden. Das braucht vor allem eins: ausreichend Zeit, womit wir beim Problem einer sehr baldigen Neuwahl des Deutschen Bundestages wären.
Wahlrecht schützen
Ein zu früher Termin, beispielsweise schon am 19. Januar nächsten Jahres, wie CDU-Chef Friedrich Merz es gefordert hatte, hätte es wahrscheinlicher gemacht, dass das beschriebene Antrags- und Briefwahlprozedere nicht von allen wahlwilligen Deutschen im Ausland fristgerecht hätte abgeschlossen werden können. Das gilt umso mehr angesichts der vielen religiösen und weltlichen Feiertage, die in den kommenden zwei Monaten weltweit anstehen und erfahrungsgemäß zu erheblichen Verzögerungen im Briefverkehr führen.
Aber auch Deutsche im europäischen Ausland hätte es treffen können. In ihrem Schreiben zu den „Herausforderungen und Risiken einer vorgezogenen Neuwahl im Januar bzw. Februar 2025“ verwies die Bundeswahlleiterin vergangenen Freitag nicht nur auf die Problematik der „allgemeinen Postlaufzeiten“, sondern auch auf die Gefahr einer zeitlich bedingten „Überlastung der Wahlämter“, was „insbesondere zu Verzögerungen beim Versand , z.B. von Briefwahlunterlagen führen“ könne. Auch der nun vorgeschlagenen Termin am 23. Februar kann mögliche Unsicherheiten im Wahlablauf nicht ganz ausräumen. Es bleibt eine Herausforderung, die angesichts eines verkürzten Briefwahlzeitraums „hier sehr groß sein" kann, darauf wies die Bundeswahlleiterin am Dienstag auf einer öffentlichen Sondersitzung des Wahlprüfungsausschusses im Bundestag hin.
Artikel 38 des Grundgesetzes gibt allen wahlberechtigten Deutschen, auch denen, die dauerhaft im Ausland leben, das Recht auf die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl ihrer Bundestagsabgeordneten. Es zählt nun, dass das Wahlrecht für Deutsche im Ausland gewahrt bleibt.
ist SPD-Mitglied und lebt in Italien. Innerparteilich engagiert er sich im SPD-Auslandsfreundeskreis Italien sowie im Arbeitskreis SPD International.