Film „Die Unbeugsamen 2“: Gleichberechtigung in der DDR im Realitätstest
Waren Frauen in der DDR tatsächlich so emanzipiert, wie viele meinen? Der Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen 2“ lässt Zeitzeuginnen urteilen. Ein kritischer, aber differenzierter Blick zurück.
Majestic/Progress.film
Einblicke in den Arbeitsalltag von Frauen in der DDR: Protagonistinnen der Dokureihe „Wittstock“ aus den 1970er-Jahren.
Um Frauen in der DDR ranken sich viele Mythen. In manchen Erzählungen erscheinen sie wie Superwesen, die alles unter einen Hut bekommen haben: Arbeit, Kinder, eine erfüllte Partnerschaft, ein gepflegtes Heim und so weiter. Möglich gemacht habe all das die Staatsführung, indem sie die Gleichberechtigung mit progressiven Gesetzen und einer üppigen sozialen Infrastruktur vorangetrieben habe.
Auf der Habenseite konnte die DDR verbuchen, dass Frauen durch einen Passus in der Verfassung seit 1950 gleichberechtigt waren (wie übrigens auch seit 1949 im Grundgesetz der Bundesrepublik). Auch die 1972 ergangene Fristenlösung für Schwangerschaftsabbrüche gilt als wichtiger Schritt hin zu mehr Freiheiten.
Doch was bedeuteten diese politischen Zäsuren im Alltag? Gab es eine Kluft zwischen politischen Verlautbarungen und konkreten Lebensrealitäten? Der Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, Ihr Schönen!“ schaut zurück.
Frauen kämpfen um Teilhabe
Im ersten Teil hat Regisseur und Autor Torsten Körner nachgezeichnet, wie Frauen in der alten Bundesrepublik um politische Teilhabe gekämpft haben. Mit rund 200.000 Kinozuschauer*innen gelang ihm ein Überraschungserfolg. Auch Teil zwei, der sich dem anderen deutschen Staat widmet, dürfte auf großes Interesse stoßen und für Diskussionen sorgen.
Erneut geht es um Teilhabe beziehungsweise um die Frage, wie es im Sozialismus tatsächlich um die Gleichberechtigung bestellt war: nicht nur in der Politik, sondern auch in anderen gesellschaftlichen und nicht immer außerordentlich öffentlichkeitswirksamen Bereichen der Gesellschaft. In mehreren Kapiteln und unter verschiedenen Blickwinkeln werden 40 Jahre DDR unter die Lupe genommen. Mancher Befund erstaunt, doch insgesamt ergibt sich ein differenziertes Bild.
Wie schon im ersten Teil überlässt Körner die Analyse seinen Interviewpartnerinnen. Vor der Kamera schildern sie persönliche Erfahrungen, gehen aber auch auf größere Zusammenhänge ein. Die 15 Befragten decken ein breites gesellschaftliches Spektrum ab. Mit dabei sind unter anderem weithin bekannte Persönlichkeiten wie die Schauspielerin Katrin Sass, die frühere Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe und Marina Grasse, die erste und einzige Gleichstellungsbeauftragte der DDR in der Regierung von Lothar de Maizière.
Ein weiblicher Sound
Zu Wort kommen außerdem Katrin Seyfarth, die als erste Blockwalzerin in der Maxhütte Unterwellenborn tätig war. Oder auch die Künstlerin und Oppositionelle Gabriele Stötzner sowie Tina Powileit: Die Schlagzeugerin zählt zu den Gründerinnen der Band „Femini“, der ersten landesweit bekannten rein weiblich besetzten Rockband.
Durch die Vielzahl an Perspektiven ergeben sich erkenntnisreiche Einblicke in diverse Sphären der sozialistischen Gesellschaft. Ein Tenor zieht sich durch alle Berichte: In der Realität stießen Frauen auf viele Hindernisse, die es offiziell gar nicht hätte geben dürfen. Damit ist nicht nur die gläserne Decke gemeint, die Frauen davon abhielt, Spitzenposten in Wirtschaft oder Politik zu ergattern. Zu den wenigen Ausnahmen zählt bekanntlich Margot Honecker.
Seyfarth berichtet von einem Stahlarbeiter, der meinte, eine Frau auf ihrem Posten mit Gewalt zur Raison bringen zu können. Auch in vielen anderen Betrieben hatten es Frauen häufig schwer, sich als Vorgesetzte gegenüber Männern durchzusetzen, ist zu erfahren. Gar nicht erst zu reden von ähnlich gelagerten Auseinandersetzungen mit Ehemännern und Lebenspartnern.
„Frauen mussten arbeiten"
Immer wieder werden Vergleiche mit den Geschlechtsgenossinnen im westdeutschen Teilstaat gezogen: Diese konnten bekanntlich bis weit in die 70er-Jahre hinein ohne das Okay ihres Gatten keiner Beschäftigung nachgehen. Aber war die hohe Beschäftigungsquote von Frauen in der DDR nicht auch (oder vor allem?) ein wirtschaftliches Erfordernis? Stötzner sieht es folgendermaßen: „Frauen durfte nicht arbeiten, sondern mussten dies, weil der Staat pleite war.“
Letztlich wird auch deutlich, wie schnell Frauen, die sich in nicht staatsnahen Gruppen für Frauen engagierten, ins Visier der Sicherheitsorgane gerieten. Die Schriftstellerin Irmtraud Morgner formulierte es im Jahr 1983 so: „Emanzipierte Frauen sind alle potenzielle Dissidenten.“
Unterhaltsam und mit Tiefgang
Überhaupt stellt die Thematisierung der Situation von Frauen in den Künsten zu DDR-Zeiten eine wichtige erzählerische Säule dar. Davon zeugt nicht zuletzt die an ein Buch von Maxie Wander angelehnte zweite Hälfte des Titels des Films. Dieser zehrt vom reichen Dokumentarfilm-Erbe des untergegangenen Staates, aber auch Popsongs kommen zum Einsatz.
Aus all dem ergibt sich eine äußerst kurzweilige und unterhaltsame Erzählung, der es zu keinem Moment an Tiefgang fehlt. Und die deutlich macht, wie sehr es bei diesem Thema darauf ankommt, die Wahrheit in den Zwischentönen zu suchen.
„Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, Ihr Schönen!“, ein Film von Torsten Körner, mit Katrin Sass, Ulrike Poppe, Gabriele Stötzner, Tina Powileit u.a.,104 Minuten.
Im Kino