„Der Sohn des Mullahs“: Wie ein Journalist Irans Regime vorführt
Der Dokumentarfilm „Der Sohn des Mullahs“ schildert das Leben und das grausame Ende des iranischen Exil-Journalisten Ruhollah Zam. Diese Tragödie eines Unerschrockenen bietet auch Raum für Hoffnung.
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An dem Enthüller statuiert das Regime ein Exempel: Ruhollah Zam vor Gericht in Teheran.
Regimekritischer Journalismus kann auf den ersten Blick recht unspektakulär wirken. Die vierköpfige Familie hat sich zum Abendessen am Tisch zusammengefunden. Ruhollah Zam rührt nichts an. Stattdessen hängt der Journalist ununterbrochen und unbeirrt am Handy. So wie auch die meiste Zeit des restlichen Tages. Die nächste Sendung wartet schon. Die Teenager-Tochter ist genervt und versucht vergeblich, ihren Vater zur Rede zu stellen.
Dieser so routiniert wirkende Workaholic ordnet alles seiner Arbeit unter und hat die Lage stets unter Kontrolle, so könnte man meinen. Tatsächlich erzählt Nahid Persson Sarvestanis Dokumentarfilm „Der Sohn des Mullahs“ von einer tragischen Form des Kontrollverlustes.
Zams Schicksal hat international für Empörung gesorgt: Im Juni 2020 wird er aus dem Irak in den Iran entführt und vor Gericht gestellt. Den Schauprozess schlachtet die staatliche Propaganda in aller Form aus. Ein halbes Jahr später wird er hingerichtet.
Die Skandal-Republik Iran
Jahrelang hatte Zam von Frankreich aus Berichte über Korruption und Misswirtschaft in der Islamischen Republik gesendet und zu Protesten aufgerufen. Sein Webportal Amadnews wurde zu einem zentralen Sprachrohr der Opposition. Und der Mann dahinter zum Todfeind der Mullahs.
Ursprünglich wollte Sarvestani in ihrem Film allein auf Ruhollah Zams Agieren als Exil-Journalist eingehen. Dass er eine Reihe von Skandalen bis in höchste Kreise des klerikalen Regimes enthüllen konnte, hatte er vor allem seinen engen Kontakten zu den Eliten des Landes zu verdanken. Das hat ihnen bei einigen Regimegegner*innen verdächtig gemacht. Am Ende lassen eben jene Kontakte Zam in eine tödliche Falle tappen.
Dadurch nahm der Film eine andere Richtung. „Der Sohn des Mullahs“ beschreibt das tragische Ende eines Sohnes aus der Führungsschicht, der zum Dissidenten wird und sich von nichts und niemandem stoppen lässt. Und er stellt die Frage, ob und wie sein Wirken fortgesetzt werden kann.
Namensvetter Chomeini
Der Weg dorthin wird recht kompakt abgehandelt. Ein Jahr vor der Islamischen Revolution im Iran kommt Zam zur Welt. Mit Staatsgründer Chomeini teilt er den Vornamen. Sein Vater ist Geistlicher. Als Erwachsener gerät er mit dem System zunehmend in Konflikt. 2009, nach der umstrittenen Wiederwahl des ultrakonservativen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadineschad, erhebt er Vorwürfe der Wahlfälschung und landet im Gefängnis.
Mit Frau und Tochter flieht Zam nach Frankreich und geht journalistisch in die Offensive. Immer mehr wird er zur öffentlichen Person, wenngleich sich sein Leben unter Polizeischutz vor allem in der engen Wohnung abspielt.
„Der Sohn des Mullahs“ erzählt von einer Annäherung, auch im Wortsinn. Um den aktivistischen Journalisten näher kennenzulernen, quartiert sich Sarvestani über Wochen in Zams Wohnung ein und wird ein Teil seines engsten Umfeldes.
Sie erfährt von einem Mordkomplott gegen Zams Kollegen und Vertrauten, den Exiljournalisten Ali Javanmardi. Sie reist zu ihm ins irakische Kurdistan und bekommt weiteres Anschauungsmaterial zum Dasein eines Regimegegners, der sich nirgendwo sicher fühlen kann: Javanmardi verlässt das Haus niemals ohne Revolver und im Fußraum seines Autos liegen Maschinenpistolen. Zam hat ihn gewarnt. Die an ihn gerichteten Warnungen nimmt er hingegen gelassen.
Besonders eindringlich gerät die Erzählung dadurch, dass die ebenfalls aus dem Iran stammende Filmemacherin ein Teil von ihr ist. Indem sie Zams Lebensweg bis hin zu seinem gewaltsamen Ende in Teheran verfolgt, stellt sie sich ihren eigenen Wunden: Ihr Bruder wurde kurz nach dem Machtantritt der Mullahs exekutiert. Hinzu kommt, dass die in Schweden lebende Exil-Iranerin während der Dreharbeiten Drohungen erhält. Zams Geschichte wird immer mehr zu ihrer eigenen.
Ein Zeugnis für unerschrockenen Journalismus
Trotz dieser ausgeprägten persönlichen Nähe und Betroffenheit verliert Sarvestani nie ihren analytischen Blick auf Zam und seine Situation. Nicht nur bezogen auf den Protagonisten ist ihr Film ein Zeugnis für unerschrockenen Journalismus. Nicht nur, aber gerade gegenüber diktatorischen Regimen ist dieser gefragter denn je.
„Kämpfen hat seinen Preis“, sagt Ruhollah Zam vor der Kamera. Der Film macht deutlich, wie hoch dieser Preis sein kann und was er auch für die Angehörigen bedeutet. Zwei Jahre nach Zams Tod schließt sich seine ältere Tochter unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“ den Protesten gegen das Mullah-Regime an. Wir sehen sie bei einer Kundgebung in Paris. Diese Bilder verleihen diesem über weite Strecken erschütternden Werk eine hoffnungsvolle Note.
„Der Sohn des Mullahs“ (Schweden 2023), ein Film von Nahid Persson Sarvestani, mit Ruhollah Zam, Nahid Persson Sarvestani u.a., 100 Minuten, OmU
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