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USA: Was SPD-Chef Klingbeil sich vom Parteitag der Demokraten abgeschaut hat

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil nimmt in dieser Woche auf Einladung am Parteitag der US-Demokraten in Chicago teil. Im Interview zeigt er sich begeistert von der Atmosphäre und erklärt, was er für seine eigene politische Arbeit in Deutschland mitnehmen will.

von Jonas Jordan · 22. August 2024
Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sorgt auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago für Begeisterung.

Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sorgt auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago für Begeisterung.

Auf Instagram haben Sie geschrieben: „Ich wünsche mir, dass Kamala Harris Präsidentin wird.“ Warum?

Es ist kein Geheimnis, dass die deutsche Sozialdemokratie sehr eng mit den US-Demokraten zusammenarbeitet. In Kamala Harris' Programm sind Entlastungen für die arbeitende Mitte enthalten. Das ist sehr sozialdemokratisch. Es ist eine Kontinuität, die in der internationalen Politik mit ihr einhergehen würde, auch was die Unterstützung der Ukraine angeht. Die engen transatlantischen Beziehungen sind mit ihr sehr stark verbunden. Durch viele Gespräche mit ihrem Umfeld weiß ich: Da ist eine Verlässlichkeit, da ist ein Miteinander und nicht dieses Gegeneinander, das es mit Trump geben würde.

Wie schätzen Sie ihre Chancen ein?

Sie hat eine total geschlossene Partei hinter sich und das Momentum auf ihrer Seite. Doch die Wahl wird in wenigen Swing States entschieden. Da geht es manchmal um wenige tausend Stimmen. Sie ist in einer guten Position, aber es wird ein hartes Rennen. Der eigentliche Wahlkampf fängt mit diesem Parteitag erst an.

Sie sind auf Einladung der Demokraten diese Woche in Chicago. Wie muss man sich das vorstellen?

Das National Democratic Institute (NDI) veranstaltet hier ein International Leaders Forum mit verschiedenen internationalen Gästen. Albin Kurti, der Premierminister aus dem Kosovo, ist dabei, ebenso wie Magdalena Andersson, die Vorsitzende der schwedischen Sozialdemokraten und ehemalige Premierministerin des Landes, oder Jacinda Ardern, die ehemalige neuseeländische Premierministerin. Es gibt ein eigenes Programm, abends sind wir dann aber auch immer alle auf dem Parteitag. Außerdem treffe ich mich hier mit Gouverneuren, mit Senatoren, mit Kongressabgeordneten, mit Leuten, die den Wahlkampf von Kamala Harris organisieren und beraten.

Lars
Klingbeil

Mich inspiriert die realistische Zuversicht im Kampf gegen Populisten und Spalter wie Donald Trump.

Michelle Obama sagte in ihrer Rede, die Hoffnung sei zurückgekehrt. Wie nehmen Sie die Stimmung vor Ort wahr?

Die Stimmung ist wahnsinnig euphorisch. Die Rede von Michelle Obama war ein absoluter Höhepunkt. Die amerikanische Politik ist mehr durch Inszenierung geprägt als in Deutschland, aber mich inspiriert die realistische Zuversicht im Kampf gegen Populisten und Spalter wie Donald Trump. Keine, die an den Menschen vorbeiredet, sondern eine, die sagt: „Wir können hier vieles schaffen und das Land stark halten, wenn wir zusammenhalten.“ Man merkt den Spirit der Demokraten, immer wieder deutlich zu machen: „Wir wollen kein polarisiertes Land, wir wollen die Hand reichen, wir wollen Brücken bauen.“ 

Was kann man sich von den Demokraten im Kampf gegen Rechtspopulismus abschauen?

Zuversicht, Optimismus und der Glaube an die Stärke eines Landes. Die Populisten leben davon, dass sie spalten, dass sie Hass und Hetze verbreiten, dass sie immer wieder das eigene Land schlecht reden. Unsere Position muss sein, die Herausforderungen zu sehen und den Menschen klar zu sagen, dass wir ihre Herausforderungen sehen. Das Leben ist teurer geworden, es ist komplizierter geworden, wir sehen die internationalen Krisen. Trotzdem glaube ich daran, dass Deutschland sich als starkes Land durch diese Zeit durcharbeiten kann und man das gemeinsam gut hinbekommen kann. Diese Zuversicht, diesen Mut und diese Hoffnung wünsche ich mir auch in der deutschen Politik mehr, weil wir dann als Land insgesamt stärker sind.

Barack Obama sagte über Kamala Harris: „Yes, she can“. Inwieweit ist die aktuelle Stimmungslage vergleichbar mit der Wahl von Obama 2008?

Der Aufbruch ist da und auch zu spüren. In den letzten Wochen gab es in der demokratischen Partei viel Ungewissheit, ob Joe Biden gesundheitlich noch stark genug ist, um das alles zu meistern. Er hat am Montag eine wahnsinnig starke Rede gehalten. Da hat er vielen gezeigt, dass er es noch kann. Ich weiß nicht, ob man diese Parallelen zu Obama ziehen muss, aber es herrscht hier schon sehr viel Euphorie. 55.000 Leute sind auf diesem Parteitag akkreditiert. Ganz Chicago ist auf den Beinen.

Was kann man sich für deutsche Wahlkämpfe und künftige SPD-Parteitage abschauen?

Das ist nicht übertragbar auf Parteitage bei uns. Wir haben eine eigene Dynamik, wir haben eine eigene Tradition. Wir sollten auch nicht versuchen, amerikanische Parteitage zu kopieren. Doch programmatisch und von der Körperhaltung kann man einiges für Deutschland übernehmen. Optimismus und Zuversicht halte ich für ganz wichtig. Kamala Harris hat in ihrer ersten wirtschaftspolitischen Rede deutlich gemacht, dass sie den Fokus auf Steuererleichterungen für die arbeitende Mitte legen will. Sie adressiert die Fragen: Wie kann man dafür sorgen, dass die Inflation nicht spürbar ist im Geldbeutel der Menschen? Wie kann man dafür sorgen, dass man sich das Eigenheim leisten kann? Das sind alles sehr sozialdemokratische Themen.

Haben Sie aus den Lehren der Bundestagswahl 2021 den Demokraten Tipps für einen erfolgreichen Wahlkampf gegeben?

Es wäre ein bisschen anmaßend, wenn ich hier Tipps gäbe. Ich habe eher an die Situation gedacht, als wir mit Martin Schulz sehr euphorisch in den Wahlkampf gestartet sind und er das ja auch sehr stark gemacht hat, aber dann ist die Kampagne ins Stocken geraten. Die Bewährungsprobe findet erst in dem Moment statt, in dem die ersten Krisen kommen. Dann muss man gut vorbereitet sein, stark sein und als Partei geschlossen bleiben. Darüber habe ich mit Experten geredet. 

Wie werden Sie den Wahlausgang am 5. November verfolgen?

Ich habe mehrere Monate in den USA gelebt und bin ein großer Fan US-amerikanischer Politik. Auch durch die Serie West Wing. Ich lese wahnsinnig viel darüber und freue mich auf die Wahlnacht. Das wird sicherlich auch in Deutschland ein großes Ereignis.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 22.08.2024 - 16:42

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